JudikaturVfGH

G408/97 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
19. Juni 1998

§28 Abs6 AuslBG idF des AntimißbrauchsG, BGBl. 895/1995, war verfassungswidrig.

Der Begriff der Strafe setzt als ein mit Tadel verbundenes Übel wegen schuldhafter Verletzung von Ver- oder Geboten der Rechtsordnung voraus, daß der Täter gegen eine ihn treffende Verhaltensregelung verstoßen hat. Der Grundsatz, daß strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten geknüpft sein darf, ist so selbstverständlich, daß er in den einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien (Art90 ff B-VG, Art6 und Art7 EMRK) unausgesprochen vorausgesetzt wird.

§28 Abs6 AuslBG in der angegriffenen (ursprünglichen) Fassung knüpft die Strafbarkeit des Auftraggebers (Generalunternehmers) an die Übertretung von Verboten, die einen anderen - den Beschäftiger - treffen. Unter der Voraussetzung, daß der Auftrag im Rahmen der Tätigkeit des Auftraggebers als Unternehmer erfolgt ist, soll er für ein Verhalten des Auftragnehmers (Beschäftigers) bestraft werden.

Der Gesetzgeber hat es unterlassen, Pflichten zu formulieren, deren Verletzung er dann unter Strafe stellen könnte. Aus dem von ihm möglicherweise stillschweigend vorausgesetzten Erfordernis des Verschuldens (§5 VStG) allein lassen sich keine Verhaltenspflichten ableiten. Selbst wenn es aber möglich wäre, dem Anliegen des Gesetzgebers in dieser Richtung etwas zu entnehmen, könnte ein Zuwiderhandeln gegen seine Absichten nicht strafbar sein.

Die Bedenken der antragstellenden Verwaltungssenate erweisen sich daher schon unter dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit von Strafen für fremdes Verhalten als begründet.

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