U3078/09 ua - U3068/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Dem rechtlichen Verlangen der einen Seite - sei es die Behörde, sei es eine Partei oder eine andere Person, auf die sich die Verwaltungstätigkeit bezieht - korrespondiert eine rechtliche Pflicht zum Tätigwerden der anderen Seite.
Verlangen auf Beigabe eines Flüchtlingsberaters im Asylverfahren gemäß §66 Abs2 AsylG 2005 an die jeweilige Behörde (und nicht an den Flüchtlingsberater) gerichtet.
Auf Grund der Vorgaben des Art15 der Verfahrensrichtlinie 2005/85/EG (vgl Art15 Abs2 sowie die möglichen Einschränkungen nach Abs3) Verpflichtung zur Einrichtung einer kostenlosen Rechtsberatung bzw -vertretung vor dem AsylGH.
Gebot richtlinienkonformer Interpretation innerstaatlichen Rechts (vgl die zitierte Rechtsprechung des EuGH; seit dem Vertrag von Lissabon aus Art4 Abs3 EUV iVm Art288 AEUV folgend).
Daher Verpflichtung der Behörde, im gegenständlichen Fall des AsylGH, einem Asylwerber auf dessen Antrag einen Flüchtlingsberater zur Vertretung im Verfahren vor dem AsylGH beizugeben bzw über einen solchen Antrag jedenfalls meritorisch abzusprechen.
Schon das Rechtsschutzbedürfnis von Asylwerbern im Asylverfahren spricht dafür, dass über den Antrag auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters mittels gesondert bekämpfbarer verfahrensrechtlicher Entscheidung (und nicht durch Verfahrensanordnung) abzusprechen ist.
Möglichkeit der Bekämpfung erst der endgültigen Sachentscheidung des AsylGH für den Asylwerber und dessen Rechtsschutzinteresse nicht ausreichend. Fehlendes Vorbringen kann nicht ohne weiteres nachgeholt oder ergänzt werden. Sofortige Bekämpfbarkeit der Nichtbeigebung eines Flüchtlingsberaters erforderlich.
Der AsylGH wäre daher im gegenständlichen Fall verpflichtet gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters nicht zurückzuweisen, sondern - im Wege einer verfahrensrechtlichen Entscheidung - in der Sache über die Beigebung eines Flüchtlingsberaters abzusprechen.
Gesamte Entscheidung von der Rechtswidrigkeit erfasst, weil nicht von vornherein auszuschließen ist, dass sich die rechtswidrige Zurückweisung des Antrages auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters auf das Ergebnis des Verfahrens vor dem AsylGH ausgewirkt hat.
U220/10, E v 13.12.10, sowie U474/10 ua, U597/10 und U618/10, alle E v 15.12.10, uva: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe im Erkenntnis zu U3078/09 ua.
Da die Behörde von vornherein eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert hat, ist es unerheblich, ob der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem AsylGH rechtsfreundlich vertreten war.
She auch U3068/09, E v 15.12.10: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit damit der Antrag auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters zurückgewiesen wird; Ablehnung der Beschwerdebehandlung, soweit die Zurückweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe bekämpft wird.
U769/10, E v 15.12.10: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; ausdrückliche Zurückweisung des Antrags auf Beigabe eines Flüchtlingsberaters trotz offensichtlichen Versehens bzw Vergessens des Spruchs; kein Zweifel am Willen über einen normativen Abspruch.
U870/10, E v 15.12.10: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Umfang der Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt I) und der Zurückweisung des Antrags auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters (Spruchpunkt IV); Ablehnung der Beschwerdebehandlung hinsichtlich der Zurückweisung der Anträge auf aufschiebende Wirkung und auf Verfahrenshilfe (Spruchpunkte II und III).
She weiters U429/10, E v 28.02.11, und U827/10, E v 09.03.11, sowie U2576/10 und U2630/10, beide E v 03.05.11.