G244/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Abweisung der Anträge des VwGH und des UVS Wien auf Aufhebung der Wortfolge ", sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben," in §57 NAG, BGBl I 100/2005.
Zulässigkeit der Anträge.
In den den Anträgen des UVS zugrunde liegenden Anlassverfahren wurden (anders als im E v 20.06.09, G125/08, betr ein Ausweisungsverfahren) Fremde bestraft, weil sie sich unbefugt im Bundesgebiet aufhielten. In einem Strafverfahren hat die Strafbehörde das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen, somit auch die Berechtigung zum Aufenthalt gemäß §51 ff NAG zu prüfen. Die Anwendung des §57 NAG in den Anlassverfahren vor dem UVS ist somit nicht denkunmöglich.
Vor dem Hintergrund der nach VfSlg 18269/2007 ergangenen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25.07.08, C-127/08, Metock, und Beschluss vom 19.12.08, C-551/07, Sahin; Hinweis auf E v 19.10.04, C-2002/02, Zhu und Chen) ist Folgendes festzuhalten:
Wird ein Angehörigenverhältnis zwischen einem Drittstaatsangehörigen und einem EWR-Bürger (iSd NAG) oder Schweizer begründet, kann sich der Drittstaatsangehörige auf die Unionsbürger-Richtlinie berufen und genießt gemäß §51 bis §57 NAG ein Aufenthaltsrecht in Österreich. Dabei spielt es keine Rolle, wie der Drittstaatsangehörige in das Bundesgebiet gelangt ist oder wann das Angehörigenverhältnis begründet wurde. Genauso wenig kommt es darauf an, ob der EWR-Bürger oder Schweizer von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, indem er bereits in Österreich geboren wurde und hier lebt oder indem er sich erst später hier niedergelassen hat.
Wird jedoch ein Angehörigenverhältnis zwischen einem Drittstaatsangehörigen und einem Österreicher begründet, ist für das Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen ausschlaggebend, ob der Österreicher von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, indem er eines seiner Rechte gemäß Art18 und Art39 ff EG im EWR-Raum außerhalb Österreichs ausübt oder ausgeübt hat. Hat der Österreicher von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht, genießt sein Angehöriger gemäß §54 - §57 NAG ein Aufenthaltsrecht in Österreich, wobei es keine Rolle spielt, wie der Drittstaatsangehörige in das Bundesgebiet gelangt ist oder wann das Angehörigenverhältnis begründet wurde. Hat der Österreicher keinen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht, erhält sein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger einen Aufenthaltstitel unter den (allgemeinen) Voraussetzungen des §47 Abs2 NAG.
Keine Unsachlichkeit der Regelung iSd ArtI Abs1 BVG-Rassendiskriminierung.
Dem Gesetzgeber steht es nach dem Recht der europäischen Union frei, an das Gemeinschaftsrecht anknüpfende Sachverhalte anders zu regeln als solche ohne Bezug zum Gemeinschaftsrecht, weshalb diesbezüglich ein die aufenthaltsrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigender Unterschied im Tatsächlichen vorliegt.
Ausschlaggebendes Kriterium für diese Differenzierung ist weiterhin die Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhaltes, nicht jedoch kommt es auf die Staatsbürgerschaft an. Die Anknüpfung an die Verwirklichung des Freizügigkeitssachverhaltes dient vielmehr der Sicherung und Förderung der Ausübung der Freizügigkeit (Art18 EG) und anderer Rechte nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (Art39 ff EG) durch österreichische Staatsangehörige. Unter diesem Aspekt ist es notwendig, in Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, drittstaatszugehörigen Angehörigen von Österreichern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Aufenthaltstitel unter vereinfachten Bedingungen zu erteilen.
In Fällen, die keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweisen, kommt aber den einzelnen Mitgliedstaaten ein weiterer Gestaltungsspielraum in der Frage zu, wem ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird. Der Gesetzgeber ist daher berechtigt, rein innerstaatliche Sachverhalte nach seinen eigenen Vorstellungen von den Erfordernissen eines geordneten Fremdenwesens zu regeln. Dies geschieht durch jene Bestimmungen des NAG, die die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln normieren.