JudikaturVfGH

U695/12 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
26. November 2012

Der Asylgerichtshof stellt in der angefochtenen Entscheidung zunächst fest, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal aus einem Drittstaat kommend in das österreichische Bundesgebiet gelangt sei. Im Rahmen der Beweiswürdigung führt er aus, dass sich die Feststellungen zur Reiseroute aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ergeben würden und hält zumindest den letzten Teil der vom Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angegebenen Reiseroute von Ungarn nach Österreich für plausibel. Seiner rechtlichen Beurteilung legt der Asylgerichtshof den festgestellten Sachverhalt zugrunde, "wonach der Beschwerdeführer aus einem Drittstaat kommend illegal nach Ungarn eingereist ist und sich danach weiter nach Österreich begeben hat [...]".

Die Entscheidung des Asylgerichtshofes ist damit jedoch in sich widersprüchlich, weil seine Feststellung, dass der Beschwerdeführer aus einem Drittstaat kommend nach Österreich gelangt sei, weder mit der Beschreibung der Reiseroute des Einschreiters im Rahmen der für plausibel erachteten Erstbefragung noch mit dem der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegten Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Zudem ist er bei der zitierten Feststellung vom Akteninhalt leichtfertig abgegangen und hat dabei den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen.

Im Rahmen der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer ua angegeben, dass er sich "etwa ein Jahr" in Griechenland aufgehalten habe, bevor er über Mazedonien, Serbien und Ungarn weiter nach Österreich gereist sei.

Der Asylgerichtshof hat insofern jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen, als er keine Feststellung darüber getroffen hat, ob der Beschwerdeführer sich länger oder kürzer als ein Jahr in Griechenland aufgehalten hat. Dies wäre für die Beurteilung der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art10 Abs1 Dublin II-VO aber entscheidend gewesen, da nach dem letzten Satz der zitierten Bestimmung diese Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts endet.

Dies dürfte dem Asylgerichtshof auch bewusst gewesen sein, weil er - nachdem er die Zuständigkeit Ungarns bejaht hat - "[d]er Vollständigkeit halber" Anmerkungen zum Beschwerdevorbringen macht, wonach durch den Ersteintritt des Beschwerdeführers in die Europäische Union über Griechenland (ohne erfolgte Asylantragstellung) dieser Staat zuständig sei, wobei der Asylgerichtshof in einer Parenthese betont, dass gerade dieser Fall nicht festgestellt worden sei. Außerdem hält der Asylgerichtshof eine konkrete Feststellung darüber, ob der Beschwerdeführer vor seiner (letzten) Wiedereinreise in den Bereich der Mitgliedstaaten je in Griechenland eingereist sei oder nicht, vor dem Hintergrund der genannten Anmerkungen und der Ausführungen danach, dass aus einer (nicht untergegangenen) Zuständigkeit Griechenlands für den Beschwerdeführer nichts gewonnen wäre, weil sich wieder die Zuständigkeit Ungarns ergebe, für entbehrlich.

Sowohl hinsichtlich der Anmerkungen des Asylgerichtshofes zum "Reißen der Anknüpfungskette" als auch hinsichtlich seiner Ausführungen zur Zuständigkeit Ungarns trotz nicht untergegangener Zuständigkeit Griechenlands wird auf das E v 27.06.12, U330/12, verwiesen.

Der Asylgerichtshof begründet die Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Asylantrages damit, dass dieser Mitgliedstaat auf der Grundlage des Art10 Abs1 Dublin II-VO seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Übernahme des Beschwerdeführers bereit erklärt habe.

Damit verkennt der Asylgerichtshof die Rechtslage gröblich, weil er sich für eine Entscheidung nach §5 Abs1 AsylG 2005 nicht allein auf die Zustimmung eines Mitgliedstaates zur Übernahme eines Asylwerbers berufen darf.

Aufhebung des Spruchpunkts II. der angefochtenen Entscheidung. Im Übrigen Zurückweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG ist nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, das heißt, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt. Dies gilt mutatis mutandis auch für die Beschwerdelegitimation nach Art144a Abs1 B-VG.

Mit Spruchpunkt I. der angefochtenen Entscheidung hat der Asylgerichtshof der Beschwerde des Einschreiters gegen den seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes gemäß §71 Abs1 AVG stattgegeben. Der Beschwerdeführer ist somit durch diesen Teil der angefochtenen Entscheidung nicht beschwert, weshalb die Beschwerde insoweit mangels Legitimation zurückzuweisen ist.

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