JudikaturVfGH

V78/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
24. Juni 2010

Zulässigkeit des Individualantrags eines Grundstückseigentümers auf Aufhebung der TrassenV BGBl II 235/2009 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 36 Murtal Schnellstraße, Abschnitt St Georgen ob Judenburg bis Scheiflinger Ofen im Bereich der Gemeinden St Georgen ob Judenburg, Unzmarkt-Frauenburg und Scheifling.

Hinreichende Konkretisierung des Antrags durch die Angabe der Katastralgemeinde und der Einlagezahl (im Verordnungsplan nur die Grundstücksnummern enthalten).

Unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers, obwohl sein Grundstück nicht zur Gänze vom festgelegten Bundesstraßenbaugebiet umfasst.

Kein anderer Rechtsweg zumutbar, insbesondere in Hinblick auf Enteignungsbescheid bzw Ausnahmegenehmigung gem §15 Abs1 iVm §14 Abs3 BStG 1971.

Vorgebrachte Bedenken unerheblich für die Beurteilung der Zulässigkeit ebenso wie die Tatsache, dass sich der Antragsteller gegen die Verwirklichung des betreffenden Abschnitts der S 36 schlechthin wendet und kein Vorbringen zur allfälligen Auswahl einer anderen Trassenvariante erstattet.

Abweisung des Antrags.

Im vorliegenden Fall wurde das Vorverfahren gemäß §4 UVP-G 2000 idF BGBl I 50/2002 vor dem 31.12.04 sowie das Anhörungsverfahren durch Kundmachung gemäß §4 Abs5 BStG 1971 iVm §9 Abs3 UVP-G 2000 bis zum 31.05.05 eingeleitet, weshalb die angefochtene Verordnung auf Grund des §4 Abs1 BStG 1971 idF BGBl I 95/2004 ergangen ist und der Verfassungsgerichtshof die vor dem 31.12.04 geltende Rechtslage anzuwenden hat.

Sachlich gerechtfertigte Abgrenzung des Vorhabens, keine unzulässige Teilung in Einzelabschnitte; Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich der S 36 bereits durchgeführt, hinsichtlich der S 37 eingeleitet.

Eine Teilung in einzelne Teilabschnitte kann in einem Fall wie diesem gar nicht dazu führen, dass Verstöße gegen verbindliche umweltrechtliche Vorschriften durch "Stückelung" vermieden werden, da gemäß §24h Abs3 UVP-G 2000 eine Verordnung nicht erlassen werden darf, wenn die Gesamtbewertung ergibt, dass durch das Vorhaben und seine Auswirkungen, insbesondere auch durch Wechselwirkungen, Kumulierung oder Verlagerungen, unter Bedachtnahme auf die öffentlichen Interessen, insbesondere des Umweltschutzes, schwerwiegende Umweltbelastungen zu erwarten sind.

Keine Beschränkung der S 36 Murtal Schnellstraße in ihrer Verkehrsbedeutung auf eine Funktion als Zubringerin zur S 37; überregionale Verkehrswirksamkeit; S 36 und S 37 keine "materiell einheitliche Schnellstraße".

Keine Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz) und des Verkehrsprotokolls zur Alpenkonvention; Durchführung somit "beschlossen" bzw der Bedarf gesetzlich festgestellt iSd Art8 Abs2 Verkehrsprotokoll.

Entsprechend dem Wortlaut des Art8 Abs2 Verkehrsprotokoll ist jedenfalls anzunehmen, dass es für die Ausnahme eines Straßenbauvorhabens von der Anwendung des Verkehrsprotokolls ausreicht, dass die Durchführung eines solchen in der innerstaatlichen Rechtsordnung des jeweiligen Vertragsstaates gesetzlich verankert ist. Die Anführung von Straßenbauvorhaben in jenen Erklärungen und Verzeichnissen, welche die Vertragsstaaten anlässlich des Vertragsabschlusses abgegeben haben, ist dabei nicht erforderlich, da es sich bei diesen Urkunden nicht um Vertragsbestandteile handelt, vielmehr stellen sie Erklärungen dar, die lediglich die politischen Voraussetzungen für die Annahme des Verkehrsprotokolls im Rahmen der Ministerkonferenz bildeten (so auch die Erläuterungen zur Genehmigung des Staatsvertrages, RV 1095 BlgNR

21. GP, 38). Im vorliegenden Fall ist das Erfordernis des Art8 Abs2 Verkehrsprotokoll, dass das betreffende Vorhaben beschlossen oder der Bedarf dafür gesetzlich festgestellt wurde, dadurch erfüllt, dass die Errichtung der S 36 Murtal Schnellstraße zum Zeitpunkt der Annahme des Verkehrsprotokolls im Verzeichnis 2 zum BStG 1971 und damit gesetzlich vorgesehen war. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, auf der Grundlage eines von der Bundesstraßenverwaltung vorgelegten Entwurfs eine Verordnung zur Trassenfestlegung zu erlassen, ohne dass jenem diesbezüglich (Handlungs )Ermessen eingeräumt ist (VfSlg 11755/1988, 12084/1989, 16567/2002).

