B434/08 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Die - auch verfassungsgesetzlich gebotene - Meinungsvielfalt hat die mitbeteiligte Partei (ORF) durch ihr Programm insgesamt zu erfüllen, ein Anspruch einer politischen Partei auf Präsenz in einer bestimmten Sendung besteht nicht. Vielmehr ist maßgeblich, dass alle politischen Kräfte, die eine nennenswerte Bedeutung haben (und dazu gehören jedenfalls die im Nationalrat vertretenen Parteien), die Möglichkeit haben, ihren Standpunkt zu einer Frage im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters darzulegen.
Zwar hat die mitbeteiligte Partei neben Experten nur Vertreter der Regierungsparteien, zu zwei der drei Diskussionssendungen auch Vertreter der beiden anderen Oppositionsparteien, eingeladen. Dabei durfte sie den Umstand berücksichtigen, dass eine Regierungspartei und eine eingeladene Oppositionspartei (als Befürworter des "Eurofighterkaufs") zum Zeitpunkt des Abschlusses des "Eurofightervertrages" Regierungsverantwortung getragen haben, die andere Regierungspartei zum Zeitpunkt der Sendung den Verteidigungsminister stellte und der Vertreter der anderen eingeladenen Oppositionspartei in der öffentlichen Wahrnehmung im Vorfeld und während der Tätigkeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Thema als Gegner des "Eurofighterkaufs" wahrgenommen wurde.
Dass die beschwerdeführende Partei in der Berichterstattung zur Abwicklung des "Eurofightervertrages" im Programm der mitbeteiligten Partei insgesamt unterrepräsentiert gewesen wäre, wird in der Beschwerde weder behauptet noch belegt.
Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde den die verfassungsgesetzlichen Gebote der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung sowie der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme konkretisierenden gesetzlichen Bestimmungen des ORF-G einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat. Auch ein Fall von Willkür liegt nicht vor.
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Beschwerde gemäß §36 Abs1 Z1 lita ORF-G (wegen unmittelbarer Schädigung) und Zurückweisung der Eventualanträge.
Abgesehen davon, dass die beschwerdeführende Partei nicht darzulegen vermochte, worin der durch die Nichteinladung zu den Diskussionssendungen verursachte, materielle oder immaterielle Schaden bestanden habe, kann die innerhalb des journalistischen Entscheidungsspielraumes liegende Vorgehensweise der mitbeteiligten Partei die behauptete Verletzung des §4 und §10 ORF-G (und die in weiterer Folge behauptete Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten) nicht bewirken.
Eventualanträge von der belangten Behörde als "eigenständige Beschwerden" gewertet: soweit diese Beschwerden auf §36 Abs1 Z1 lita ORF-G gestützt werden, fehlt die Behauptung einer zumindest möglichen Rechtsverletzung; soweit sie auf litb leg cit gestützt werden, mangelt es an der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanzahl von 120 Unterstützungserklärungen.
Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit.
Wenn die belangte Behörde zutreffend annimmt, dass aus dem in §10 Abs6 ORF-G enthaltenen Programmgrundsatz der angemessenen Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen nicht abzuleiten ist, dass Vertreter aller politischen Parteien zu einer bestimmten Sendung einzuladen sind, und die mitbeteiligte Partei nur politische Mitbewerber einlädt, beschränkt sie die Freiheit der Meinungsäußerung der beschwerdeführenden Partei nicht.
Keine Verletzung in ihrem Recht auf ein faires Verfahren; Art6 EMRK im Verfahren vor der belangten Behörde wegen Verletzung des Objektivitätsgebotes nicht anwendbar (vgl VfSlg 15126/1998).