G173/08 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Abweisung der Anträge des VwGH auf Aufhebung des §3 Abs1 zweiter Satz NAG, BGBl I 100/2005.
Begriffe "Delegation" und "zwischenbehördliches Mandat" in Lehre und Praxis nicht einheitlich; Subsumtion der zu beurteilenden Zuständigkeitsübertragung unter die dafür verwendeten wissenschaftlichen Rechtsbegriffe nicht erforderlich; verfassungskonforme Interpretation geboten.
Mit Erlassung der auf §3 Abs1 zweiter Satz NAG gestützten Verordnung |berträgt der Landeshauptmann seine Zuständigkeit in den darin angeführten Fällen auf die Bezirksverwaltungsbehörden, denen ab diesem Zeitpunkt die Durchführung der Verfahren und deren Entscheidung allein obliegen. Die Bezirksverwaltungsbehörden werden in Verfahren über Anträge nach dem NAG - an Stelle des Landeshauptmannes - in erster Instanz tätig. Demgemäß geht der Instanzenzug von den Bezirksverwaltungsbehörden auch direkt an den Bundesminister für Inneres (§3 Abs2 NAG).
Eine Qualifikation als zwischenbehördliches Mandat scheitert allein schon daran, dass gemäß §8 Abs5 litb ÜG dem Landeshauptmann als Vorstand des Amtes der Landesregierung nur die Bezirkshauptmannschaften im Land - und nicht auch die Städte mit eigenem Statut - als Hilfsorgan unterstellt sind. Die einschreitenden Bezirkshauptmannschaften und Magistrate (Bürgermeister) der Städte mit eigenem Statut entscheiden hier vielmehr als Behörden erster Instanz; sie als Teil des dem Landeshauptmann unterstellten Hilfsapparates anzusehen, wäre daher verfehlt.
Die Fertigungsklausel "Für den Landeshauptmann" zeigt an, dass kein Instanzenzug an den Landeshauptmann eröffnet wird.
Die Interpretation als zwischenbehördliches Mandat liegt auch deshalb nicht nahe, weil §3 Abs1 NAG den Landeshauptmann nicht dazu ermächtigt, im Einzelfall Entscheidungen an sich zu ziehen.
Kein Widerspruch zu VfSlg 18159/2007.
Kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot, im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung den Landeshauptmann im Instanzenzug vorzusehen. Keine Vollzugskonstruktion, die den Landeshauptmann schlechthin umgeht.
Wenn der Gesetzgeber dem Landeshauptmann die Möglichkeit der Verordnungserlassung einräumt, kommt er - macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise als entscheidende Behörde nicht in Betracht. Nähme man hier im Hinblick auf Art102 B-VG ein Gebot an, den Landeshauptmann im Instanzenzug vorzusehen, widerspräche dies der Logik der Zuständigkeitsübertragung sowie der Verwaltungsökonomie. Weder der Wortlaut des Art103 Abs4 B-VG noch des Art109 B-VG stehen dem entgegen.
Der durch die Erlassung der Ermächtigungsverordnung eröffnete Instanzenzug von den Bezirksverwaltungsbehörden zum Bundesminister für Inneres entspricht daher den Organisationsvorschriften der Bundesverfassung.
Daher auch Abweisung der Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen (§1) der Ermächtigungsverordnungen des Landeshauptmannes von Vorarlberg, Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich und Tirol sowie der Landeshauptfrau von Salzburg.