Keine Derogation des Verzeichnisses 2 zum BStG 1971 durch Art8 Abs2 Verkehrsprotokoll mangels Widerspruchs zwischen der früheren und der späteren Vorschrift.

Ausreichende Grundlagenforschung, kein Bedarf nach einer über die gesetzlichen Erfordernisse hinausgehenden Erhebung der Entscheidungsgrundlagen.

Keine Anwendbarkeit der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) aufgrund des Art13 Abs3 dieser Richtlinie.

Auf Projekte, die bei In-Kraft-Treten der SUP-Richtlinie am 21.07.04 auf Grund bereits erfolgter umfangreicher oder wesentlicher Arbeiten weit fortgeschritten sind, soll die SUP-Richtlinie eben gerade nicht angewendet werden.

Die Strecke von St Georgen ob Judenburg bis Scheiflinger Ofen war bereits als Teil der B 317 Friesacher Straße im Verzeichnis 3 (Bundesstraßen B) zum BStG 1971 idF BGBl I 182/1999 enthalten und wurde durch BGBl I 50/2002 als S 36 Murtal Schnellstraße in das Verzeichnis 2 (Bundesstraßen S) übernommen, aber nicht neu in dieses aufgenommen.

Keine Anhaltspunkte dafür, dass die SUP-Richtlinie auf das Straßenbauvorhaben S 36 anwendbar ist, da die Erstellung dieses Projekts zu einem wesentlichen Teil vor dem 21.07.04 erfolgt ist. Ein Verstoß gegen Art7 B-VG durch Unterlaufen der Ziele der SUP-Richtlinie durch Erlassung der angefochtenen Verordnung hat daher nicht stattgefunden.

Kein Eingehen auf Bedenken gegen die Aufnahme der S 36 in das Verzeichnis 2 des BStG 1971 durch das Bundesstraßen-ÜbertragungsG (BÜG) 2002 im Verordnungsprüfungsverfahren; keine Anfechtung einer Gesetzesbestimmung in diesem Verfahren.

Keine Bedenken gegen die Aufnahme der S 36 in dieses Verzeichnis.

§9 und §11 ASFINAG-ErmächtigungsG nicht präjudiziell.

Keine Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit der Trassenführung iSd §4 Abs1 BStG 1971.

Wenn auch den Verordnungsakten kein eigener Vorgang zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Straßenbauvorhabens durch die verordnungserlassende Behörde zu entnehmen ist, so hat sich diese mit der Frage der Wirtschaftlichkeit doch in einem ausreichenden, die bei Erlassung einer Trassenverordnung nach §4 Abs1 BStG 1971 idF BGBl I 95/2004 gebotene Bedachtnahme auf die Wirtschaftlichkeit sicherstellenden Maß auseinandergesetzt (vgl VfGH 28.09.09, B1779/07). Planungsermessen gestützt auf hinreichende Sachverhaltserhebungen, Gesamtkostenprognose, Vergleiche verschiedener Trassenvarianten; kein unsachlicher Gebrauch bzw Überschreitung des Planungsermessens. Detaillierte Darstellung des Abwägungsvorgangs nicht erforderlich.

Keine Verletzung im Eigentumsrecht bzw im Recht auf Erwerbsfreiheit.

Keine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren.

Die Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit eines Straßenbauvorhabens hat nicht in einem über Antrag der Straßenverwaltung eingeleiteten Straßenbaubewilligungsverfahren zu fallen. Wie etwa im Bundesstraßenrecht kann auf ein solches Verfahren zugunsten eines ausschließlich amtswegig durch Verordnung bestimmten Straßenverlaufs in verfassungsrechtlich zulässiger Weise verzichtet werden (VfSlg 11645/1988, 12949/1991). Rechte der durch die Trassenverordnung Betroffenen durch §4 Abs5 BStG 1971 (Äußerungsrecht bereits vor Verordnungserlassung) und durch Antragslegitimation gem Art139 Abs1 B-VG (bei noch nicht erfolgter Einleitung eines Enteignungsverfahrens) gewahrt.

Keine Anwendbarkeit des AVG bei Erlassung einer Trassenverordnung nach vorangehender Umweltverträglichkeitsprüfung, keine Einräumung einer Parteistellung.

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