JudikaturOLG Wien

29Ns26/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. August 2025

Kopf

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Lehmayer fasst über die im Verfahren A* (B*) des C* erhobene Anzeige der Ausgeschlossenheit durch die Präsidentin dieses Gerichtshofs HR Mag. D* den

Beschluss:

Spruch

Die Präsidentin, die Vizepräsidentin und alle übrigen Richter:innen des C* sind vom Verfahren A* ausgeschlossen .

Die Strafsache wird dem E* übertragen.

Text

Begründung:

Gegen den am ** geborenen afghanischen Staatsangehörigen F* liegt ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft G* vom 19. August 2025, AZ H*, GZ A*-24 des C*, wegen §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB vor. Demnach habe er am 16. Juli 2025 in ** I* J* und K* durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich dem Verlassen des Wohnhauses in ** genötigt, indem er zu diesen zunächst sagte, „Fuck you deine Familie, du beide euch tot machen, sofort tot – willst du?“ und ihnen in weiterer Folge ein Küchenmesser mit 20cm langer Klinge vorhielt und in deren Richtung hantierte sowie sie mehrmals aufforderte, das Wohnhaus zu verlassen.

Mit Schreiben vom 20. August 2025 (ON 25) zeigte der zuständige Einzelrichter Mag. L* seine subjektive wie objektive Befangenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO an, weil es sich beim Opfer I* J* um den Vater des Staatsanwalts der Staatsanwaltschaft M*, Mag. N* J*, handle. Wenngleich ihm der Vater seines Kollegen persönlich nicht bekannt sei, bestehe zu Mag. J* ein freundschaftlich-kollegiales Verhältnis, das seine Befangenheit nach sich ziehe.

Sodann zeigte unter Anschluss von Stellungnahmen sämtlicher Richter:innen ihres Gerichtshofs die Präsidentin HR Mag. D* mit Schreiben vom 26. August 2025 zu dg B* ihre Ausgeschlossenheit und jene sämtlicher Richter:innen ihres Gerichtshofs an und führte aus, dass Mag. N* J* mit sämtlichen Richter:innen im Haus kollegial verbunden sei und das Du-Wort pflege und auch bei Sommerfesten und anderen Veranstaltungen im Haus immer präsent sei, weshalb Gründe vorliegen, die den Anschein erwecken könnten, dass die Strafsache nicht mit der gebotenen Objektivität verhandelt und entschieden werden könne.

Anzumerken ist, dass das Ermittlungsverfahren am 18. Juli 2025 von der Oberstaatsanwaltschaft O* zu P* der Staatsanwaltschaft G* übertragen worden war (ON 1.4).

Nach § 45 Abs 1 StPO hat über die Ausschließung derjenige Richter zu entscheiden, dem sie nach § 44 Abs 2 StPO anzuzeigen ist, über die Ausgeschlossenheitsanzeige der Präsidentin des C* hat daher die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Eine Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO liegt vor.

Ausgeschlossen ist ein Richter unter anderem dann, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Dazu genügt bereits der Anschein seiner Befangenheit. Es müssen Anhaltspunkte gegeben sein, die bei einem unbeteiligten objektiv und emotionslos urteilenden Beobachter den Eindruck der (möglichen) Befangenheit, also einer auf unsachlichen Motiven beruhenden Beeinflussbarkeit hervorrufen können (RISJustiz RS0046052).

Nach ständiger Rechtsprechung liegt Befangenheit somit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern es genügt der äußere Anschein einer Hemmung von unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente (20 Ns 3/14t mwN). Befangenheit ist somit entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeter Weise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen kann (RISJustiz RS0114514 [T1]).

Aufgrund des aufgezeigten Umstands, dass es sich bei einem der beiden Opfer des angeklagten Verbrechens der schweren Nötigung (und daher einem Hauptbelastungszeugen) um den Vater eines Staatsanwalts der (im selben Haus wie der Gerichtshof) ansässigen Staatsanwaltschaft M* handelt, zu dem sämtliche Richter:innen zumindest freundschaftlich-kollegiale Kontakte pflegen, ist von einer strukturellen Befangenheit sämtlicher Richter:innen des Landesgerichts C* (einschließlich dessen Präsidentin und Vizepräsidentin) auszugehen, weil einerseits bei Außenstehenden der Anschein der Befangenheit aufkommen könnte, andererseits auch die Richter:innen zum Teil subjektiv befangen sein können bzw sind, weshalb auf Ausschließung zu erkennen war.

Gemäß § 45 Abs 2 StPO ist bei wie vorliegend erfolgter Ausschließung sämtlicher Richter:innen eines Gerichts das Gericht zu benennen, dem die Sache übertragen wird. Insbesondere aufgrund des Umstands, dass bereits das Ermittlungsverfahren beim E* geführt wurde, aber auch aufgrund der räumlichen Nähe und der Verteilungsgerechtigkeit war die Übertragung an das E* geboten.

Gegen diesen Beschluss steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu (§ 45 Abs 3 StPO).