JudikaturOLG Wien

21Bs122/25g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Immaterieller Schaden
06. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat am 6. Mai 2025 durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Sanda und Mag. Maruna als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* und andere Angeklagte wegen §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über 1.) die Berufungen der Staatsanwaltschaft in Ansehung des A* und des B* jeweils wegen Strafe, des Letztgenannten auch wegen des Ausspruchs über privatrechtliche Ansprüche, gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24. Oktober 2024, GZ **-83.3, sowie 2.) die durch B* implizit erhobene Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 50ff StGB, in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski, in Anwesenheit der Angeklagten A* und B*, ihres Verteidigers Dr. Dohr und des Vertreters des Privatbeteiligten C*, Mag. Wolfgang Auner, durchgeführten Berufungsverhandlung

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe hinsichtlich A* wird Folge gegeben und die vom Erstgericht gemäß § 43a Abs 4 StGB gewährte teilbedingte Strafnachsicht bei gleichzeitiger Aufhebung der korrespondierenden Beschlüsse gemäß §§ 50ff StGB aus dem Urteil ausgeschaltet.

Der Berufung des B* wegen Strafe wird nicht, jener wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche dahin Folge gegeben, dass das Feststellungserkenntnis aufgehoben und der Privatbeteiligte diesbezüglich mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird. Im Übrigen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. den

B e s c h l u s s

gefasst:

Der Beschwerde des B* (Bewährungshilfe und Weisung zu Psychotherapie) wird nicht Folge gegeben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Text

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch eine rechtskräftige Verurteilung des C* wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB und einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch des A* wegen § 50 Abs 1 Z 2 WaffG enthält, wurden - entgegen der wegen schweren Raubes bzw. Beitragstäterschaft dazu erhobenen Anklage - der am ** geborene A* des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./1.) und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (I./2.) und der am ** geborene B* des Vergehens der Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 105 Abs 1 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 12 dritter Fall, 84 Abs 4 StGB (II./) schuldig erkannt und jeweils unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, A* auch unter Anwendung des § 39 Abs 1a StGB, beide nach § 84 Abs 4 StGB und unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung wie folgt verurteilt:

A* zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und

B* zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten.

Gemäß § 43a Abs 4 StGB wurde in Ansehung des A* der Vollzug einer Strafteils von zwei Jahren und gemäß § 43 Abs 1 StGB der Vollzug der über B* verhängten Freiheitsstrafe jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 19a Abs 1 StGB wurde das von A* zur Tatbegehung verwendete Werkzeug, nämlich das sichergestellte Mobiltelefon iPhone SE konfisziert, hingegen der Antrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt auf Konfiskation eines sichergestellten Springmessers abgewiesen.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO (iVm § 366 Abs 2 StPO) wurden A* und B* zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Privatbeteiligten C* 7.250 Euro binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass A* und B* dem Privatbeteiligten C* zur ungeteilten Hand für die aus den unter I./ beschriebenen Verletzungen resultierenden zukünftigen nachteiligen Folgen haften.

Mit gleichzeitigen (nicht gesondert ausgefertigten) Beschlüssen wurde, soweit hier relevant,

1. gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die A* mit Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 19.8.2020 zu D* gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen;

2. vom Widerruf der A* mit Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 6.8.2021 zu E* gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abgesehen;

………………………………………………….

4. gemäß § 50 Abs 1, 51 Abs 3 StGB A* und B* für die Dauer der Probezeit die Weisung erteilt, sich einer Psychotherapie zu unterziehen und dem Gericht unaufgefordert alle drei Monate einen Nachweis darüber zu erbringen;

5. gemäß § 50 Abs 1, 52 StGB für A* und B* jeweils für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben - soweit hier relevant - in **

I.) A* am 5.6.2024 dadurch, dass er von C*, welcher ihm einen Geldbetrag von 650 Euro schuldete, Bargeld forderte, ihm einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, wodurch dieser einen Unterkieferbruch links mit Lockerung eines bereits kariös vorgeschädigten Zahns erlitt, und ihn dazu nötigte, mit ihm zu einer Bankfiliale zu fahren und Bargeld zu beheben, wobei C* einen Betrag von 230 Euro behob und ihm übergab, C*

1.) mit Gewalt zu Handlungen, nämlich zur Behebung eines Bargeldbetrags von 230 Euro und Übergabe an ihn genötigt;

2.) vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung herbeigeführt;

II. B* zu den unter I. beschriebenen strafbaren Handlungen beigetragen, indem er am Tatort Präsenz zeigte und A* in seinem Tatentschluss bestärkte sowie das Fahrzeug zur Bankfiliale lenkte.

