JudikaturVfGH

B111/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
18. Juni 2009

Bemisst der Gesetzgeber die zur gesetzlichen Pensionsversicherung zu leistenden Beiträge nach Maßgabe jener Einkünfte, welche einer versicherten Person aus der zur Versicherungspflicht führenden Tätigkeit zufließen, so liegt es in seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, ob er dabei entweder unmittelbar an die Ergebnisse steuerlicher Veranlagung anknüpft, ob er bei dieser Anknüpfung aus Gründen der Verwaltungsökonomie Vereinfachungen vornimmt (Pauschalierung) oder ob er Begünstigungen des Steuerrechts nicht in die Beitragsbemessung übernimmt, sofern die Ausgestaltung der Beitragsbemessung insgesamt sachlich ist.

Der Verfassungsgerichtshof deutet die in §2 Z16 NotarversicherungsG 1972 enthaltene Definition der "Kanzleiablöse" iVm den in §10 Abs1 Z2 und §14 Abs2 leg cit normierten weiteren Konkretisierungen auf "Empfänge bzw Erlöse" einerseits und die Bedachtnahme auf deren "steuerliche Erfassung" andererseits in der Weise, dass damit (wenngleich etwas umständlich formuliert) im Prinzip nichts anderes in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge zur Pensionsversicherung nach dem NotarversicherungsG 1972 einbezogen werden sollte als der aus der Veräußerung des Betriebes des Notariates erzielte Gewinn iSd §24 EStG 1988.

Zusätzlicher Nachweis der Unerlässlichkeit dieser gesetzgeberischen Maßnahme zur Erhaltung der Fähigkeit der beteiligten Versicherungsanstalt zur Erbringung der Pensionsleistungen nicht erforderlich.

Keine Unsachlichkeit der Regelung; verfassungskonforme Auslegung geboten.

Zulässigkeit der Beitragspflicht auf der Grundlage betrieblicher Einkünfte eines Notars auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft der Notare.

Der Umstand, dass sich die Beitragsgrundlage des letzten Jahres einer aktiven Tätigkeit als Notar (und damit auch die Kanzleiablöse) der Höhe nach nicht (mehr) auf einen in diesem Kalenderjahr anfallenden Pensionsanspruch auswirkt, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung.

Es gilt in der gesetzlichen Sozialversicherung innerhalb einer Solidargemeinschaft nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, sondern es sind die Grundsätze der Einkommens- und der Risikosolidarität bestimmend.

Kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Hinreichend klarer Inhalt der Bestimmungen insoweit, als es sich beim Begriff der Kanzleiablöse um einen den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zuzurechnenden, mit der Veräußerung der Kanzlei erzielten Gewinn im Sinne der Vorschriften des EStG 1988 (insbes §24 leg cit) handelt, der nach Abzug der Buchwerte für die übertragenen Wirtschaftsgüter und allfälliger Veräußerungskosten verbleibt.

Keine in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler.

Ein Vertrauen auf den Fortbestand eines gesetzwidrigen Behördenvollzuges kann im Rechtsstaat niemals entstehen, geschweige denn verfassungsrechtlich geschützt sein.

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