B1868/92 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Keine Bedenken gegen die Regelung der örtlichen Zuständigkeit des Disziplinarrates in §20 Abs1 DSt 1990.
Bei den Rechtsanwaltskammern handelt es sich nicht um sozusagen vorgegebene, den Zuständigkeits- und Organisationsanordnungen des Gesetzgebers weithin entzogene Körperschaften öffentlichen Rechts. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers, Rechtsanwaltskammern einzurichten (gegebenenfalls auch nicht), ihnen Aufgaben zu übertragen und die Zuständigkeiten zu regeln. Nach dem geltenden Recht kommen nun gewiß den derzeit länderweise gegliederten Rechtsanwaltskammern sehr weitgehende Befugnisse zu. Doch ist dieses Regelungssystem von Verfassungs wegen nicht geboten und es ist durchaus eine anders geartete Organisations- und Zuständigkeitsstruktur ebenso verfassungsrechtlich unbedenklich wie die bestehende. Trotz des föderalistischen Aufbaus der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltskammern durch Bildung autonomer Länderkammern ist die österreichische Rechtsanwaltschaft ein einheitlicher Berufsstand, was insbesondere in der Zusammenfassung der Rechtsanwaltskammern Österreichs zum Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zum Ausdruck kommt. Bei der Anordnung des §20 Abs1 DSt 1990 handelt es sich also um eine auch die örtliche Zuständigkeit betreffende.
Auch gegen die konkrete Ausgestaltung der durch §25 Abs1 DSt 1990 vorgesehenen Möglichkeit der Übertragung der Zuständigkeit vom Disziplinarrat der einen auf den einer anderen Rechtsanwaltskammer hegt der Verfassungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die in §25 Abs1 DSt 1990 vorgesehenen Möglichkeiten der Delegation in Fällen der Befangenheit des Disziplinarrates bzw. "aus anderen wichtigen Gründen" sind hinreichend konkret umschrieben.
Daß eine solche Regelung auch willkürlich gehandhabt werden kann, wie die Beschwerde behauptet, macht sie noch nicht verfassungswidrig.