JudikaturVfGH

U1046/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
09. Oktober 2010

Keine Bedenken gegen §12a Abs2 iVm §41a AsylG 2005 im Hinblick auf Art13 EMRK und das rechtsstaatliche Prinzip.

Keine einseitige Belastung des Berufungswerbers mit den Folgen einer potentiell unrichtigen Entscheidung wie in VfSlg 14374/1995 und 17340/2004; rechtsstaatliches Asylverfahren im Fall von Folgeanträgen bereits durchgeführt (mit rechtskräftiger negativer Entscheidung und damit verbundener Ausweisung beendet), Refoulement-Prüfung bzw Interessenabwägung daher bereits vor Stellung eines Zweitantrages vorgenommen; Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes daher nur bei Vorliegen einer aufrechten Ausweisung. Prognoseentscheidung über voraussichtliche Antragszurückweisung erforderlich; Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Darüber hinaus sind vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer Ausweisung erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art2 und Art3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art8 EMRK vorzunehmen.

"Automatische" und rasche Überprüfung der Entscheidung des Bundesasylamtes (BAA) durch den Asylgerichtshof (AsylGH) durch Aktenübermittlung. Der Überprüfung kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der - ab Einlangen des Verwaltungsaktes bei der zuständigen Gerichtsabteilung beginnenden - Frist von drei Arbeitstagen, innerhalb derer mit der Effektuierung der Ausweisung zuzuwarten ist, in einem erforderlichen Maß sichergestellt, dass der AsylGH in der Lage ist, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des BAA zu beheben, bevor es zu einer Abschiebung kommt.

Unbedenklichkeit auch der von der dreitägigen Zuwartefrist abweichenden achtwöchigen Entscheidungsfrist des AsylGH gemäß §41a Abs3 leg cit aufgrund des Inhalts und des Zweckes der Regelung, nämlich die möglichst rasche Erledigung von aussichtslosen Folgeanträgen.

Die gegenüber dem Allgemeinen Verwaltungsverfahren abweichenden Vorschriften des §22 Abs10 Satz 2 AsylG 2005 (betr die Qualifikation der Beurkundung gem §62 Abs2 AVG als schriftliche Ausfertigung des Bescheides des BAA über die Aufhebung des Abschiebeschutzes) und des §29 Abs4 AsylG 2005 sind "erforderlich" iSd Art11 Abs2 B-VG.

Die Anrufbarkeit des VfGH mittels Beschwerde gemäß Art144a B-VG gegen die Entscheidung des AsylGH stellt ein wirksames Rechtsmittel iSv Art13 EMRK dar.

Keine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf eine wirksame Beschwerde, im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.

Ausreichende Auseinandersetzung mit der Frage der Gefährdung des Beschwerdeführers (nigerianischer Staatsangehöriger) und Darstellung der vorgebrachten Integrationsaspekte sowie Einbeziehung in die Interessenabwägung. Vertretbare Annahme des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel über das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet (hier: Begründung einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin und Beginn eines Musikstudiums nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und nach Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den VwGH).

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