JudikaturVfGH

G228/09 - G37/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. März 2010

Zulässigkeit des Antrags des OGH auf Aufhebung des §264 Abs3 und Abs4 ASVG idF BGBl I 130/2006 (betr Ermittlung der Höhe der Witwen(Witwer)pension durch Einkommensvergleich der beiden Ehegatten während der letzten zwei bzw vier Jahre vor dem Tod des Versicherten).

Antrag nicht zu eng gefasst; Mitanfechtung des §264 Abs5 ASVG (betr den Einkommensbegriff) nicht erforderlich, zumal der OGH diese Regelungen für verfassungskonform hält und sich bei Zutreffen der Bedenken ("zu kurze Beobachtungsfristen beim Einkommensvergleich") die Verfassungswidrigkeit ausschließlich aus den angefochtenen Bestimmungen ergäbe.

Abweisung des Antrags.

Vierjähriger Betrachtungszeitraum vorgesehen, wenn beim verstorbenen Ehegatten eine Verminderung des Einkommens auf Krankheit oder Arbeitslosigkeit zurückzuführen und es für die hinterbliebene Person günstiger ist.

"Härtefälle" nach der Rechtsprechung des VfGH als Folge einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung; nicht vermeidbare Systemfehler.

Das System der Pensionsversicherung beruht nicht nur auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Versorgungsgedanken. Der Gesetzgeber kann daher, ohne mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch zu geraten, bei der Gestaltung des Leistungsrechtes auch sozialpolitische Ziele verwirklichen und dabei eine Durchschnittsbetrachtung anstellen.

Die Rahmenzeiträume von zwei oder vier Jahren lassen in Verbindung mit dem dabei vorgesehenen Günstigkeitsprinzip keine größere Zahl von "Härtefällen" zu, als dies bei einer längeren Frist der Fall wäre, weil es mit jeder Verlängerung der Frist ebenso denkbar ist, dass gerade damit Einkommenssituationen in die Betrachtung einbezogen werden, die für den Anspruch auf eine Witwenpension ebenso ungünstig sind. Der anzustellende Vergleich der wirtschaftlichen Verhältnisse kann auch dadurch "verzerrt" werden, dass derartige Änderungen in den Einkünften aus schicksalshaften Ereignissen im Betrachtungszeitraum von zwei Jahren vor dem Ableben auch bei der hinterbliebenen Person (zB der Witwe) vorkommen können und diesfalls freilich die jeweils umgekehrten Auswirkungen auf den Hinterbliebenenpensionsanspruch haben: Während verminderte Einkünfte der verstorbenen Person zu einer Reduzierung oder zum Wegfall der Hinterbliebenenpension führen können, vermögen zufällig verminderte Einkünfte der Hinterbliebenen im Betrachtungszeitraum die Höhe des Hinterbliebenenpensionsanspruchs zu begünstigen oder diesen erst zu begründen.

Vermeidung von Härtefällen zur Gänze nicht möglich aufgrund der Vielfalt der Lebenssachverhalte.

Angesichts der notwendigerweise ungewissen Wirkungen der Rahmenfristen des §264 Abs3 und Abs4 ASVG hat aber der Gesetzgeber den möglichen Härtefällen jedenfalls dadurch eine auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedeutsame Schranke gesetzt, dass er in §264 Abs6 ASVG für den Fall, dass die Summe aus dem eigenen Einkommen der Witwe nach §264 Abs5 ASVG und der Witwenpension nicht den Betrag von € 1.671,20 monatlich erreicht, sichergestellt hat, dass das Einkommen der Witwe oder des Witwers nicht unter diesen Schutzbetrag sinken kann.

G37/10, E v 29.09.10: Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung des §145 Abs3 und Abs4 GSVG unter Hinweis auf die Begründung des vorliegenden Erkenntnisses zur Parallelbestimmung des §264 Abs3 und Abs4 ASVG.

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