JudikaturOLG Wien

31Bs192/25z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
02. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 17. Juni 2025, GZ **-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Sonnberg (zum Teil nach Widerruf einer bedingten Nachsicht) drei Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von drei Jahren, zwanzig Monaten, 21 Tagen und zwölf Stunden. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 18. März 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG waren am 7. November 2024, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 21. August 2025 erfüllt.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Korneuburg als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Genannten gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG nach Durchführung einer persönlichen Anhörung (ON 14) aus spezialpräventiven Gründen unter Verweis auf die Vorstrafen und ein überdurchschnittliches Rückfallsrisiko ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Verkündung angemeldete (ON 14) und zu ON 16 ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen, der keine Berechtigung zukommt.

Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (vgl Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist gemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eintrat, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Zwar trifft es zu, dass die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe der Regelfall sein (und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben) soll ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 17). Doch ist dem Erstgericht zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall gravierende spezialpräventive Bedenken eine bedingte Entlassung ausgeschlossen erscheinen lassen.

Zutreffend verweist das Erstgericht auf ein erhebliches Rückfallsrisiko des Strafgefangenen. Dieser war vor den nunmehr in Vollzug stehenden Verurteilungen insgesamt fünfmal strafgerichtlich verurteilt worden, wobei zwei Urteile im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen (Punkte 1 und 2 der Strafregisterauskunft ON 4) und eine weitere Verurteilung, nämlich jene des Amtsgerichtes Rosenheim in Deutschland von 15. September 2014, aufgrund des Datums der letzten Tat (24. März 2014) bei richtiger Betrachtung ebenso im Verhältnis der genannten Bestimmungen zu einer Verurteilung des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. Mai 2014 steht (Punkte 4 und 5 der Strafregisterauskunft).

All diese Vor Verurteilungen ergingen unter anderem wegen Gewaltdelikten, wobei A* auch zweimal aus einer Freiheitsstrafe bedingt entlassen wurde, nämlich im Dezember 2013 und im Oktober 2014. Die erste bedingte Entlassung musste bereits rund ein halbes Jahr später widerrufen werden.

Die nunmehr im Vollzug stehenden Taten erfolgten insbesondere wegen mehrfacher (zum Teil schwerer) Körperverletzungen, Nötigungen und gefährlicher Drohungen sowie wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und nach dem WaffG.

Nach einem im letzten Erkenntnisverfahren (AZ ** des Landesgerichtes Feldkirch) vorliegenden Gutachten weist A* eine dissoziale Persönlichkeitsstörung auf, die mit einer verminderten Frustrationstoleranz und einer erhöhten Impulsivität einhergeht (ON 7.1, 8 und 21), wobei er sich selbst als Narzisst mit sadistischen Zügen bezeichnete (ON 7.1, 22). Nach dem Befundbericht der Begutachtungs und Evaluationsstelle für Gewalt und Sexualstraftäter (BEST) vom 12. Juli 2024 liegt bei A* die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit antisozialen und emotional instabilen Anteilen vor. Die Sexualstruktur stehe unter dem Einfluss der narzisstischen Persönlichkeit und sei gekennzeichnet durch Beliebigkeit und kurzfristige orgastische Gratifikation. Hinter einer sadomasochistischen Präferenz würden Intimitätsängste fassbar. Die statistisch nomothetische Kriminalprognose gehe von einem durchschnittlichen Risiko für die Begehung eines neuerlichen allgemeinen Sexualdeliktes aus, das Risiko für allgemeine Gewaltdelikte sei überdurchschnittlich. Im ODARA („Ontario Domestic Assault Risk Assessment“), welches zur Erfassung des spezifischen Risikos für ein neuerliches Gewaltdelikt im Beziehungskontext dient, erreiche A* den höchstmöglichen Wert . Der Strafgefangene weise eine kriminelle Persönlichkeit und kriminelle Einstellungen sowie eine psychische Störung und sexuelle Zwanghaftigkeit auf. Er habe kein Verständnis hinsichtlich risikorelevanter Merkmale und keine Einsicht bezüglich der eigenen Gewaltbereitschaft. Im Sinne einer kognitiv verzerrten Sichtweise bagatellisiere er seine Gewaltbereitschaft und die sexuelle Übergriffigkeit. Im Hinblick auf seinen in der Vergangenheit prognostisch ungünstigen sozialen Empfangsraum und eine Entlassung in potenzielle Hochrisikosituationen seien über die Haft hinaus Risikomanagementmaßnahmen von großer Wichtigkeit. Insgesamt werde von einem sehr hohen Risiko neuerlicher Gewalthandlungen im Beziehungskontext ausgegangen. Die Delikte in diesem Kontext gingen mit einer leichten Kränkbarkeit, der paranoiden Interpretationsbereitschaft, der geringen Empathie und der schlechten Impulskontrolle einher. Das verurteilte Sexualdelikt sei Ausdruck der narzisstischen Persönlichkeits und Sexualstruktur, sowie der psychopathieassoziierten Über Ich Störung. Eine langfristige Einzelpsychotherapie aus risikoprognostischer Sicht sei wichtig (all dies ON 10, 11 bis 14).

In einer aktuellen Äußerung vom 6. Juni 2025 führt die BEST aus, dass A* sich nunmehr in der Justizanstalt Sonnberg befinde, wo er von Mai bis November 2024 ein Behandlungsprogramm für Gewalttäter in Anspruch genommen habe. Zunächst war eine vorgesehene Einzelpsychotherapie wegen seiner abwehrenden und manipulativen Haltung nicht möglich. Aktuellen Dokumentationen zufolge gebe er nun an, „alles, weshalb er verurteilt wurde, auch gemacht“ zu haben. Seit Jänner 2025 nehme er eine Einzelpsychotherapie in Anspruch. Weiterhin ergebe sich ein hohes Risiko neuerlicher Gewalthandlungen im Beziehungskontext und eine langfristige Einzelpsychotherapie sei indiziert. Aktuell könne noch nicht argumentiert werden, dass eine bedingte Entlassung nicht mit einem höheren Risiko verbunden sei als eine Entlassung zum Strafende (ON 12, 2).

Aufgrund der erst vor wenigen Monaten begonnenen Auseinandersetzung mit dem Delikt und des derzeitigen Fehlens von Therapieerkenntnissen erachten sowohl der Soziale Dienst als auch der Psychologische Dienst der Justizanstalt Sonnberg eine bedingte Entlassung als verfrüht (ON 8,2 und ON 9,2).

Auch in Anbetracht der Vorstrafenbelastung des Angeklagten, den auch die tatsächliche teilweise Verbüßung von zwei Freiheitsstrafen nicht nachhaltig von weiterer Delinquenz abhalten konnte, sowie der erst seit Jänner 2025 laufenden Psychotherapie (siehe ON 3, 6), kann daher insgesamt derzeit keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Strafgefangene durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Freiheitsstrafen von einer künftigen neuerlichen Straffälligkeit abgehalten werden könnte. Dabei ist insbesondere auf die äußerst problematische narzisstische Persönlichkeitsstruktur des A* und die weiterhin bestehende hohe Gefahr neuerlicher Gewalthandlungen im Beziehungskontext zu verweisen. Trotz der bescheinigten Wohn und Arbeitsmöglichkeit jeweils in ** (ON 3,2 f) kommt daherauch unter Berücksichtigung allfälliger unterstützender Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB eine bedingte Entlassung auch nach Vollzug von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen derzeit noch nicht in Betracht.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.