JudikaturOLG Wien

21Bs161/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 146, 148 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 15. April 2025, GZ ** 38, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass die über B* verhängte Geldstrafe auf 80 Euro herabgesetzt wird.

Text

Begründung:

In dem gegen den am ** geborenen A* wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung geführten Strafverfahren verfügte der Einzelrichter des Landesgerichts Wiener Neustadt am 25. März 2025 (ON 1.22) die Anberaumung der Hauptverhandlung für den 10. April 2025 sowie die Ladung des Zeugen B* (ON 1.22), dem diese laut Zustellschein am 31. März 2025 durch persönliche Übernahme zugekommen ist.

Mit Schriftsatz seines Vertreters vom 8. April 2025 (ON 33.1) schloss sich der Zeuge dem Strafverfahren als Privatbeteiligter an und ersuchte unter Hinweis auf die seine Anzeige ohnehin beweisenden Urkunden zu entschuldigen, dass er zur Hauptverhandlung nicht erscheinen könne, weil er einen Termin bei der Personalversicherungsanstalt wahrnehmen müsse.

Mit (dem Privatbeteiligtenvertreter laut ERV-Zustellnachweis am 10. April 2025 zugestellter) Note vom 9. April 2025 teilte das Erstgericht dem Privatbeteiligtenvertreter mit, dass es sich dabei nicht um ein der Teilnahme an der Hauptverhandlung entgegenstehendes unabwendbares Hindernis handle, es sich jedoch unter Hinweis auf die Säumnisfolgen dem Privatbeteiligten obliege, im konkreten Einzelfall Gegenteiliges zu behaupten und zu bescheinigen (ON 1.29).

Da der Zeuge B* zur Hauptverhandlung am 10. April 2025 ohne weitere Begründung für sein Fernbleiben bzw ohne einen Nachweis für ein entgegenstehendes Hindernis zu erbringen, nicht erschien, verhängte der Erstrichter mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 242 Abs 3 StPO über diesen eine Geldstrafe von 160 Euro.

Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz seines Vertreters rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des B*, mit der er vorbringt, die Note des Erstgerichts vom 9. April 2025 erst nach dem Hauptverhandlungstermin am 10. April 2025 erhalten und zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung somit keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass seine Entschuldigung nicht akzeptiert worden ist. Da er zudem keinesfalls die Absicht gehabt habe, den Fortgang des Gerichtsbetriebs durch Nichterscheinen zu verhindern, beantragt er, die Geldstrafe nachzusehen oder auf 50 Euro zu mindern.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Wenn Zeugen oder Sachverständige ungeachtet der an sie ergangenen Vorladung bei der Hauptverhandlung nicht erscheinen, hat der Vorsitzende über den Ausgebliebenen (zwingend) mit Beschluss eine Geldstrafe bis zu 1.000 Euro zu verhängen.

Gemäß § 243 Abs 2 StPO hat der Vorsitzende die verhängte Strafe nachzusehen, wenn der Zeuge oder Sachverständige bescheinigt, dass ihm die Ladung zur Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder, dass ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hindernis von der Teilnahme an der Hauptverhandlung abgehalten hat. Der Vorsitzende kann auch eine Milderung aussprechen, wenn die Bescheinigung erbracht wird, dass die Strafe oder der Kostenersatz zur Schuld oder den Folgen des Ausbleibens unverhältnismäßig wäre. Wird der Beschwerde nicht durch eine in Abs 2 leg cit erwähnte Maßnahme zur Gänze entsprochen, so hat sie der Vorsitzende dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen (Abs 3 leg cit).

Durch die Vorlage an das Beschwerdegericht ohne Vorerledigung hat der Erstrichter klar gestellt, die Prüfung iSd § 243 Abs 2 StPO vorgenommen und keinen Grund für eine Nachsicht oder Milderung gesehen zu haben ( Danek/Mann , WK-StPO § 243 Rz 9).

Vorführung wie auch Ordnungsstrafe bedingen zunächst die vorangegangene Zustellung der Ladung zu eigenen Handen und Ungehorsam des Ausgebliebenen ( Danek/Mann , aaO Rz 3 f). Die Rechtsprechung lässt für die Zulässigkeit der Vorführung auch eine Ersatzzustellung genügen, wenn ein Nachweis vorliegt, dass die Ladung dem Zeugen „wirklich persönlich zugekommen“ ist ( Danek/Mann , WK-StPO § 242 Rz 4). Gleiches gilt für die Verhängung von Ordnungsstrafen über den unentschuldigt ferngebliebenen Zeugen.

Aus dem Akt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zur Hauptverhandlung zwar lediglich mittels RSb-Brief geladen (ON 1.22), die Ladung jedoch von ihm am 31. März 2025, wie sich aus seiner eigenhändigen Unterschrift auf dem Zustellnachweis ergibt, persönlich übernommen wurde, weshalb davon auszugehen ist, dass ihm die Ladung zur Verhandlung tatsächlich persönlich zugekommen ist.

Ein Nachsichtsgrund ist dann gegeben, wenn zwar die Ladung ordnungsgemäß erfolgt ist, der Zeuge aber durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hindernis von der Teilnahme an der Hauptverhandlung abgehalten war. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen. Unvorhersehbarkeit bedeutet, dass das Hindernis für den Zeugen aus dessen subjektiver Perspektive nicht zu erwarten war. Unabwendbarkeit liegt vor, wenn sich ein Ereignis aus den objektiven Verhältnissen auch für eine normative Vergleichsfigur nicht verhindern lässt. Unvorhergesehen und unabwendbar sind somit beispielsweise eine Erkrankung oder ein Verkehrsunfall ( Danek/Mann, WK StPO § 243 Rz 4).

Ausgehend von diesen Kriterien liegt in Übereinstimmung mit dem Erstgericht ein derartiger Grund bei einem ohne weiteres erläuterten „Termin bei der Personalversicherungsanstalt“ nicht vor. Dass es sich dennoch um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Hindernis handelt, hat der Zeuge auch durch keinerlei Urkunden belegt oder weiteres Vorbringen erklärt, und zwar weder in seiner Mitteilung vom 8. April 2025 (ON 33.1) noch in seiner Beschwerde vom 30. April 2025, sodass er einen Nachsichtsgrund nicht bescheinigt hat. Auch in der Erkenntnis, dass das Erstgericht den angegebenen Entschuldigungsgrund nicht akzeptiert, kann ein unabwendbares und unvorhergesehenes Hindernis jedenfalls nicht gesehen werden, weshalb es keine Rolle spielt, dass die Mitteilung darüber dem Zeugen nach seinem Vorbringen erst verspätet zugekommen sei.

Allerdings ist die Milderung der Geldstrafe angezeigt. Denn mit Blick darauf, dass sich die fehlende Aussage des Zeugen angesichts des dennoch ergangenen Urteils am 10. April 2025 kaum ausgewirkt hat, ist die Geldstrafe auf den der Schuld und den Folgen des Ausbleibens entsprechenden, 8% des Höchstmaßes darstellenden Betrag von 80 Euro herabzusetzen.

Letztlich bleibt anzumerken, dass weder die Einkommens- noch die Vermögensverhältnisse für die festzusetzende Höhe der Geldstrafe ein gesetzliches Kriterium darstellen und diese daher – auch für den Fall, dass diese bekannt wären – ohnehin unbeachtlich sind.