JudikaturOLG Wien

23Ns15/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB im Kompetenzkonflikt zwischen dem Bezirksgericht Wiener Neustadt (AZ **) und dem Bezirksgericht Josefstadt (AZ **) nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft Wien nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Josefstadt zuständig.

Gegen diese Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu (§ 38 letzter Satz StPO).

Text

Begründung

Mit beim Bezirksgericht Leopoldstadt eingebrachtem Strafantrag legt die Staatsanwaltschaft Wien zur Zahl ** A* B* das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zur Last. Danach habe er seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber der mj. C* B*, geb. am **, gröblich verletzt, indem er im Zeitraum 28. Juli 2021 bis 1. Juli 2024 keinerlei oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen geleistet und dadurch bewirkt hat, dass der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wird oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre (ON 6).

Nachdem die Richterin des Bezirksgerichts Leopoldstadt der Bezirksanwältin den Akt zur Äußerung hinsichtlich des Tatorts retourniert hatte (ON 1.5), tauschte diese den Strafantrag nach Einholung einer Anfrage aus dem Zentralen Melderegister (ON 8) aus und beantragte zugleich die Abtretung des Aktes an das örtlich zuständige Bezirksgericht Josefstadt (ON 1.6). Dieses überwies mit (prozessleitender) Verfügung vom 20. Juni 2025 (ON 1.13) den Akt zuständigkeitshalber an das Bezirksgericht Wiener Neustadt, mit dem Hinweis, dass der Angeklagte seinen Aufenthalt seit dem Jahr 2014 in ** habe. Nach Einholung einer Sozialversicherungsabfrage und einer Abfrage aus dem Zentralen Melderegister legte das Bezirksgericht Wiener Neustadt diesen Akt dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor. Begründend führte das Bezirksgericht Wiener Neustadt zusammengefasst aus, dass der Tatort beim Vergehen nach § 198 StGB der Wohnsitz des Angeklagten und nicht dessen Aufenthalt sei. Wohl habe der Angeklagte einen ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Schlafplatz in Österreich, ein Wohnsitz in Österreich sei aber nicht ersichtlich, der Angeklagte selbst habe immer seinen Wohnsitz in Ungarn angeführt. Demgemäß richte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Ort des Erfolgseintritts, dies sei der Wohnsitz der mj. C* B*, welche zum frühesten Tatzeitpunkt in D* E* wohnhaft gewesen sei. Demnach sei das Verfahren beim Bezirksgericht Josefstadt zu führen (ON 1.15).

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien sprach sich in ihrer Stellungnahme für eine Zuständigkeit des Bezirksgerichts Josefstadt aus.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 36 Abs 3 StPO knüpft die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren – abgesehen von hier nicht in Rede stehenden Sonderzuständigkeiten – primär an den Ort der (versuchten) Tatausführung, mithin an den Ort der Tathandlung an. Beim Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB ist der Handlungsort in aller Regel der Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten (RIS-Justiz RS0127231 [T2]). Einen „Wohnsitz“ hat eine Person an jenem Ort, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen ( Kirchbacher, StPO 15 § 25 Rz 5). Wie die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme treffend ausführt, hat der Angeklagte im gesamten Verfahren durchgehend angegeben, seinen Wohnsitz in Ungarn zu haben (ON 5.5, S 2, 11, 12). Der Umstand, wonach er von Montag bis Freitag in einer von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Wohnung nächtigen kann (ON 12, S 2), begründet keinen Wohnsitz weil sich daraus keine Absicht, sich dort dauerhaft niederzulassen, erkennen lässt.

Für den Fall, dass der Handlungsort im Ausland liegt oder nicht festgestellt werden kann, normiert § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO subsidiäre Zuständigkeitstatbestände, nämlich zunächst den Ort des (geplanten) Erfolgseintritts, also der Wohnsitz der Unterhaltsberechtigten (** mwN).

Nach der Aktenlage hatte die mj. C* B* nach der Auskunft aus dem Zentralen Melderegister ihren Hauptwohnsitz bis 1. März 2024 in D* E*, danach in ** E* (ON 8). Sohin liegt der Ort des Erfolgseintritts zu Beginn des angeklagten Tatzeitraums im Sprengel des Bezirksgerichts Josefstadt, weshalb das Verfahren vom örtlich zuständigen Bezirksgericht Josefstadt zu führen ist.