G74/08 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Zulässigkeit der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des §109 Abs8 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 179/2004 sowie des §9 Abs3 lita und litb der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien und von Abschnitt VIII. Abs1 und Abs2 der BeitragsO für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, jeweils idF des Beschlusses der Vollversammlung der Wiener Ärztekammer vom 21.06.05.
Kein zu enger Anfechtungsumfang.
Es ist zulässig, nur die Aufhebung jener Normen zu beantragen, deren Beseitigung notwendig ist, um die zur Erledigung des zu Grunde liegenden Verfahrens erforderliche verfassungskonforme Rechtslage herzustellen; dieses Ziel wäre mit dem Wegfall des Pensionssicherungsbeitrages und dessen gesetzlicher Grundlage jedenfalls erreicht (vgl zur Zulässigkeit der Anfechtung auch der Verordnungsermächtigung VfSlg 16538/2002 ua).
Keine Unzulässigkeit der Anträge infolge Nichtbeachtung der Einfügung eines Anhanges zu Abschnitt VIII. der BeitragsO betr Parameter und Grundsätze der Ermittlung des Pensionssicherungsbeitrages, weil im Fall der Aufhebung der gesetzlichen Grundlage und des Pensionssicherungsbeitrages schlechthin die Festlegung von Berechnungsparametern ohnehin ins Leere geht.
Kein Vorliegen von res iudicata im Hinblick auf die Ausführungen des VfGH zur Ablehnung der Behandlung der nun dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu Grunde liegenden Beschwerden, weil Entscheidungen außerhalb von Normenkontrollverfahren keinen rechtskraftfähigen Abspruch über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm enthalten.
Abweisung der Anträge.
Keine unsachliche Definition der Kammerangehörigen in §68 ÄrzteG 1998; Einbeziehung der nicht mehr Erwerbstätigen in die Berufsvertretung nicht geboten.
Die (ergänzende) Versorgung von nicht mehr aktiven (ehemaligen) Angehörigen des jeweiligen Berufsstandes liegt im überwiegenden Interesse der im Selbstverwaltungskörper zusammengefassten Personen; wenn die wirtschaftliche Absicherung durch den Wohlfahrtsfonds erfolgt, handelt es sich um ein Vorsorgewerk, dessen Erhalt und Verwaltung im überwiegenden Interesse der Ärzteschaft gelegen ist.
Die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds (zweckgebundenes Vermögen), insbesondere auch die Disposition über diesen, fällt in den eigenen Wirkungsbereich der Ärztekammer.
Anders als in der Vorjudikatur (zuletzt E v 25.09.08, G10/08) ist im hier vorliegenden Zusammenhang nicht von der Gestaltung von Rechtsbeziehungen von Personen, die von den den Selbstverwaltungskörper demokratisch legitimierenden Personen verschieden sind, auszugehen.
Personen, die als ehemalige Kammermitglieder einen Versorgungsanspruch aus einer Kammereinrichtung erworben haben, sind mit gänzlich außerhalb der Kammer stehenden Personen nicht gleichzusetzen (Anspruchserwerb noch als Kammermitglieder, dann Leistungsempfänger).
Da hier ein Gesamtsystem vorliegt, in dem die aktiven Ärzte für die eigene Zukunft und auch für die ihrer Angehörigen vorsorgen - das also zugunsten ehemaliger Kammermitglieder und deren Angehörigen eingerichtet ist -, handelt es sich bei den aus der Kammer ausgeschiedenen Ärzten nicht um eine mit der Kammer in keiner Beziehung stehende Personengruppe. Ein solches Gesamtsystem ist auch in einem Selbstverwaltungskörper verfassungsrechtlich unbedenklich. Daher ist es zulässig, wenn die Verwaltung dieses Systems, einschließlich der Änderung der Höhe der Pensionsansprüche, von den Organen der Kammer und damit von den Kammermitgliedern ohne Beteiligung der Leistungsbezieher vorgenommen wird.
Da die die Beiträge aktuell leistenden und die Pension beziehenden Ärzte eine Solidargemeinschaft bilden und sie daher ein gemeinsames Interesse am Erhalt des Wohlfahrtsfonds verbindet, trifft die Annahme, es handle sich bei den Pensionsbeziehern um "Dritte", nicht zu.
Im Übrigen Hinweis auf Rechtsschutz gegen rechtswidrige Akte der Organe der Selbstverwaltung durch Möglichkeit der Kontrolle durch den VfGH sowie auf das Aufsichtsrecht des Landes (vgl Art120b Abs1 B-VG; §195 ÄrzteG 1998).
Keine konträre Interessenlage der von der Festsetzung des Pensionssicherungsbeitrages Betroffenen und der ordentlichen Kammerangehörigen; längerfristige wirtschaftliche Absicherung des Wohlfahrtsfonds im Interesse sowohl der gegenwärtigen als auch der zukünftigen Leistungsbezieher.
Keine besondere Eingriffsintensität; Begrenzung der Entrichtung des Pensionssicherungsbeitrages mit maximal 10 vH der jeweiligen Pensionsleistung.
Kein Kostenzuspruch; Aufwandersatz für Normenprüfungsverfahren, die auf Antrag eines Gerichtes eingeleitet worden sind, im VfGG nicht vorgesehen.
Es obliegt daher dem antragstellenden Gericht, - nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften - über einen allfälligen Kostenersatzanspruch der Parteien des Ausgangsrechtsstreits zu befinden. Sollten die Vorschriften des VwGG keinen Ersatz der Kosten von Normenprüfungsverfahren über Antrag des VwGH aus Anlass bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren ermöglichen - was der VfGH nicht zu beurteilen hat -, so kann das an der geschilderten Rechtslage nichts ändern. Das gilt selbst dann, wenn die Behandlung der beim VwGH anhängigen Beschwerden vom VfGH abgelehnt wurde.