B1337/11 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Keine Bedenken gegen die Vorschriften des §14 GlücksspielG (GSpG).
Kein Verstoß des in §14 GSpG geregelten Konzessionssystems gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.
Die Ziele der Beschränkung von Glücksspielkonzessionen, nämlich Straftaten zu verhindern, eine übermäßige Anregung zur Teilnahme am Glücksspiel durch unreglementierte Konkurrenz zu vermeiden und zu verhindern, dass Glücksspiel ausschließlich zu gewerblichen Gewinnzwecken veranstaltet wird, liegen angesichts der nachgewiesenen Sozialschädlichkeit des Glücksspiels im öffentlichen Interesse, und zwar auch dann, wenn für ein bestimmtes Glücksspiel ein Suchtverhalten nicht in gleicher Weise nachgewiesen werden kann wie etwa für das Glücksspiel in Spielbanken.
Sowohl die Beschränkung der Anzahl der Konzessionen für Lotterien als auch die Mindestkapitalvorschrift des §14 Abs2 Z3 GSpG sind geeignet, diese Ziele zu erreichen. Es liegt auf der Hand, dass bei einer Beschränkung der Zahl der Konzessionen die Aufsicht wirksamer ist und dass die strenge Mindestkapitalvorschrift Konzessionswerber vom Markt abhält, die gegebenenfalls mit Hilfe illegaler Geschäfte die finanziellen Voraussetzungen für die Veranstaltung von Glücksspiel schaffen wollen.
Die Beschränkungen sind aber auch adäquat und sonst sachlich zu rechtfertigen. Berücksichtigt man, dass hier im Einzelfall sehr hohe Summen ausgespielt werden und angesichts dieser Summen auch die Gefahr der Begehung von Straftaten besonders hoch ist, kann dem Gesetzgeber nicht entgegentreten werden, wenn er nicht nur eine strenge Kapitalvorschrift erlässt, sondern auch die Zahl der Konzessionen beschränkt. Dabei liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, wenn der Gesetzgeber herkömmliche und elektronische Lotterien insoweit gleichbehandelt. Auch ist es nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die besonderen Gefahren, die vom Glücksspiel ausgehen können - anders als im Gewerberecht - am Erfordernis einer Niederlassung im Inland festhält.
Gegen die zahlenmäßige Beschränkung der Konzession sowie das Erfordernis eines Mindestkapitals bestehen auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz keine Bedenken. Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber aus den oben genannten Gründen nur eine Konzession für Ausspielungen nach den §6 bis §12b GSpG vergibt. Dabei überschreitet der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er elektronische und "herkömmliche" Lotterien gleich behandelt.
Es ist auch nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber das Erfordernis eines (eingezahlten) Stamm- oder Grundkapitals in der Höhe von mindestens € 109 Millionen aufstellt, wobei der Gesetzgeber auch Nachweise verlangen darf, dass die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen. Es nicht unsachlich, das Vorliegen dieses Erfordernisses auch bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung zu verlangen. Zwar könnte es bei einer längeren Verfahrensdauer dadurch zu Härten für neue Konzessionswerber kommen, dass sie gleichsam "auf Vorrat" den Haftungsstock bereithalten müssten. Auf der anderen Seite muss die Behörde angesichts des hohen Bedürfnisses an Rechtssicherheit als Voraussetzung für ein effizientes und rasches Verfahren im Interesse aller Konzessionswerber in die Lage versetzt werden, über Anträge zu entscheiden, die grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt, in dem sie gestellt werden, die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Entscheidet sie - wozu sie angesichts des hohen Kapitaleinsatzes sowohl durch §73 Abs1 AVG als auch durch Art6 EMRK verhalten ist - rasch, ist die finanzielle Belastung, die aus der Erfüllung dieses Kriteriums erwächst, begrenzt.
Den Bedenken, §14 Abs2 Z3 GSpG sei zu unbestimmt, kann schon angesichts des Gesetzeswortlautes, wonach eine Konzession nur an einen Konzessionswerber erteilt werden darf, wenn die Kapitalgesellschaft über ein eingezahltes Stamm- und Grundkapital von mindestens € 109 Millionen verfügt, das den Geschäftsleitern unbeschränkt und nachgewiesenermaßen zur Verfügung steht und im Zeitpunkt der Konzessionsbewerbung nicht durch Bilanzverluste geschmälert wurde, nicht gefolgt werden. Die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl I 111/2010 (981 BlgNR 24. GP, 147) zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers, wonach diese Bestimmung sicherstellen soll, dass das verlangte Eigenkapital dem konzessionierten Spielbetrieb (auch noch) bei Konzessionsantritt als Haftungsstock unbelastet zur Verfügung steht, steht dazu nicht in Widerspruch.