Zur Person des zur Tatzeit 20-jährigen A* stellte das Erstgericht fest, dass er vor seiner Festnahme ohne Beschäftigung gewesen sei und staatliche Unterstützung in Höhe von rund 1.400 Euro bezogen habe. Er habe im Urteilszeitpunkt weder Vermögen noch Schulden oder Sorgepflichten gehabt.

In seiner Strafregisterauskunft weist A* bei insgesamt vier Verurteilungen drei einschlägige Vorstrafen auf, wobei er erstmals am 11.4.2019 wegen §§ 15, 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, deren Vollzug unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit und Anordnung von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen wurde. Die Probezeit wurde mit nachfolgendem Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt zu D* vom 19.8.2020, mit dem A* wegen § 83 Abs 1 StGB, zu einer neuerlich unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde, auf fünf Jahre verlängert. Mit Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 6.8.2021 zu E* wurde A* wegen § 50 Abs 1 Z 2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die ebenfalls unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung von Bewährungshilfe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Gleichzeitig wurde die Probezeit zu D* auf fünf Jahre verlängert. Zuletzt wurde A* am 15.2.2023 zu F* des Bezirksgerichts Wiener Neustadt wegen § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen (zu je 4 Euro), im Nichteinbringungsfall zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Zu dem zur Tatzeit ebenfalls 20-jährigen B* hielt das Erstgericht fest, dass er im Urteilszeitpunkt ohne Beschäftigung gewesen sei und staatliche Unterstützung im Ausmaß von rund 1.000 Euro monatlich erhalten habe. Er verfüge über Vermögen in Form eines Fahrzeugs im Wert von rund 15.000 Euro, welches in seinem Hälfteeigentum stehe, sei hingegen nicht mit Schulden oder Sorgepflichten belastet.

B* wurde durch das Landesgericht Wiener Neustadt am 15.4.2021 zu ** wegen §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2, 125 StGB schuldig erkannt, der Strafausspruch jedoch unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung von Bewährungshilfe gemäß § 13 JGG vorbehalten.

Festgehalten wird, dass B* mittlerweile neuerlich verurteilt wurde, wobei mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24.1.2025 zu ** wegen §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3; 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG eine unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 14 Monaten verhängt wurde. Da auch Tatzeiten nach dem hier zugrunde liegenden Ersturteil umfasst sind, sind die §§ 31, 40 StGB nicht anzuwenden.

Ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO schloss das Erstgericht aufgrund der einschlägigen Vorstrafenbelastung der Angeklagten aus spezialpräventiven Erwägungen, in Ansehung des B* auch aufgrund mangelnder Verantwortungsübernahme für das strafsatzbestimmende Delikt aus.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht beim Angeklagten A*, ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe (§ 84 Abs 4 StGB iVm § 19 Abs 4 Z 1 JGG, 39 Abs 1a StGB) die (konkretisiert: drei) einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Urheberschaft an einer von mehreren begangenen Tat als erschwerend, wobei schulderhöhend die Tatbegehung während zweier offener Probezeiten und im raschen Rückfall nach dem Vollzug der Geldstrafe zu F* des Bezirksgerichts Wiener Neustadt zu werten gewesen seien. Mildernd wurde das reumütige Geständnis des Angeklagten A* und die Tatbegehung als junger Erwachsener berücksichtigt.

Aufgrund des deutlich getrübten Vorlebens sei zwingend eine empfindliche Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen und habe nur aufgrund des Vorliegens der ebenfalls gewichtigen Milderungsgründe mit der verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren, sohin knapp über dem untersten Drittel des erhöhten Strafrahmens, das Auslangen gefunden werden können.

