JudikaturOLG Wien

30Bs37/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richt-erinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen Mag. A*wegen § 111 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerden des Genannten gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Korneuburg vom 14. Jänner 2025 und 3. Februar 2025, GZ **-50 und 60, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg führte zu ** ein Ermittlungsverfahren gegen Mag. A* wegen §§ 111 Abs 1, 115 Abs 1 iVm § 117 Abs 2, 107a und 107c StGB, das am 20. Dezember 2024 - ausdrücklich nur wegen dieser Vorwürfe - gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt wurde (ON 1.20). Betreffend eines weiteren Vorwurfs gemäß § 83 StGB (Körperverletzung) wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG abgesehen (ON 1.8).

Über Antrag des Privatbeteiligtenvertreters vom 3. Jänner 2025 (ON 40) wurde diesem am 8. Jänner 2025 beschränkt auf die Seiten 76 bis 81 Akteneinsicht in das Gutachten der Sachverständigen Mag. B* (ON 31.3) gewährt (ON 1.27).

Mit Eingaben vom 5. Dezember 2024 (ON 19) und 9. Dezember 2024 (ON 27) beantragte Mag. A* die Einstellung des Verfahrens. In seinem Schreiben vom 31. Dezember 2024 (ON 37) hielt er seinen Antrag aufrecht und begehrte darüberhinaus die „Korrektur“ der Einstellungsbegründung.

In seinen, Sachlichkeit und nötigen Respekt gegenüber Gerichten und Behörden vermissen lassenden Eingaben vom 10. Jänner 2025 (ON 44), 11. Jänner 2025 (ON 45) und 12. Jänner 2025 (ON 46) beanstandete Mag. A*, dass der (vormals) Privatbeteiligten uneingeschränkt Akteneinsicht in das im Ermittlungsakt erliegende klinisch-psychologische Sachverständigengutachten (ON 31.3) gewährt worden sei und beantragte, dieses von der Akteneinsicht auszunehmen.

Zu dem als Einspruch wegen Rechtsverletzung gewerteten Vorbringen erstattete die Anklagebehörde eine ablehnende Stellungnahme (ON 47).

In seinen, auch an den zuständigen Staatsanwalt adressierte, Beleidigungen enthaltenden Schreiben vom 13. Jänner 2025 (ON 49) und 14. Jänner 2025 (ON 53) wiederholte Mag. A* seinen Antrag, das Gutachten von der Akteneinsicht auszunehmen, und begehrte die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung.

Gegen die von der Staatsanwaltschaft mit Note vom 15. Jänner 2025 (ON 55) verwehrte Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung erhob Mag. A* mit Eingabe vom 16. Jänner 2025 Einspruch wegen Rechtsverletzung (ON 56).

Mit Eingabe vom 31. Dezember 2024 (ON 39), dem inhaltlich identen Schreiben vom 14. Jänner 2025 (ON 51) und Eingabe vom 15. Jänner 2025 (ON 54) beantragte Mag. A* Akteneinsicht in den Handakt der Haft- und Rechtsschutzrichterin AZ **.

Mit Beschluss vom 14. Jänner 2025 (ON 50) wies das Erstgericht die Anträge des Mag. A* auf Einstellung des Verfahrens und Änderung der Einstellungsbegründung unter Hinweis auf die zwischenzeitige rechtskräftige Einstellung des Verfahrens mangels Beschwer als unzulässig zurück (ON 50).

Mit Beschluss vom 3. Februar 2025 (ON 60) wies die Erstrichterin die mit ON 44, ON 45, ON 46 und ON 56 eingebrachten Einsprüche wegen Rechtsverletzung, den bezughabenden Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung dieser Einsprüche und den Antrag auf Akteneinsicht in den Akt AZ ** zurück. Zur Begründung legte sie zusammengefasst dar, dass gegen die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene teilweise Beschränkung der Akteneinsicht auf jene Inhalte, deren Kenntnis im Hinblick auf die weitere Vorgehensweise der Privatbeteiligten zwingend notwendig sei, eine Ermessensentscheidung darstelle, die dem Rechtsbehelf des Einspruchs wegen Rechtsverletzung nicht zugänglich sei. Der in diesem Zusammenhang gestellte Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung sei der StPO fremd, weshalb es an einem subjektiven Recht mangle. Akteneinsicht in den Akt AZ ** stehe nicht zu, weil es sich hierbei um einen nicht der Akteneinsicht unterliegenden Handakt der Haft- und Rechtsschutzrichterin, der lediglich als Geschäftsbehelf diene, handle.

