JudikaturVfGH

G284/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. September 2010

Abweisung der Anträge des VwGH auf Aufhebung des §2 Abs4 Z12 und des Klammerausdrucks "(§2 Abs4 Z12)" in §87 FremdenpolizeiG 2005.

Untrennbarer Zusammenhang zwischen der in §2 Abs4 Z12 normierten Legaldefinition des Begriffes "Familienangehöriger" sowie des Verweises auf diese Legaldefinition in §87 leg cit (vgl B v 23.09.09, G125/08 ua).

§86 FremdenpolizeiG regelt in Umsetzung von Art27 und Art28 der Unionsbürger-RL die Voraussetzungen für die Erlassung von Aufenthaltsverboten gegen EWR-Bürger und Schweizer Bürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, sowie begünstigte Drittstaatsangehörige (vgl §2 Abs4 Z11 FremdenpolizeiG - auch Angehörige von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres).

Auf Grund des Verweises in §87 auf §2 Abs4 Z12 FremdenpolizeiG fallen drittstaatszugehörige Angehörige von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, nur bis zum Erreichen der Volljährigkeit unter die Privilegierung des §86 FremdenpolizeiG.

Unionsrechtskonforme Interpretation des §86 FremdenpolizeiG vor dem Hintergrund der Judikatur des EuGH (Urteil vom 25.07.08, C-127/08, Metock, Beschluss vom 19.12.08, C-551/07, Sahin, Urteil vom 19.10.04, C-2002/02, Zhu und Chen). Privilegierung des §86 leg cit auch für drittstaatszugehörige Angehörige von Österreichern, sofern die österreichische Ankerperson von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, indem sie eines ihrer Rechte gemäß Art21 und Art45 ff AEUV im EWR-Raum außerhalb Österreichs ausübt oder ausgeübt hat.

Ausschlaggebendes Kriterium für die Anwendbarkeit der Sonderregelung des §86 FremdenpolizeiG ist nicht die Staatsangehörigkeit der Ankerperson (das ist jene Person, von der sich das Aufenthaltsrecht des Angehörigen ableitet), sondern die Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhaltes.

Weiterer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach seinen eigenen Vorstellungen von einem geordneten Fremdenwesen, sofern eine solche Regelung eine sachliche Rechtfertigung findet (vgl G244/09 ua, E v 16.12.09). Somit steht es dem Gesetzgeber auch frei, in Fällen, die keinen Bezug zum Unionsrecht aufweisen, eine andere Altersgrenze für die Angehörigeneigenschaft zu ziehen als im unionsrechtlich determinierten Bereich.

Es ist unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes der österreichischen Bundesverfassung nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber auch im Bereich des Fremdenrechts die Erreichung der Volljährigkeit als Altersgrenze für den Begriff des Familienangehörigen festlegt. Allein die Tatsache, dass das Unionsrecht aus historischen Gründen eine Altersgrenze von 21 Jahren vorsieht, macht das Anknüpfen an das Erreichen der Volljährigkeit als Altersgrenze im Rahmen des nicht unionsrechtlich determinierten §87 FremdenpolizeiG nicht unsachlich.

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