JudikaturVfGH

G166/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
23. September 2010

Zulässigkeit der Anträge der Vorarlberger, der Oberösterreichischen und der Salzburger Landesregierung auf Aufhebung des §643 Abs2 ASVG idF BudgetbegleitG 2009.

Anträge nach Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG sind schon dann zulässig, sobald ein Bundesgesetz rechtswirksam erlassen wurde, auch wenn es noch nicht in Wirksamkeit getreten ist.

Zurückweisung des Antrags der Sbg Landesregierung auf Aufhebung des §643 Abs1 ASVG mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen.

Aufhebung des §643 Abs2 ASVG idF BudgetbegleitG 2009, BGBl I 52, betr die Aufteilung der Mittel der Rücklagen aus dem Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen, mit 33 Mio Euro zu Gunsten der Wiener Gebietskrankenkasse.

Das ASVG hat vom Prinzip der unabhängigen Gebarung der Gebietskrankenkassen zwar in Form des Ausgleichsfonds eine Ausnahme vorgesehen, hiebei aber - vor dem Hintergrund des in dieser Frage zu erwartenden Interessenkonfliktes - den Inhalt und die Grenzen des Ausgleichsmechanismus exakt umschrieben und abgesteckt.

Belastungen aus der Krankenanstaltenfinanzierung sind zwar in §447b Abs1 Z4 ASVG als Element eines Strukturnachteils anerkannt. Diesem Element ist aber durch den Mechanismus des Ausgleichsfonds und nach Maßgabe der dort getroffenen bzw vereinbarten Regelungen Rechnung zu tragen. Diese ließen eine Sonderfinanzierung der hier in Rede stehenden Art unzweifelhaft nicht zu. Auch unter dem Titel "Ausgleich unterschiedlicher Liquidität" hätte die Zuwendung nicht geleistet werden können.

Die getroffene (angefochtene) Maßnahme bewegt sich außerhalb des in §447a ff ASVG geregelten Ausgleichssystems und bedarf daher einer eigenen sachlichen Rechtfertigung, welche im Verfahren nicht aufgezeigt werden konnte:

Keine besonderen Strukturnachteile der Wiener Gebietskrankenkasse. Der Anlass für die strittige Verteilungsregel waren gar nicht bestimmte Strukturnachteile, sondern ein Liquiditätsproblem der Wiener Gebietskrankenkasse zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt, das - wie ebenfalls das Verfahren ergeben hat - jedenfalls auch anders als durch die Zuweisung von Mitteln aus der gebundenen Rücklage hätte behoben werden können. Der absehbar bloß vorübergehende Geldbedarf einer Gebietskrankenkasse in einer bestimmten historischen Situation ist aber kein sachlicher Grund, der es rechtfertigen könnte, von dem durch den Ausgleichsfonds geschaffenen Ordnungssystem abzugehen.

Rückverweise