JudikaturVfGH

B1312/02 - B366/03 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Juni 2003

Hätte §51e Abs3 Z3 VStG den Inhalt, daß allein die Höhe der angefochtenen Geldstrafe (weniger als € 500,-) von vornherein den Entfall der mündlichen Verhandlung nach sich zieht, so wäre dies verfassungswidrig. Die Bestimmung läßt aber eine verfassungskonforme Anwendung im Einzelfall zu. §51e Abs3 VStG zwingt den UVS nicht, von der Verhandlung abzusehen, er hat vielmehr einen Ermessensspielraum; "soweit es Art6 EMRK jedoch gebietet, muß er [verfassungskonform] jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen, sofern die Parteien nicht darauf verzichtet haben" (vgl B1737/01, E v 25.09.02).

Der Inhalt der - sachverhaltsbezogenen - Berufung läßt keineswegs zweifelsfrei darauf schließen, daß der Beschwerdeführer dadurch auf sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung konkludent verzichtet hätte. Der schlüssige Verzicht auf ein Recht setzt die Kenntnis dieses Rechts voraus. Der - nicht rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer wurde weder im erstinstanzlichen Bescheid noch im Berufungsverfahren über die Möglichkeit eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung belehrt; es deuten auch sonst keine Umstände darauf hin, daß der Beschwerdeführer von der Möglichkeit der Antragstellung wissen hätte müssen (zur Frage des konkludenten Verzichts vgl. auch EGMR 3.10.2002, Cetinkaya gg. Österreich Zl. 61595/00).

ebenso: E v 25.06.03, B366/03; E v 23.09.03, B374/03; E v 24.02.04, B931/03; E v 09.06.04, B1514/03; E v 09.06.04, B1621/03. Siehe auch E v 30.11.04, B90/04, B160/04, B1008/04; E v 02.11.05, B440/05.

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