JudikaturVfGH

A24/07 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
26. April 2010

Anlassfallwirkung der Aufhebung des §56 Abs3 Wr KAG mit E v 29.09.09, G54/09, iSd Art140 Abs7 B-VG im Klagsverfahren; keine Unterschiede zwischen den Verfahrensarten, die Anlass für ein Gesetzesprüfungsverfahren sein können; Belastung typischerweise der zur Normsetzung berufenen Gebietskörperschaft nach Aufhebung im Normenprüfungsverfahren; kein "Unwerturteil" über rechtsstaatlich gebotenes Verhalten von Organen des beklagten Landes erforderlich.

Keine Verjährung der Klagsforderung; keine Schadenersatzforderung, sondern auf §56 Wr KAG gestützter öffentlich-rechtlicher Anspruch aus gesetzlichem Schuldverhältnis; Verjährung im (Wiener) Krankenanstaltenrecht nicht vorgesehen; keine Übertragung der Verjährungsvorschriften des ABGB; Unzulässigkeit einer analogen Anwendung der nur für vermögensrechtliche Ansprüche nach dem FAG 2008 geltenden Verjährungsbestimmung des §24 Abs2 FAG 2008 bzw der entsprechenden Vorgängerbestimmungen.

Keine Verpflichtung der Klägerin zur Beweisführung hinsichtlich der Anstaltsbedürftigkeit der Gastpatienten.

Spezielles Anerkennungsverfahren zur Ermittlung des Betriebsabganges gem §56 Abs2 Wr KAG vorgesehen, welches zwischen dem Landesgesundheitsfonds und dem Krankenhausträger abzuwickeln ist und hier auch abgewickelt wurde.

Nachträgliche erfolgreiche Bestreitung der Richtigkeit (im Sinne der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit) auch nur des auf die Gastpatienten entfallenden - vorerst in Abzug gebrachten - weiteren Anteils iSd §56 Abs2 Wr KAG nicht zulässig.

Genehmigung der Rechnungsabschlüsse der Krankenanstalten durch den Wiener Gesundheitsfonds gem §18 Abs7 und §20 Abs2 Wr KAG.

Nachträgliches Hervorkommen konkreter Verdachtsmomente hinsichtlich des Zustandekommens der Anerkennung des Betriebsabganges, zB durch unrichtige Daten, Manipulationen oder Irrtümer, von beklagter Partei nicht behauptet; daher keine Neuaufnahme oder Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens nach §20 Abs2 Wr KAG bzw des Anerkennungsverfahrens betr den Betriebsabgang nach §56 Abs2 Wr KAG; Erkundungsbeweis im Verfahren nach Art137 B-VG unzulässig.

Abweisung des für das Jahr 2007 ausgedehnten Klagebegehrens; keine rechtzeitige Umstellung des ursprünglichen Feststellungsbegehrens auf ein Leistungsbegehren; Höhe der Klagsforderung für 2007 spätestens mit Leistung des (erneut um die Aufwendungen und Erträge für Gastpatienten verminderten) halben Betriebsabganges durch die beklagte Partei am 29.12.08 bekannt; Feststellungsbegehren daher ab 30.12.08 - also vor Fassung des Prüfungsbeschlusses am 05.03.09 - unzulässig mangels eines rechtlichen Interesses; keine Anlassfallwirkung.

Das ausgedehnte Klagebegehren für das Jahr 2008 konnte hingegen nicht vor dem 05.03.09 erhoben werden; Anlassfallwirkung daher für das noch zulässige Feststellungsbegehren sowie für das rechtzeitig (vor Schluss der mündlichen Verhandlung) umgestellte Leistungsbegehren (als vor dem 05.03.09 entstandener, jedoch noch nicht fällig gewesener Anspruch) gegeben.

Zuspruch von Verzugszinsen in bestimmter Höhe, Abweisung des Mehrbegehrens; Anwendbarkeit von §1333 und §1334 ABGB; kein pönaler Charakter von Verzugszinsen; Anspruch nicht vom Verschulden des Leistungspflichtigen abhängig; Verzug muss dem Schuldner aber zumindest objektiv zurechenbar sein.

Auch wenn der Anlassfall in Anwendung des Art140 Abs7 B-VG nach der sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ergebenden (bereinigten) Rechtslage zu beurteilen ist, so führt diese Wirkung der Gesetzesaufhebung nicht auch zu einer rückwirkenden Änderung der Sachlage in der Weise, dass mit Wirkung für die Vergangenheit ein Verschulden an oder aber auch nur eine Zurechenbarkeit von (erst aus Sicht der bereinigten Rechtslage verpönten) früheren Verhaltensweisen entsteht.

Anspruch auf gesetzliche Zinsen daher erst ab dem Verzug der beklagten Partei, hier: ab Beginn der dritten Woche ab Zustellung des Erkenntnisses aufgrund Berücksichtigung einer angemessenen Zahlungsfrist von zwei Wochen.

Zuspruch von Zinsen gemäß §1333 Abs1 iVm §1000 Abs1 ABGB nur in Höhe von 4 % p.a.; Verzugszinsen aus einem gesetzlichen (hier: öffentlich-rechtlichen) Schuldverhältnis keine Zinsen aus "unternehmensbezogenen Geschäften" iSd §343 Abs2 UGB.

Abweisung des für Zeiträume ab 2009 zu behandelnden Feststellungsbegehrens.

Ein nach §38 VfGG erforderliches, über das Leistungsbegehren hinausgehendes rechtliches Interesse kann in einer zufolge unzulässiger Rechtsberühmung der beklagten Partei zu besorgenden Fortdauer der Rechtsgefährdung der klagenden Partei über das Verfahren hinaus liegen, wenn die Feststellungsklage im konkreten Fall als ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung angesehen werden kann.

War das bisherige Verhalten der beklagten Partei lediglich normkonform, und hat sich die Rechtslage (nach Kundmachung der Aufhebung des §56 Abs3 Wr KAG) nun geändert, so kann aus dem bisherigen Verhalten insoweit kein Schluss auf das mutmaßliche zukünftige Verhalten der beklagten Partei gezogen werden, wonach dieses nicht rechtskonform sein werde.

Keine Rechtsgefährdung der Klägerin, künftige rechtswidrige Verweigerung der geschuldeten Leistungen nicht ersichtlich.

Zuspruch anteiliger Kosten im Sinne einer "Quotenkompensation" angesichts des bloß teilweisen Obsiegens der klagenden Partei.

Kein Zuspruch von Kosten für Repliken und einen Schriftsatz, da diese Schriftsätze zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich und auch nicht abverlangt waren; kein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr wegen der bestehenden persönlichen Abgabenfreiheit der klagenden Partei (§109 ASVG).

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