30Bs190/25y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2, 130 Abs 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 30. Mai 2025, GZ ** 9, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird dahingehend Folgegegeben, dass der angefochtene Beschluss zu Punkt 1. aufgehoben und A* gemäß § 61 Abs 2 StPO ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wird.
Im Übrigen wird der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau legt dem am ** geborenen österreichischen Staatsbürger A* mit Strafantrag vom 15. Mai 2025, AZ **, unter das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB und das (richtig:) Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 (richtig:) Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 3 (Ris-Justiz RS0134098, RS0132707), 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB subsumierte strafbare Handlungen zur Last (ON 5).
Mit Eingabe vom 28. Mai 2025 beantragte der Angeklagte unter Vorlage seine finanzielle Situation bescheinigender Urkunden Verfahrenshilfe in Form der einstweiligen Befreiung von Gebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren und der Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt (ON 8).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht unter Punkt 1. den Antrag des Angeklagten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ab, und unter Punkt 2. den Verfahrenshilfeantrag „im Übrigen“ zurück. Zur Begründung wurde dargelegt, dass der Angeklagte über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, um ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts für sich, die Kosten seiner notwendigen Verteidigung zu tragen. Da diverse Kosten und Gebühren im Strafverfahren nicht vorgesehen seien, sei der Antrag auf Befreiung von diesen zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 10, ON 11), in der er unter Hinweis auf weitere Kosten seine wirtschaftliche Bedürftigkeit behauptet.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Gemäß § 61 Abs 2 StPO hat das Gericht soweit hier relevant auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs 1a) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger), wenn der Beschuldigte außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Gesamtkosten der Verteidigung zu tragen.
Gegenständlich liegt ein Fall notwendiger Verteidigung (§ 61 Abs 1 Z 5 StPO) vor.
Zu der hier strittigen Frage des Vorliegens einer die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers rechtfertigenden wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass diese voraussetzt, dass der Beschuldigte wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, ohne dass dies zu einer Beeinträchtigung des für ihn oder seiner Familie zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts führen würde. Als Richtwert für eine einfache Lebensführung ziehen Rechtsprechung und Lehre einen Unterhalt über dem Existenzminimum und unter dem standesgemäßen heran ( Soyer/Schumann, WK StPO § 61 Rz 50 f).
Aus dem dem Angeklagten als Pensionist auf Basis seines derzeitigen Nettoeinkommens von 2.020 Euro (14mal jährlich) unter Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht zustehenden Existenzminimums von 1.980 Euro monatlich (s Existenzminimum Tabelle 2025) sowie der monatlichen Durchschnittsalterspension von Männern als Orientierungspunkt für den standesgemäßen Unterhalt von 2.321,40 Euro (14mal jährlich; Quelle: Statistik Austria zuletzt für das Jahr 2024) ergibt sich, dass der für eine einfache Lebensführung notwendige Unterhalt des A* unter der Prämisse gleichbleibender Voraussetzungen knapp innerhalb dieser Bandbreite anzusetzen ist.
Mit Blick auf die Höhe der für die Vertretung durch einen Wahlverteidiger in einem wie hier einfachen Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts zu erwartenden Gesamtkosten, die sich selbst bei Nichtausschöpfung des Instanzenzugs auf mehrere Tausend Euro belaufen, ist davon auszugehen, dass bei A* vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Bedürftigkeit im Sinn des § 61 Abs 2 StPO auszugehen ist, weshalb der Beschwerde in diesem Umfang Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.
Im Übrigen war der Beschwerde im Hinblick auf die zu Punkt 2. des angefochtenen Beschlusses zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts nicht Folge zu geben.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).