JudikaturVfGH

B584/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
12. Oktober 2012

Das PRIKRAF-Gesetz (bzw §149 Abs3 ASVG) knüpft lediglich daran an, dass bestimmte private Krankenanstalten am 31.12.00 vertraglich in die verpflichtende Versorgung der sozialversicherten Personen mit der erforderlichen Anzahl von Spitalsbetten einbezogen waren. Dabei handelt es sich um alle privaten, nicht landesfondsfinanzierten Krankenanstalten mit Ausnahme der in Anlage 1 dieses Vertrages genannten. §149 Abs3 ASVG lässt den Abschluss von Zusatzverträgen mit weiteren Krankenanstalten zu; jedoch haben Krankenanstalten keinen Rechtsanspruch auf einen solchen Vertrag. Wie der Hauptverband im Verfahren dazu unwidersprochen ausgeführt hat, besteht derzeit infolge der überdurchschnittlichen Dichte an Akutbetten in Österreich kein Bedarf nach einer weiteren Akutkrankenanstalt. Für die Geltendmachung von Ansprüchen eines Trägers einer Privatkrankenanstalt auf Abschluss eines Vertrages iSd §149 Abs1 ASVG bzw eines Zusatzvertrages gemäß §149 Abs3 ASVG, etwa aus dem Titel des Kontrahierungszwanges, wären im Übrigen die Zivilgerichte und nicht die belangte Schiedskommission zuständig.

Das im PRIKRAF-Gesetz normierte System ist sachlich gerechtfertigt. Es hat die Funktion, auch den privatwirtschaftlich organisierten Teil der Versorgung mit Anstaltspflege im Rahmen der Sachleistungsversorgung sozialversicherter Personen mit Anstaltspflege heranzuziehen, jedoch zu diesem Zweck in bestimmter, vor allem im Vorhinein kalkulierbarer Weise finanziell steuern zu können, wie auch §149 Abs3 erster Satz ASVG zeigt. Denn private Krankenanstalten sind im Gegensatz zu öffentlichen Krankenanstalten auf Gewinn ausgerichtet, nicht an amtlich festgelegte Gebühren gebunden und weder der dauernden Betriebspflicht nach §35 Abs1 KAKuG noch den Beschränkungen der Krankenhausplanung unterworfen.

Wie sich aus §5 PRIKRAF-Gesetz ergibt, erfolgen Direktverrechnungen der Pflegekostenzuschüsse mit privaten Krankenanstalten aber nicht schon aufgrund der Zugehörigkeit zu Anlage 1 des PRIKRAF-Gesetzes, sondern - weiterhin - nur nach Maßgabe bestehender Einzelverträge mit dem zuständigen Krankenversicherungsträger. Außerhalb solcher Verträge erfolgen die Verrechnungen der Pflegekostenzuschüsse - nicht anders als bei privaten Krankenanstalten außerhalb des PRIKRAF - mit den Versicherten gegen Vorlage der saldierten Rechnung.

Im letztgenannten Zusammenhang ordnet §150 Abs2 zweiter Satz ASVG schließlich an, dass für Versicherte, die in eine Krankenanstalt eingewiesen werden, die - wie jene der beschwerdeführenden Partei - vom System des PRIKRAF nicht erfasst ist, in der Satzung des Versicherungsträgers ein Pflegekostenzuschuss in dem Ausmaß festzusetzen ist, das dem Durchschnitt der vom PRIKRAF pro Verpflegstag aufzuwendenden Mittel entspricht. Insoweit kommt daher dem Träger einer privaten Krankenanstalt das gleichzeitig mit dem PRIKRAF eingerichtete "Wahlkrankenanstaltensystem" zugute. Die in der Beschwerde behauptete wirtschaftliche Benachteiligung der nicht vom PRIKRAF erfassten privaten Krankenanstalten ist dem Gesetz daher nicht zu entnehmen.

Die in der Beschwerde behauptete tatsächliche Ungleichbehandlung der PRIKRAF-Krankenanstalten gegenüber den nicht dem PRIKRAF angehörigen Krankenanstalten in Bezug auf die pro Tag geleisteten Entgelte liegt aber auch faktisch nicht vor: Wie die vom VfGH eingeholte Stellungnahme des PRIKRAF (und die mit dieser Stellungnahme übereinstimmende Äußerung der Wirtschaftskammer Österreich) ergeben hat, hat der durchschnittliche Kostenzuschuss für die PRIKRAF-Krankenanstalten pro Tag im Jahr 2010 bei

419,48 LKF-Punkten pro Tag € 184,99 und der gemäß §150 Abs2 ASVG an Versicherte, die in Krankenanstalten außerhalb des PRIKRAF untergebracht waren, zu leistende Kostenzuschuss pro Tag € 174,86 betragen, wobei die Differenzen je nach Diagnosegruppe und darauf bezogener Verweildauer schwanken, sodass die stets in gleicher Höhe geleisteten Kostenzuschüsse nach §150 Abs2 ASVG zum Teil sogar jene für die PRIKRAF-Krankenanstalten übersteigen.