Gegen die angeführten Beschlüsse richten sich die rechtzeitigen Beschwerden des Mag. A* (ON 59 und ON 62), in denen die bisher vertretenen Standpunkte wiederholt, die fehlende Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bemängelt und die Geheimhaltung des Gutachtens sowie die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung der erhobenen Rechtsmittel begehrt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerden sind nicht im Recht.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Strafprozessordnung jedem, der behauptet im Ermittlungsverfahrendurch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, den (fristgebundenen) Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO, und dem Beschuldigten zudem den Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 108 StPO einräumt. Der Antrag auf Einstellung dient als Sonderform des Einspruchs wegen Rechtsverletzung dem Schutz des Beschuldigten vor unberechtigter Strafverfolgung.

Gemäß § 1 Abs 2 erster Satz StPO beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts ermitteln. Es endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung (§ 1 Abs 2 dritter Satz StPO).

Einsprüche wegen Rechtsverletzung sind nur dann einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen, wenn ihnen die Behauptung zugrunde liegt, im Ermittlungsverfahren, also vor dessen Beendigung durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein. Ausschlaggebend ist hier die prozessual wirksame Beendigung (15 Os 118/11h; Pilnacek / Stricker in Fuchs / Ratz, WK StPO § 107 Rz 2).

Gemäß § 107 Abs 1 erster Satz StPO sind unzulässige, verspätete oder solche Einsprüche, denen die Staatsanwaltschaft entsprochen hat, zurückzuweisen.

Zu ON 50:

Da dem Begehren des Beschwerdeführers auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die rechtswirksame Beendigung des gegen ihn geführten Verfahrens seitens der Anklagebehörde (zum Eintritt materieller Rechtskraft mit Erlassung der Entscheidung siehe Nordmeyer in Fuchs / Ratz, WK StPO § 190 Rz 23) vollinhaltlich entsprochen wurde, wies das Erstgericht die von Mag. A* wiederholt gestellten, gegenstandslosen Anträge auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu Recht zurück ( Kirchbacher, StPO 15 § 108 Rz 8; OLG Wien 31 Bs 168/23t).

Zu ON 60:

Zumal der Beschwerdeführer in seinen Eingaben keine Rechtsverletzung in einem subjektiven Recht durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren behauptet, sondern nach rechtskräftiger Verfahrenseinstellungvorgenommene Handlungsweisen der Anklagebehörde beanstandet, wären die von ihm erhobenen Einsprüche wegen Rechtsverletzung und der damit verbundene Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung vom Erstgericht bereits nach § 107 Abs 1 erster Satz StPO als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Wie vom Erstgericht bereits zutreffend dargelegt handelt es sich bei dem bei erstmaliger Befassung des Landesgerichts anzulegenden Handakt um einen Geschäftsbehelf des Landesgerichts, der weder der Staatsanwaltschaft noch dem Rechtsmittelgericht vorzulegen ist (§ 507a Abs 1 erster und zweiter Satz Geo) und somit nicht Bestandteil des Ermittlungsverfahrens ist. Demgemäß erging auch die diesbezügliche Zurückweisung des Antrags auf Einsicht in den - dem Beschwerdevorbringen zuwider in seinen Eingaben konkret bezeichneten - Handakt der Haft- und Rechtsschutzrichterin zu Recht.

Da die angefochtenen Beschlüsse somit der Sach- und Rechtslage entsprechen, war den Beschwerden - denen bereits nach dem Gesetz aufschiebende Wirkung zukommt (§ 107 Abs 3 StPO) - ein Erfolg zu versagen.