Dem Vorbringen (betr eine Unionsrechtswidrigkeit der Regelung), das im Ergebnis die Frage aufwirft, ob von der belangten Behörde innerstaatliche, einfachgesetzliche Normen oder aber - auf Grund des Anwendungsvorranges - unionsrechtliche Normen anzuwenden waren, ist zu entgegnen, dass diesbezüglich spezifische verfassungsrechtliche Erwägungen nicht anzustellen sind. Dass die gesetzlichen Regelungen gegen Garantien der EU-Grundrechte-Charta verstoßen würden, wurde in den Beschwerden nicht vorgebracht. Auch beim VfGH sind insoweit keine Bedenken entstanden.
Bei der von der Bundesministerin für Finanzen auf der Homepage des Bundesministeriums veröffentlichten "Unterlage zur Teilnahme an der öffentlichen Interessentensuche 'Lotteriekonzession'" handelt es sich nicht um eine Rechtsverordnung.
Die Verfahrensunterlage enthält zum Teil Informationen über die Inhalte von anzuwendenden Gesetzen, über mögliches Vorgehen bei der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen und die Durchführung der Auswahlentscheidung. Auch soweit die Verfahrensunterlage imperative Formulierungen enthält, bildet sie jedoch keine Verordnung. Zum einen wird auch insoweit zum Teil nur der Inhalt von Gesetzen wiederholt. Zum anderen aber bilden darüber hinausgehende Inhalte nicht wie Erlässe an nachgeordnete Behörden normative Vorgaben für das Verwaltungshandeln von anderen Organen. Vielmehr wird dadurch in Erfüllung europarechtlicher Vorgaben (EuGH 09.09.10, Rs C-64/08, Engelmann, Rz 49 ff) das Verfahren zur Auswahlentscheidung auf diese Weise transparent gemacht, dass die bescheiderlassende Behörde - bezogen auf ein einzelnes konkretes Verfahren - die von ihr selbst zu setzenden Verfahrensschritte und die damit im Zusammenhang stehenden Verfahrenshandlungen der Parteien als eine Art Sammlung von im Laufe des Verfahrens konkret zu treffenden Verfahrensanordnungen vorweg in einem Dokument zusammenfasst und öffentlich macht.
Angesichts dessen, dass es sich bei der Verfahrensunterlage um keine Rechtsverordnung handelt, geht sowohl das Vorbringen, die Verfahrensunterlage sei im Hinblick auf §14 GSpG gesetzwidrig, als auch das weitere Vorbringen, diese sei mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt II nicht gehörig kundgemacht worden und auch deswegen gesetzwidrig, ins Leere.
Keine in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler bei Erlassung der angefochtenen Bescheide. Keine Willkür.
Die Abweisung des Antrags der zu B1338/11 beschwerdeführenden Gesellschaft vermag schon allein deshalb keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu bilden, weil - selbst unter der Annahme, dass die Behörde richtigerweise zurückzuweisen gehabt hätte - das bloße Vergreifen im Ausdruck nicht zur Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht führt.
Auch das behauptetermaßen rechtswidrige Unterbleiben eines Verbesserungsauftrags verletzt die beschwerdeführende Gesellschaft nicht in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Selbst unter der Annahme einer Rechtswidrigkeit betrifft sie eine Vorschrift des (einfachen) Gesetzes, deren Verletzung nicht in die Verfassungssphäre reicht, mag sie auch indirekt möglicherweise auf die Frage, ob eine Sachentscheidung zu fällen ist, von Einfluss sein.
Soweit die zu B1338/11 beschwerdeführende Gesellschaft eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren geltend macht, ist es zwar zutreffend, dass Gegenstand des Verfahrens ein vermögenswertes Recht und Art6 EMRK daher anwendbar ist. Ihr Vorbringen, das von der Verfahrensunterlage geleitete Verwaltungsverfahren habe den bestehenden Konzessionär bevorzugt, geht aber schon allein deshalb ins Leere, weil dieses Verfahren mit Blick auf die Qualität des Entscheidungsorgans von vornherein nicht geeignet war, dem Art6 EMRK Genüge zu tun. Da die Bundesministerin kein "Gericht" iSd Art6 EMRK ist, können die Anforderungen des Art6 EMRK grundsätzlich erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erfüllt werden (vgl VfSlg 18446/2008, 19425/2011).