Die Voraussetzungen des § 43a Abs 4 StGB sah das Erstgericht bei A* als erfüllt an, da er nunmehr durch die Untersuchungshaft und den Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe erstmals das Haftübel verspüre und verspüren werde, sodass auch unter Berücksichtigung seines jungen Alters ein nachhaltiger Eindruck auf ihn zu erwarten sei. Trotz seiner Vorstrafenbelastung, wobei jedoch jeweils bloß kurze bedingte Freiheitsstrafen bzw. eine Geldstrafe verhängt worden seien, sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass A* unter diesem Eindruck der Hafterfahrung auch bei bedingter Nachsicht eines Teils der Strafe hinkünftig keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde.

Die Weisung zur Erteilung von Psychotherapie und Anordnung von Bewährungshilfe stützte das Erstgericht auf die Empfehlung der Jugendgerichtshilfe und die Stellungnahme der Bewährungshelferin.

Trotz der verhängten teilbedingten Freiheitsstrafe sei zugleich der Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt zu D* gewährten bedingten Strafnachsicht geboten, da der Angeklagte A* bereits mehrmals Resozialisierungchancen wie die Verlängerung von Probezeiten ungenutzt gelassen und nunmehr neuerlich einschlägig delinquierte habe. Das In Schwebe Halten der zu E* des Bezirksgerichts Wiener Neustadt verhängten Strafe sei jedoch spezialpräventiv sinnvoller als ein Widerruf der bedingten Nachsicht.

Eine Entscheidung nach § 494a StPO zur Verurteilung des Landesgerichts Wiener Neustadt zu ** habe - entgegen des Antrags der Staatsanwaltschaft - nicht mehr ergehen können, da die Tathandlungen nicht mehr in der Probezeit begangen worden seien.

Beim Angeklagten B* ging das Erstgericht unter Berücksichtigung des § 19 Abs 4 Z 1 JGG nach § 84 Abs 4 StGB von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren aus und wertete das teilweise reumütige Geständnis, die Tatbegehung als junger Erwachsener und die untergeordnete Tatbeteiligung mildernd. Erschwerend wurde die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen berücksichtigt.

Trotz der - auch bereits etwas zurückliegenden - „Vorstrafe“ des Angeklagten B* habe aufgrund der gewichtigen Milderungsgründe mit einer moderaten Freiheitsstrafe dass Auslangen gefunden werden können. Überdies sei bei ihm die nunmehrige erstmalige Androhung des Strafvollzugs ausreichend, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, sodass mit einer bedingten Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe vorzugehen gewesen sei.

Die erteilte Weisung und die Anordnung von Bewährungshilfe stützte das Erstgericht insbesondere auf die Empfehlung der Jugendgerichtshilfe.

Den Ausspruch über den Privatbeteiligtenanspruch des C* stützte das Erstgericht auf § 1325 ABGB bzw. Art und Schwere der Verletzung und der festgestellten Schmerzperioden, wobei Schmerzengeld zu bemessen und nicht zu berechnen sei und neben den Schmerzen auch sämtliche weitere Unlustgefühle abzudecken seien. Ein höherer Zuspruch habe sich aus den festgestellten Verletzungsfolgen zum Urteilszeitpunkt nicht ergeben, sodass C* mit seinen darüber hinausgehenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen sei. Außer Acht gelassen worden sei die in der Hauptverhandlung erhobene Aufrechnungseinrede des Angeklagten A*, weshalb nicht über die Gegenforderung abgesprochen, sondern der Angeklagte A* zur ungeteilten Hand mit dem Angeklagten B* zur Zahlung des gesamten zustehenden Schmerzengeldbetrags verpflichtet worden sei.

Da zum Urteilszeitpunkt das Auftreten von vorfallskausalen Dauerfolgen nicht ausgeschlossen sei, habe C* das rechtliche Interesse an der Feststellung der Haftung der Angeklagten A* und B* für sämtliche künftige Schäden.

Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B* mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19.3.2025, GZ 13 Os 15/25t-4, ist über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe in Ansehung des Angeklagten A*, die ausdrücklich nur die Gewährung der teilbedingten Strafnachsicht bekämpft, sowie die Berufung wegen des Strafausspruchs und des Ausspruchs über privatrechtliche Ansprüche des Angeklagten B* und dessen implizierte Beschwerde gegen die Erteilung einer Weisung und Anordnung von Bewährungshilfe zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die erweiterte teilbedingte Freiheitsstrafe nach Abs 4 des § 43a StGB auf extreme Ausnahmefälle beschränkt ist, in denen ungeachtet der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei, aber nicht mehr als drei Jahren die bedingte Nachsicht eines Teils dieser Strafe gerechtfertigt ist. In spezialpräventiver Sicht erfordert diese Bestimmung eine im Vergleich zu § 43 Abs 1 StGB an strengere Kriterien geknüpfte günstige Prognose, nämlich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Dies setzt ein eindeutiges und beträchtliches Überwiegen jener Umstände voraus, die dafür sprechen, dass es sich um eine einmalige Verfehlung gehandelt hat, wie dies etwa bei Straftaten aus Konflikt- oder Krisensituationen zutreffen kann. Vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, wird Abs 4 auf Ersttäter Anwendung finden (vgl Jerabek/Ropper WK² § 43a Rz 16).

Eine solche hohe Wahrscheinlichkeit kann bei A* jedoch vor allem mit Blick auf die bei vier Verurteilungen ergangenen drei einschlägigen Vorstrafen seit dem Jahr 2019, im Zuge derer bei sämtlichen der bedingten Strafnachsichten Bewährungshilfe angeordnet wurde, keinesfalls ausgegangen werden. Auch den Erhebungen der Familien- und Jugendgerichtshilfe G* (ON 67.2) und dem Bericht über die Haftentscheidungshilfe (ON 48.2) kann eine entsprechende hohe Wahrscheinlichkeit des Entfalls weiterer Delinquenz nicht entnommen werden, umsoweniger als A* selbst gegenüber der Familien-und Jugendgerichtshilfe G* angibt, dass er schon bisher einer ihm auferlegten Weisung zu einer Psychotherapie nachgekommen sei, er bereits ein Antigewalttraining absolviert habe und seit mehreren Jahren von einer Bewährungshelferin betreut werde, die er 14-tägig treffe und sich mit ihr gut verstehe (AS 4 in ON 48.2), und dennoch neuerlich straffällig wurde.

Die Bewährungshelferin berichtet, dass A* bereits seit August 2019 vom Verein H* betreut wurde, die Anordnung zur Psychotherapie (zu D* des Bezirksgerichts Wiener Neustadt) regelmäßig wahrgenommen habe und in der Zeit vom 2.11.2021 bis 7.5.2022 am Anti-Gewalt-Training des Vereins H* teilgenommen und dieses erfolgreich abgeschlossen habe (ON 75.1).

Alldies war erkennbar nicht ausreichend, A* von neuerlicher, einschlägiger massiver Delinquenz abzuhalten, sodass nach Ansicht des Berufungsgerichts die Voraussetzungen des § 43a Abs 4 StGB nicht gegeben sind.

Da lediglich die teilbedingte Nachsicht ausgeschaltet wurde und keine Änderung des Strafausspruchs, damit auch nicht dessen Aufhebung erfolgte, waren auch die A* betreffenden Beschlüsse nach § 494a StPO nicht aufzuheben und bleiben daher, wie vom Erstgericht ausgesprochen, aufrecht. Anders verhält es sich natürlich, aufgrund Entfalls einer Probezeit, mit den Beschlüssen, mit denen Bewährungshilfe angeordnet und A* eine Therapieweisung erteilt wurde.

Der Berufung des Angeklagten B* wegen des Strafausspruchs ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Erstgericht - wie der Berufungswerber selbst ausführt - die untergeordnete Tatbeteiligung ohnedies mildernd wertete. Dazu ist er auch noch darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht nicht lediglich feststellte, dass er sich „nur“ durch Präsenz beteiligte, sondern auch, dass er - worauf bereits der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung hinwies - auch einen physischen Tatbeitrag (durch Chauffeurdienste) leistete (US 6ff im Ersturteil, BS 4 in 13 Os 15/25t).

