JudikaturVfGH

G85/11 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
13. Dezember 2011

Zulässigkeit des amtswegigen Prüfungsverfahrens.

Aufhebung bloß der Ziffer "5" im zweiten Halbsatz der Anmerkung 6 der TP15 GGG unzulässig; dadurch bewirkte Betragsänderung entspräche nicht mehr dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen.

§52 Abs1 StPO nicht präjudiziell (Anlassverfahren zu B1456/10 keine Strafsache; zu B1060/10: der Vertreter der Partei hat selbst Ablichtungen mit eigenem Gerät angefertigt).

In Prüfung gezogene Erlässe als Rechtsverordnungen zu qualifizieren: rechtsgestaltende Außenwirkung; Erlässe regeln im Detail die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen und werden gegenüber den Verfahrensparteien als Rechtsquelle angeführt.

Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Anmerkung 6 zu Tarifpost 15 GerichtsgebührenG - GGG idF BGBl I 52/2009 sowie idF ArtI Z17 litb der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Neufestsetzung von Gerichtsgebühren und Bemessungsgrundlagen, BGBl II 188/2009 (Gebührenanpassungs-V).

Aufhebung des §29a GGG idF BGBl I 100/2008.

Feststellung der Gesetzwidrigkeit des ArtI Z17 litb der Gebührenanpassungs-V, BGBl II 188/2009.

Aufhebung des §2 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Höhe der Gebühren für die Herstellung von Kopien durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei im Rahmen der Akteneinsicht, BGBl II 390/2007 (Gebühren-V StA/Kripo).

Gleichheitswidrigkeit der Bestimmungen.

Verursachung von Personalkosten im Zusammenhang mit der Herstellung von Kopien mit eigenen technischen Mitteln auch bei bloßer - gebührenfreier - Akteneinsicht. Vorschreibung von Gebühren in gleicher Höhe unabhängig von der Inanspruchnahme der Gerichtsinfrastruktur auch durch den "Mehrwert" einer Kopie für die Partei im Vergleich zur bloßen Akteneinsicht nicht gerechtfertigt. Gefahr der Weitergabe von Aktenkopien in keinerlei sachlichem Zusammenhang zur Gebührenhöhe. Verfahrenshilfe nur in Fällen sehr geringer Einkommenshöhe und Vermögenslosigkeit möglich.

Eine sachlich nicht gerechtfertigte Gebühr wird nicht dadurch verfassungskonform, dass sie im Falle des Obsiegens von der gegnerischen Partei zu tragen ist.

Überhaupt ist die Erhebung einer Gebühr für das Anfertigen von Ablichtungen durch die Partei selbst - ohne Nutzung von Gerichtsinfrastruktur und unter Heranziehung eigener, von der Partei selbst mitgebrachter Geräte (wie Scanner oder Digitalkameras) - mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, da dies bloß eine im Rahmen der Akteneinsicht vorgenommene, zeitgemäße Form der Abschriftnahme darstellt.

Auch Bedenken gegen §29a GGG (betr die Anwendbarkeit der Anm 6 zu TP15 GGG auch auf Strafverfahren) gerechtfertigt.

Über bloße Ausnahmeregelungen hinaus (vgl §52 und §213 StPO, kostenlose Kopie von Aktenstücken für in Haft befindliche Beschuldigte bis zur ersten Haftverhandlung, Befunde, Sachverständigengutachten) zahlreiche Aktenbestandteile bzw Verfahrensstadien von entscheidender Bedeutung für die Verteidigung des Beschuldigten vorhanden, bei denen die in Prüfung gezogene Kopiergebühr voll zum Tragen kommt.

Aufhebung von Bestimmungen der Erlässe der Bundesministerin für Justiz vom 17.07.09, Zl BMJ-L390.002/0003-II 3/2009, betr Änderung des Gerichtsgebührengesetzes, und vom 26.07.10, Zl BMJ-B18.000/0006-I 7/2010, über einzelne Aspekte zur Bestimmung der Rechtsmittelgebühren nach Tarifpost 12a GGG in Exekutionsverfahren sowie der Gebühren für Aktenabschriften, -ablichtungen und sonstige Kopien nach Tarifpost 15 Anmerkung 6 GGG, wegen Unterbleibens einer ordnungsgemäßen Kundmachung.

Anlassfälle B1060/10 und B1456/10, beide E v 13.12.11, Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Quasi-Anlassfälle B963/11 und B1241/11, beide E v 27.02.12.

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