G212/01 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der Ausdruck "und 28" in Z2, die Z3, die Z4 und der Ausdruck "25 Abs2 Z2, 28," in Z16 der ZivildienstG-Novelle 2000, BGBl I 28/2000, waren verfassungswidrig.
Aus Art9a Abs3 B-VG ist abzuleiten, daß von einer Verpflichtung des Staates auszugehen ist, die Versorgung der zur Dienstleistung verpflichteten Staatsbürger für die Dauer des Dienstes zu gewährleisten. Es steht dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich frei, das Ausmaß und die Form der Versorgung der Zivildienstleistenden zu regeln; er hat hiebei aber die Grenze zu beachten, wonach die verfassungsrechtlich verankerte Möglichkeit, bei Vorliegen näher umschriebener Gewissensgründe einen solchen Ersatzdienst zu leisten, weder faktisch vereitelt noch (erheblich) erschwert werden darf.
Die Erhöhung der Grundvergütung war nicht geeignet, den Entfall des Anspruches auf Verpflegung auszugleichen.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht wird ein Rechtsanspruch nicht dadurch obsolet, daß auf freiwilliger Basis bzw. allenfalls auf Grundlage moralischer Verpflichtungen von dritter Seite "Zuschüsse", "Härteausgleichsregelungen" oder sonstige Zuwendungen gewährt werden.
Verpflegungsmarken wurden nach der Intention des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers immer dann zur Verfügung gestellt, wenn der Rechtsträger der Einrichtung für die Verpflegung nicht in Form von Naturalien (durch Bereitstellung der Leistungen eines Küchenbetriebes oder von Lebensmitteln), sondern durch Abschluß eines Vertrages mit Dritten sorgte. Damit ist der Wert dieser Verpflegsmarken aber auch eine klare Bezugsgröße dafür, welcher Betrag als für einen Zivildienstleistenden erforderlich erachtet wurde, der sich während seines Dienstes "selbst zu versorgen" hatte; dies umso mehr, als es sich bei den in der Verpflegungsverordnung, BGBl 288/1994, festgelegten Größen um Mindestbeträge handelte.
Selbst dann, wenn dem Zivildienstleistenden zuzumuten gewesen wäre, seine gesamte Grundvergütung ausschließlich für die Verpflegung zu verwenden, läge der rechnerisch ermittelte, zur Verfügung stehende Tagesbetrag (gerundet ÖS 122,--) etwa 21% unter dem Niveau des zuvor - für den Fall der Abgeltung des Anspruches in Verpflegsmarken - allein für die Verpflegung zur Verfügung stehenden Betrages von ÖS 155,--.
Damit wurde das durch Art9a Abs3 B-VG iVm §2 Abs1 ZivildienstG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt, weil der verfassungsrechtlich gebotenen Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung der Versorgung der Zivildienstleistenden nicht entsprochen wurde bzw. die Ableistung des Zivildienstes während der Geltung der in Rede stehenden Rechtslage faktisch (erheblich) erschwert wurde.
(Anlaßfall B1920/00, E v 06.12.01, Quasianlaßfälle B1796/00 ua, B1798/00 ua, B1858/00 ua, alle E v 12.12.01, u.v.m., Aufhebung der angefochtenen Bescheide).