JudikaturOLG Wien

18Bs184/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Heindl und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 6. Juni 2025, GZ ** 73, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am ** geborene deutsche Staatsangehörige A* wurde mit auch rechtskräftige Freisprüche enthaltendem Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 4. September 2024 (ON 46.3), rechtskräftig mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 3. Dezember 2024 (ON 60.1), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Halbsatz dritter Fall StGB (I./) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1 und Abs 1a StGB nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in **

I./ am 8. Dezember 2023 den Justizwachebeamten Insp B* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seinem Einschluss im Haftraum, zu hindern versucht, indem er sich mit erheblicher Körperkraft gegen die Haftraumtüre stemmte, wobei der Justizwachebeamte die Haftraumtüre letztendlich doch zudrücken und verschließen konnte;

II./ nachgenannte Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

A./ am 2. Dezember 2023 Insp C* mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er zu ihr sagte: „Ich werde dir einen Auftragskiller nach Hause schicken!“;

B./ am 8. Dezember 2023 Insp B* mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er ihm gegenüber äußerte: „Du austrofaschistischer Hurensohn, am Montag schlage ich zu, das schwör ich dir“ sowie „Du Bastard, ich schicke dir einen Auftragskiller, einen Profi, du wirst schon sehen was du davon hast! Ich mach euch alle fertig, ihr Drecksfaschisten! Ich zerleg euch hier alles, ich schwöre es euch! Eine Atomrakete soll bei dir einschlagen, du Kind einer Hure!“;

C./ am 8. Dezember 2023 Insp B* mit zumindest einer Verletzung an der Ehre, indem er ankündigte, dass er „sie alle“ wegen Amtsmissbrauchs bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anzeigen werde;

D./ am 30. April 2024 D* mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er während des Aufenthalts im Freien äußerte, er werde ein Glas gegen dessen Kopf zerschlagen, ihn würgen und „ficken“.

Mit am 5. Juni 2025 eingelangte Eingabe (ON 71) begehrte der Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens mit der wesentlichen Begründung, dass die als Zeugen vernommenen Justizwachebeamten B*, E*, F* sowie G* falsch ausgesagt hätten; überdies beantragte er die zeugenschaftliche Einvernahme des Mithäftlings H*, weil dieser gesehen habe, dass in keiner Weise eine Widerstandshandlung erfolgt sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 73) wies das Erstgericht den Wiederaufnahmeantrag ab und sprach - ohne jedoch einen Kostengrundsatzausspruch nach § 390a Abs 2 StPO getroffen zu haben – betreffend die Eintreibung der Kosten aus, dass diese gemäß § 391 Abs 2 StPO uneinbringlich seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 74), in der er erneut die „ permanenten Falschaussagen vor Gericht “ anprangert und vorbringt, der Zeuge E* würde mit Falschaussagen die Einvernahme des „ unliebsamen benannten Zeugen H* “ verhindern.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 353 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur dann wirksam verlangen, wenn

1./ dargetan wird, dass seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist,

2./ er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen, oder

3./ wegen der selben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei der Vergleichung dieses Erkenntnisse sowie der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist.

Die Wiederaufnahme gemäß Z 1 leg cit erfordert, dass der Antragsteller sowohl das Vorliegen der entsprechenden Handlung (zB falsche Beweisaussage, Urkundenfälschung, Bestechung) als auch deren möglichen Einfluss auf die Verurteilung aufzeigt bzw dartut ( Lewisch , WK StPO § 353 Rz 16, 22).

Tatsachen und Beweismittel sind neu iSd Z 2 leg cit, wenn das Gericht von ihnen nicht zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat, zu welchem ihre Verwertung noch möglich war ( ders , aaO Rz 24). Umstände die bereits im Erkenntnisverfahren erörtert und vom erkennenden Gericht im Rahmen freier Beweiswürdigung anders als vom Verurteilten gewünscht beurteilt wurden, sind nicht Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens. Keine Tatsachen sind Wertungen, Spekulationen oder Erwägungen zur Beweiswürdigung des Erkenntnisgerichts ( ders , aaO Rz 39).

Wie das Erstgericht richtig erkannte, vermag der Verurteilte keine Wiederaufnahmegründe iSd § 353 StPO aufzuzeigen, wobei zur Begründung auf die zutreffenden Erwägungen im bekämpften Beschluss verwiesen wird. Auch die vom Verurteilten in seiner Beschwerde bzw in der Äußerung zur Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgebrachten Argumente können dieser Einschätzung nichts an Relevanz entgegengehalten.