Richtig ist, dass neben einem reumütigen Geständnis auch ein Beitrag zur Wahrheitsfindung mildernd gewertet werden kann, dazu muss jedoch die Einlassung tatsächlich wesentlich für die Wahrheitsfindung sein. Davon kann jedoch hier nicht die Rede sein, verantwortete sich doch A* von seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter bei der Polizei an geständig (ON 10.2 und 10.3), während der Angeklagte B* bei seiner polizeilichen Vernehmung versuchte, das Geschehen herunterzuspielen (ON 10.5) und auch noch in der Hauptverhandlung seinen eigenen Tatbeitrag zu beschönigen versuchte (AS 15ff in ON 83.2). Ein Beitrag zur Wahrheitsfindung, der zusätzlich zu dem vom Erstgericht mildernd gewerteten teilweisen reumütigen Geständnis mildernd zu berücksichtigen wäre, kann jedenfalls in der Einlassung des Angeklagten B* nicht erblickt werden.

Ausgehend von den Kriterien des § 32 StGB und unter zutreffender Heranziehung und Gewichtung der besonderen Strafzumessungsgründe der §§ 33, 34 StGB fand das Erstgericht bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren mit der über den Angeklagten B* ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten, deren Vollzug unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, somit lediglich einem Viertel der Strafobergrenze, eine angemessene Sanktion, die einer Herabsetzung, insbesondere unter die in § 6 Abs 1 und Abs 2 Z 2 TilgG genannte Grenze, die der Angeklagte anstrebt, nicht zugänglich ist.

Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen, die durch Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits in Rechtskraft erwuchsen, trug der Angeklagte B* zu den Tathandlungen des Angeklagten A* bei, somit auch zur schweren Körperverletzung an C*, sodass - entgegen der Ansicht des Berufungswerbers auch er für die durch den Faustschlag des A* entstandene Verletzung haftet.

Bei der Bemessung von Schmerzengeld sind einerseits Art, Dauer und Stärke der Schmerzen und andererseits die Schwere der Verletzung und der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes sowie die damit verbundenen Unlustgefühle zu beachten. Wenn auch für die Bemessung des Schmerzengeldes unter anderem die Dauer der Schmerzen von Bedeutung ist, so ist es doch nicht nach Tagessätzen oder anderen auf Zeitperioden aufbauenden Sätzen zu bemessen, da diese viel zu schematisch sind (vgl Reischauer in Rummel ABGB³ § 1325 Rz 45).

Ausgehend von diesen Prämissen ist nach dem schriftlich erstatteten (ON 56.1) und in der Hauptverhandlung vorgetragenen und ergänzten Gutachten des Sachverständigen Dr. I* der C* zuerkannte Schmerzengeldbetrag von 7.250 Euro, den B* zur ungeteilten Hand mit A* zu leisten hat, angemessen.

Anders verhält es sich bei der Feststellung der Haftung für künftige Schäden.

Gemäß § 228 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage ist insbesondere zur Unterbrechung der Verjährung gerechtfertigt.

Gemäß § 1489 ABGB ist jede Entschädigungsklage grundsätzlich in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde. In diesem Sinne ist das Feststellungsinteresse zu bejahen, wenn feststeht, dass nach Ablauf der dreijährigen Frist weitere Schäden auftreten können.

Ist hingegen – wie im vorliegenden Fall – der Schaden aus einer gerichtlich strafbaren Handlung entstanden, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, so erlischt das Klagerecht gemäß § 1489 zweiter Satz ABGB erst nach 30 Jahren. Im Falle dieser langen Verjährungsfrist fehlt aber vorerst das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung, weil dem Geschädigten hier ein ausreichend langer Zeitraum zur Geltendmachung seiner Ansprüche zur Verfügung steht (RIS-Justiz RS0039277; 9 ObA 227/94; 21 Bs 491/09y uva des OLG Wien).

Somit war der das Feststellungsbegehren betreffende Ausspruch in Ansehung des B* aufzuheben – mangels Berufung betrifft dies nicht A*, da diesbezüglich kein beneficium cohesionis greift - und der Privatbeteiligte diesbezüglich auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Die Weisung zur Absolvierung einer Psychotherapie, die B* erteilt wurde, wurde ebenso wie die Anordnung von Bewährungshilfe durch die Familien- und Jugendgerichtshilfe J* empfohlen (ON 68.2) wobei dies entsprechend dem vorliegenden Bericht spezialpräventiv tatsächlich notwendig ist und im Zusammenhalt mit der, wenngleich kurzen Untersuchungshaft, erforderlich erscheint, um überhaupt die Möglichkeit einer bedingten Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe ins Auge zu fassen.

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