B96/05 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Differenzierende Regelungen des ÄrzteG 1998 in Bezug auf die verschiedenen Gruppen von Ärzten.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich aus der Richtlinie 78/687/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes, die die Ausbildungsvoraussetzungen und den Tätigkeitsbereich der Zahnärzte regelt, eine offenkundige Unzulässigkeit eines gemeinsamen Disziplinarrechts für Ärzte und Zahnärzte nicht ableiten.
Die belangte Behörde hat die erforderliche Abwägung zwischen dem Recht, eine kritische - mag sein auch polemische - Äußerung tätigen zu können, und der Notwendigkeit der Verhängung einer Disziplinarstrafe unterlassen. Ferner hat die belangte Behörde §136 Abs1 Z1 ÄrzteG 1998 denkunmöglich angewendet, weil sie den Formulierungen im Leserbrief unterstellt, sie würden das Vertrauen der Patienten in die Ärzteschaft erschüttern. Wenn der Beschwerdeführer mit diesen Äußerungen im Leserbrief seine Auffassung mitteilt, dass Zahnärzte als eigene Berufsgruppe zu qualifizieren seien und die Kammerorganisation auch diesbezüglich einer Systemverbesserung bedürfe, ist ihm mit Blick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung kein disziplinärer Vorwurf zu machen; dieses Grundrecht gebietet besondere Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung als strafbares Disziplinarvergehen, weshalb der Verfassungsgerichtshof die Beurteilung der belangten Behörde, wonach mit diesem Leserbrief respektive mit den inkriminierten Textpassagen die Grenzen der sachlichen Kritik überschritten worden wären, nicht teilen kann. Der Verfassungsgerichtshof ist zudem der Auffassung, dass die unterbliebene Information über die Einstellung eines Vertragsverletzungsverfahrens (iZm der Richtlinie 78/687/EWG) gegen die Republik Österreich durch den Beschwerdeführer kein standeswidriges Verhalten ist.