Tatsächlich genügen die unsubstantiierten Behauptungen, wonach die genannten Zeugen ihn falsch belastet oder in Nebenpunkten unkorrekt ausgesagt hätten, zur Wiederaufnahme nicht, denn auch wenn keine Verurteilung des falschen Zeugen gefordert wird, so doch, dass das falsche Zeugnis dargetan wird. Die falsche Aussage muss somit derart wahrscheinlich gemacht werden, dass daraus der Schluss zu ziehen ist, das frühere Urteil sei durch sie herbeigeführt worden ( Mayerhofer , StPO 5 § 353 E 5). Diesen Anforderungen wird der Wiederaufnahmewerber mit seinen stereotypen (im Übrigen auch schon im Haupt- und Rechtsmittelverfahren erhobenen) Verdächtigungen, für die er jedoch belastbare Anhaltspunkte nicht zu nennen vermag, nicht gerecht.

Ebenfalls zutreffend erwog das Erstgericht, dass der Einwand, die Aussage des Zeugen E*, wonach der Verurteilte „56 Meldungen habe“, sei „nicht ganz korrekt“ gewesen, insofern irrelevant ist, als diese Angabe keinerlei Einfluss auf die Verurteilung gehabt hat.

Zusammengefasst kritisiert der Wiederaufnahmewerber somit mit seinem Vorbringen zu den angeblich falschen (seinen eigenen Depositionen zuwiderlaufenden) Aussagen der Justizwachebeamten lediglich (erneut) die erstgerichtliche Beweiswürdigung und wiederholt diesen Einwand auch in der Äußerung zur Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft, wenn er etwa vorbringt, dass „ man sich konspirativ gegen ihn äquivalent eines heiligen Krieges konspirativ verbündet hätte “ und dass der Richter „ dem Hauptbelastungszeugen B* umso mehr geglaubt habe, je mehr dieser ** Dialekt gesprochen habe “. Dabei verkennt der Verurteilte aber, dass eine Wiederaufnahme aus dem Grund, dass die Beweiswürdigung verfehlt ist, ausgeschlossen ist ( Kirchbacher , StPO 15 Vor § 352 Rz 6).

Im Hinblick auf die Wiederholung des in der Hauptverhandlung abgewiesenen Beweisantrags auf (unter anderem) Einvernahme des H* (ON 46.2.1, 20), wobei die diesbezüglich in der Berufung erhobene Verfahrensrüge nicht erfolgreich war (ON 60.1, 5), ist auszuführen, dass es sich dabei um kein neues Beweismittel handelt, weil dieses Beweismittel eben schon im Erkenntnisverfahren thematisiert wurde und einer überdies im Wege der Berufung überprüften Entscheidung zugeführt wurde. Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme dient jedoch ausschließlich der Korrektur von rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen aufgrund von neu hervorgekommenen oder beigebrachten Tatsachen/Beweismitteln. Eine Beseitigung allenfalls im Erkenntnisverfahren unterlaufener, nach Rechtskraft des Urteils hervorgekommener Rechtsfehler ist im Wege der Wiederaufnahme nicht statthaft ( Lewisch , WK StPO Vor §§ 252-363 Rz 6, 63 ff).

Da der erstgerichtliche Beschluss sohin der Sach und Rechtslage entspricht, ist der dagegen erhobenen Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Ein Kostenausspruch nach § 390a Abs 2 StPO für das Rechtsmittelverfahren hatte aus folgenden Gründen zu unterbleiben: Die in der erstinstanzlichen Entscheidung zu treffende Verpflichtung zum Kostenersatz (Kostengrundsatzausspruch) ist ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und die tatsächliche Einbringlichkeit auszusprechen, während § 391 StPO nähere Regeln zur Eintreibung der Kosten enthält; der Umstand, dass durch die Eintreibung der dem Bund vom Kostenersatzpflichtigen zu ersetzenden Kosten der Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie gefährdet wäre, oder die Annahme, die Kosten könnten wegen Mittellosigkeit des Verpflichteten nicht einmal zum Teil hereingebracht werden, können zu einem Beschluss über die Uneinbringlichkeit der Kosten führen, der gemäß § 391 Abs 2 StPO tunlich zugleich mit dem Erkenntnis auszusprechen ist ( Lendl , WK StPO § 391 Rz 1; Kirchbacher , StPO 15 § 391 Rz 1). Das Nachholen des (ungerügt) in erster Instanz verabsäumten Kostengrundsatzausspruchs durch das Rechtsmittelgericht ist nicht statthaft ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 17).

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