JudikaturVfGH

V56/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. März 2010

Teilweise Zulässigkeit der Anträge von Mineralölfirmen auf Aufhebung (von Teilen) der Verordnung betreffend Standesregeln für Tankstellenbetreiber über den Zeitpunkt der Preisauszeichnung für Treibstoffe bei Tankstellen, BGBl II 190/2009.

Teils Zurückweisung der Anträge mangels präziser Darlegung der Bedenken gegen alle - nicht in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden - Verordnungsbestimmungen bzw mangels Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften; teilweise unzulässiger Anfechtungsumfang.

Unmittelbare und aktuelle Betroffenheit der Tankstellenbetreiber (unter denen auch Verpächter und Franchisegeber zu verstehen sind, welche die Preisvorgaben machen) durch §1 zweiter Satz (Preiserhöhung nur zum ersten täglichen Betriebsbeginn oder bei durchgehendem Betrieb nur um 00.00 hr zulässig). Untrennbarer Zusammenhang des vierten Satzes des §1 (Preissenkungen jederzeit zulässig) mit dem zweiten und dritten Satz.

Keine unmittelbare Betroffenheit durch §1 dritter Satz (betr Automatentankstellen ohne Aufsichts- oder Bedienungspersonal); weder Verpflichtung noch Recht für andere Tankstellen normiert.

§1 zweiter Satz der Verordnung ist von der Ermächtigung gemäß §69 Abs2 GewO 1994 (zur Erlassung von Standesregeln zur Verhinderung von unredlichen Geschäftspraktiken von Gewerbetreibenden) gedeckt.

Mögliche negative Auswirkungen auf den Wettbewerb durch häufige - mehrmals täglich erfolgende - Preisänderungen der Endverbraucherpreise von Treibstoffen und die daraus resultierende Intransparenz in Bezug auf die Preise; Preisvergleiche schwierig, marktkonformes Verhalten der Verbraucher daher unmöglich.

Die verordnungserlassende Behörde hat insofern zu Recht angenommen, dass die Vorgabe, dass Preiserhöhungen bei Treibstoffpreisen lediglich einmal am Tag zu einem genau bezeichneten Zeitpunkt stattfinden dürfen, dazu geeignet ist, die Preistransparenz auf dem Treibstoffmarkt zu erhöhen, sodass sie infolgedessen auch von positiven Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Betreibern von Tankstellen ausgehen durfte. Wenn auf diese Weise das Vertrauen der Marktteilnehmer in den Wettbewerb gestärkt wird, trägt dies auch zur Wahrung des Ansehens der Tankstellenbetreiber bei. Siehe auch §69 Abs2 Z5 GewO 1995 betr Höchstbeträge für Provisionen; ebenfalls Standesregel mit Bezug auf Preisfestsetzungen.

Kein Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken; keine Irreführung, keine aggressive Geschäftspraxis.

Kein Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; gelindestes, adäquates und angemessenes Mittel zur Zielerreichung (Sicherstellung eines fairen und transparenten Wettbewerbs, Wahrung des Ansehens der Mineralölbranche, Erleichterung des Preisvergleichs).

Einerseits bleibt es den Betreibern von Tankstellen unbenommen, einmal pro Tag eine Preiserhöhung vorzunehmen, während weder in Bezug auf die Anzahl von Preissenkungen noch in Bezug auf deren Zeitpunkt Vorgaben gemacht werden. Andererseits sind erhöhte Transparenz und ein funktionierender Wettbewerb gerade auf einem Markt wie dem Treibstoffmarkt mit einer sehr großen Anzahl an Marktteilnehmern mit unterschiedlicher finanzieller Leistungsfähigkeit von besonderer Bedeutung.

Kein Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Keine unsachliche Besserstellung der Betreiber von Automatentankstellen. Die Ausnahmeregelung des §1 dritter Satz der Verordnung (zulässige Preiserhöhung einmal pro Tag bis 08.30 Uhr) soll vermeiden, dass sich Betreiber von Automatentankstellen mit durchgehendem Betrieb, jedoch ohne Aufsichts- oder Bedienungspersonal (und nur diese), um 00.00 Uhr zur Tankstelle begeben müssen, um eine Preiserhöhung vornehmen zu können.

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