G99/90 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der zweite sowie der damit seinem Wortlaut nach in untrennbarem Zusammenhang stehende dritte Satz des §50 Abs3 Stmk JagdG 1986 sind wegen Widerspruchs zu Art6 Abs1 MRK als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Regelung des zweiten Satzes des §50 Abs3 Stmk JagdG 1986 geht davon aus, daß dem Jagdberechtigten des einer Fütterungsanlage für Rotwild benachbarten Revieres die Errichtung und der Betrieb jener Fütterungsanlage zum Nutzen gereicht, wenn und soweit er Rotwild erlegt, das an jener Fütterungsanlage gefüttert wurde. Der Fütterungsaufwand des Betreibers der Fütterungsanlage kommt sohin insoweit einem anderen Jagdberechtigten zugute. Wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Abgeltung dieses Aufwandes eines Jagdberechtigten durch einen anderen - begünstigten - Jagdberechtigten wie in §50 Abs3 zweiter Satz Stmk JagdG 1986 vorsieht, regelt er damit Ansprüche zwischen einander gleichgeordneten Rechtssubjekten, also zwischen den Einwohnern des Staates "unter sich" im Sinne des §1 ABGB. Auch bei der Regelung eines Fütterungsbeitrages geht es um die Abgrenzung der Vermögens- und damit der Interessenssphären der Bürger untereinander, nicht hingegen um die Durchsetzung öffentlicher Interessen zugunsten der Allgemeinheit (vgl. auch VfSlg. 10292/1984). Der Anspruch beruht auf der Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze und gehört damit zum Kernbereich des Zivilrechtes. Er fällt folglich auch unter den Begriff der "civil rights" im Sinne des Art6 Abs1 MRK.
Gemäß Art6 Abs1 MRK muß über die dem Kernbereich des Zivilrechts zugehörenden Ansprüche und Verpflichtungen ein Tribunal in der Sache selbst entscheiden. Die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof reicht hier nicht aus; ebenso ist die Steiermärkische Landesregierung, die in letzter Instanz über die Verpflichtung zur Entrichtung von Fütterungsbeiträgen nach §50 Abs3 Stmk JagdG 1986 zu befinden hat, kein Tribunal im Sinne des Art6 Abs1 MRK (mit Vorjudikatur).