JudikaturVfGH

B990/12 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
03. Dezember 2012

Die von der Bürgerinitiative "NEIN zur Grünen Zone" durch ihren Zustellungsbevollmächtigten erhobene Beschwerde betrifft einen Bescheid, mit dem letztendlich ein Begehren auf Durchführung einer Volksbefragung abgewiesen wurde; ein solcher Bescheid kann allein mit Beschwerde gemäß Art144 B-VG bekämpft werden.

Das demokratische Grundprinzip ist grundsätzlich in Form einer repräsentativen Demokratie ausgestaltet, die durch direkt-demokratische Instrumente lediglich ergänzt wird. Bei dem durch §16b iVm §63 ff Nö GdO 1973 eingeräumten Recht, die Durchführung einer Volksbefragung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu verlangen, handelt es sich um eine Konkretisierung der in Art117 Abs8 B-VG verankerten Möglichkeit des Landesgesetzgebers, in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorzusehen, wodurch jede Rechtsverletzung unmittelbar auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Durchführung einer Volksbefragung auf Gemeindeebene verletzt. Die konkrete Ausgestaltung der Teilnahme und Mitwirkung bleibt dem Landesgesetzgeber überlassen. Der VfGH kann daher nicht erkennen, dass die Nichtzulassung eines Initiativantrages, der ganz oder überwiegend auf Abgaben Einfluss hat (vgl §16 Abs2, §16a Abs1 zweiter Satz Nö GdO 1973), dem demokratischen Grundprinzip widerspricht.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der vorliegende Initiativantrag auf die Durchführung einer Volksbefragung zur Frage: "Sollen Grüne Zonen in Mödling errichtet werden?" eine Angelegenheit betrifft, die überwiegend auf Abgaben Einfluss hat.

Die Behörde geht zu Recht davon aus, dass mit dem Begriff "Grünen Zone" im Initiativantrag solche "Zonen" gemeint sind, in denen die Gemeinde zur Erhebung einer Parkabgabe für das Abstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge in Kurzparkzonen auf bestimmten Verkehrsflächen durch Verordnung des Gemeinderates gemäß §1 Abs2 Nö KraftfahrzeugabstellabgabeG (Nö KfAAG) ermächtigt wird. Gemäß §2 Abs2 leg cit sind nämlich solche "Zonen" durch weiße Tafeln mit der grünen Aufschrift "Gebührenpflichtige Parkplätze" und "Gebührenpflichtige Parkplätze - Ende" zu kennzeichnen. Demgegenüber sind Kurzparkzonen gemäß §25 StVO 1960 durch die Anbringung von Tafeln gemäß §52 Z13d und Z13e StVO 1960 zu kennzeichnen, wobei das den Beginn einer Kurzparkzone anzeigende Verkehrszeichen (§52 Z13d leg cit) einen blauen Kreis mit rotem Rand und rotem Durchstrich auf weißem Grund zeigt; zusätzlich können Kurzparkzonen gemäß §25 Abs2 StVO 1960 durch blaue (Boden )Markierungen gekennzeichnet werden. Die Einhebung einer Gebühr in solchen Kurzparkzonen bedarf eines zusätzlichen Rechtsaktes und einer ausdrücklichen Kennzeichnung. Die Bezeichnung "Grüne Zonen" im Initiativantrag lässt sich daher mit der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die Initiative habe "(nur) die Verhinderung der Einführung bestimmter straßenverkehrsrechtlicher Kurzparkzonen zum Ziel", nicht in Einklang bringen, weil Kurzparkzonen gemäß §25 StVO 1960, wenn sie farblich kenntlich gemacht werden, mit blauer Farbe gekennzeichnet sind. Auch lässt sich die Festlegung einer sogenannten "Grünen Zone" - also eines Gebietes, das durch Hinweiszeichen gemäß §2 Abs2 Nö KfAAG zu kennzeichnen ist - nicht von der Abgabepflicht trennen, weil schon der Wortlaut dieser Bestimmung eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Festlegung der "Grünen Zone" die Abgabepflicht zwingend zur Folge hat, ohne dass es einer zusätzlichen Anordnung bedarf.

Da der Initiativantrag darauf gerichtet ist, die Erlassung einer solchen die Einhebung einer Parkabgabe gestattenden Verordnung zu verhindern, deren Erlassung zwingend zur Einhebung einer Abgabe führt, handelt es sich um einen Initiativantrag, der "ganz oder überwiegend" auf Abgaben Einfluss hat (§16 Abs2 dritter Satz Nö GdO 1973) und somit nicht Gegenstand einer Volksbefragung nach §16b Abs1 iVm §63 ff Nö GdO 1973 sein kann. Der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung wurde daher zu Recht abgewiesen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Prüfung dahingehend, ob auch weitere Abweisungsgründe vorlagen.

Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit.

Beim Initiativantrag auf Durchführung einer Volksbefragung handelt es sich um ein politisches Partizipationsrecht; die Mitwirkung an der Willensbildung der Gemeinde ist durch die politischen (Grund )Rechte gewährleistet und insoweit von der Ausübung der Freiheitsrechte wie Art10 EMRK abzugrenzen. Die vorgesehenen Beschränkungen des Initiativrechtes zielen nicht auf eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit ab. Im Übrigen stellt die Beschränkung des Rechts, die Durchführung einer Volksbefragung zu verlangen, auf bestimmte, gesetzlich vorgesehene Angelegenheiten auch keinen Eingriff in das durch Art10 EMRK verankerte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung dar, weil die durch diese Bestimmung garantierte Freiheit zur Mitteilung von (politischen) Meinungen jedenfalls nicht in einer grundrechtlich relevanten Art und Weise berührt wird.

Dem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war keine Folge zu geben, weil es sich bei den von §16b iVm §63 ff Nö GdO 1973 eingeräumten Rechten lediglich um eine Konkretisierung des Art117 Abs8 B-VG handelt und somit jede Rechtsverletzung unmittelbar auch Art117 Abs8 B-VG verletzt, sodass für eine Zuständigkeit des VwGH gemäß Art133 Z1 B-VG kein Raum mehr bleibt.

Rückverweise