G126/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
§55 Abs1 litg und die Wortfolgen ", im Fall der Parteistellung (§102 Abs1 lith) beizuziehen" sowie "in allen behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz sowie" in §55 Abs4 sowie §102 Abs1 lith WRG 1959 idF BGBl I 87/2005 waren verfassungswidrig.
Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber im WRG hinsichtlich der Parteistellung des Landeshauptmannes als wasserwirtschaftliches Planungsorgan zugelassenen Konstellation, bei der in ein und demselben Verfahren ein und dasselbe Organ gleichzeitig sowohl in der Rolle einer Formalpartei als auch in jener der entscheidenden Behörde tätig werden und im Ergebnis gegen den selbst erlassenen Bescheid auch Rechtsmittel erheben kann; Landeshauptmann in seinem eigenen Wirkungsbereich als erkennende Behörde zugleich Stellung als Amtspartei; unvereinbare Rollen unterschiedlicher Typizität in einem Verwaltungsverfahren; unverzichtbare Verschiedenheit von Behörde und Partei.
Die Bestimmungen des Siebenten Hauptstücks des B-VG (betr den Rechtsschutz durch unabhängige Tribunale und Gerichte) entfalten ebenso wie das Rechtsstaatsgebot auch Wirkungen und Grenzen für die Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Verfahrensbestimmungen. Durchführung eines Verwaltungsverfahrens vorausgesetzt, dem von den anzuwendenden Verfahrensvorschriften eine rechtliche Struktur verliehen wird, die mit dem Rechtsschutzsystem des Siebenten Hauptstücks des B-VG kompatibel ist.
Ermächtigung und Verpflichtung besonderer Organe als Amtspartei zur Wahrung öffentlicher Interessen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; jedoch unauflöslicher Rollenkonflikt zwischen dem Gebot der einem Organ gesetzlich aufgetragenen Beachtung spezifischer öffentlicher Teilinteressen und dem Gebot einer ausschließlich am Gesetz orientierten, gegebenenfalls zwischen privaten Interessen und dem Gemeinwohl abwägenden Entscheidungsfindung; beide Aufgaben gleichzeitig nicht erfüllbar.
Es ist dem Gesetzgeber ungeachtet seines in staatsorganisatorischen Fragen besonders weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums daher von Verfassung wegen verwehrt, auf dem Gebiet der Aufgabenverteilung auf Behörden und Organe eine Regelung staatsorganisatorischen Inhalts zu treffen, die in einer in sich nicht kohärenten Weise dadurch das gewählte Organisationskonzept wechselt, indem sie das Modell der Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die erkennende Behörde mit jenem der Einschaltung einer Amtspartei zur Wahrung der öffentlichen Interessen in der Weise vermischt, dass ein und dasselbe Organ in bestimmten Verfahren zugleich als Amtspartei und als erkennende Behörde tätig wird.
Anlassfall B51/10 vom selben Tag, Aufhebung des angefochtenen Bescheides.