Es kann also zwar - je nach verrechneter Diagnosegruppe - bei Aufenthalten in vertragslosen Krankenanstalten, die der Finanzierung nach dem PRIKRAF unterliegen, im Verhältnis zu privaten Krankenanstalten, die nicht dem PRIKRAF unterliegen, und für die daher der Durchschnittswert des §150 Abs2 letzter Satz ASVG gilt, im Einzelfall zu höheren, aber auch zu niedrigeren Kostenzuschüssen kommen; dieser Unterschied wirkt sich wirtschaftlich aber in der Regel nur bei den Versicherten (bzw bei deren privaten Krankenversicherungen) aus, nicht aber im davon nicht betroffenen Honoraranspruch der privaten Krankenanstalt. Die unterschiedlichen Kostenzuschüsse mögen daher gewisse Wettbewerbsvor- oder -nachteile für Privatkrankenanstalten je nach ihrer - freilich selbst gewählten - medizinischen Ausrichtung mit sich bringen, die jedoch hinzunehmen sind, da die vorliegendenfalls in Rede stehende öffentliche Aufgabe darin besteht, die Versorgung der krankenversicherten Bevölkerung mit Anstaltspflege nach sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten sicherzustellen und die Kosten dieser Versorgung im Großen und Ganzen planbar zu halten.

Da das benötigte Bettenangebot auch bestimmte Vorhaltekosten verursacht und - sowohl hinsichtlich der regionalen Verteilung als auch der erforderlichen Einrichtungen, in denen jeweils bestimmte medizinische Leistungen erbracht werden sollen - längerfristige Planungen erfordert, lässt es ein solches System offensichtlich nicht zu, dass mit ständig wechselnden privaten Krankenanstalten jeweils nur entsprechend kurzfristige Verträge geschlossen werden. Es steht aufgrund dieses Erfordernisses eines regional und fachlich ausgewogenen Angebotes qualitativ hochwertiger Krankenhausversorgung daher auch nicht mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch, wenn privaten, gewinnorientierten Krankenanstalten - im Gegensatz zu öffentlichen, gemeinnützigen Krankenanstalten - kein Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, mit dem die Einbeziehung in das System der Versorgung der sozialversicherten Bevölkerung mit Anstaltspflege im Rahmen des PRIKRAF erzwungen werden kann. Solange ein entsprechender Mehrbedarf an Akutbetten aus der Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht besteht, sind solche Krankenanstalten jedoch nicht zur Gänze von der Teilnahme an der Versorgung der krankenversicherten Bevölkerung ausgeschlossen, da sie als potentielle "Wahlkrankenanstalten" auch von Versicherten jederzeit in Anspruch genommen werden können. Gegen das solcherart seit 01.01.02 bestehende System der krankenanstaltenrechtlichen Versorgung sozialversicherter Personen bestehen daher unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken.

Die in der Beschwerde angegriffenen Normen verstoßen daher nicht gegen den Gleichheitssatz.

Eine Verletzung des Grundrechtes auf Erwerbsausübung setzt voraus, dass durch verwaltungsbehördlichen Bescheid der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt oder die Ausübung eines Erwerbes in unverhältnismäßiger Weise beschränkt wird (mit Judikaturhinweisen). Eine solche Verletzung liegt hier nach dem zuvor Gesagten aber nicht vor.

Schließlich vermag der VfGH angesichts dessen, dass der beschwerdeführenden Partei aufgrund des positiven Ergebnisses einer von der Behörde durchgeführten Bedarfsprüfung mit Bescheid vom 17.03.10 antragsgemäß eine krankenanstaltenrechtliche Bewilligung erteilt worden ist, weder die Behauptung in der Beschwerde nachzuvollziehen, dass ihre Krankenanstalt ohne die Inanspruchnahme der leistungsorientierten Abgeltung aus PRIKRAF-Mitteln nicht wirtschaftlich betrieben werden kann, noch zu erkennen, aus welchem Grund sie durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Niederlassungsfreiheit nach Art49 AEUV verletzt sein sollte. Daher geht auch die Beschwerdebehauptung ins Leere, dass die beschwerdeführende Partei durch die belangte Behörde zufolge Unterlassung der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt sei.

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