32Bs81/25h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* wegen Nichtgewährung eines Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (im Weiteren: eüH) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 13. Jänner 2025, GZ 25 Bl 81/24b-4, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht einer Beschwerde des A* gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt ** vom 16. Oktober 2024, GZ **, mit dem sein Antrag auf Vollzug des unbedingten Teils (acht Monate) der vom Landesgericht Klagenfurt mit Urteil vom 15. Jänner 2021, AZ **, verhängten teilbedingten Freiheitsstrafe sowie der mit Urteil desselben Gerichts vom 6. Juli 2023, AZ **, ausgesprochenen Unrechtsfolge von einem Monat in Form des eüH abgewiesen worden war (ON II im eüH-Akt), nicht Folge.
Begründend führte das Erstgericht – zusammegefasst wiedergegeben - aus, dass sich der HVSV-Abfrage vom 28. November 2024 entnehmen lasse, dass A* seit 25. Oktober 2024 bei der ÖGK als arbeitslos gemeldet sei und als Bezieher der bedarfsorientierten Mindestsicherung 331,56 Euro monatlich beziehe. Davor habe es im Jahr 2024 drei kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse (31. Mai 2024 bis zum 31. Mai 2024; 15. April 2024 bis 15. Mai 2024; 5. bis 14. März 2024) gegeben. Zuvor sei er zunächst Bezieher von Arbeitslosengeld und danach der Notstandshilfe/Überbrückungshilfe gewesen. Es sei ihm sohin seit der Antragseinbringung am 30. Dezember 2022 nicht gelungen, bis zur Bescheiderlassung eine geeignete Beschäftigung mit hinreichendem Einkommen nachzuweisen, sodass der Antrag vom Leiter der Justizanstalt Klagenfurt zu Recht abgewiesen worden sei.
Weiters spräche auch die mehrfach zugesicherte und nicht eingehaltene Vorlage von Einstellungszusagen und Dienstverträgen sowie das Nichterscheinen zum Parteiengehör gegen die erforderliche Paktfähigkeit, weswegen auch mit Blick auf das konstatierte Rückfallrisiko betreffend häusliche Gewalt Missbrauchsgefahr anzunehmen sei.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A*, der ausführt, dass er eine mündliche Zusage für eine Arbeit gehabt habe, die im Jänner beginnen hätte sollen. Der Arbeitsbeginn habe sich seitens der Firma wegen Firmenaufträgen auf Ende März oder Anfang April verschoben. Betreffend häusliche Gewalt gäbe es kein Risiko, da alles nur ein Missverständnis gewesen sei. Er werde seinen Arbeitsvertrag, sobald er ihn habe, nachreichen. Er bitte daher, ihm einen eüH zu gewähren oder seine Haftstrafe in eine Bewährungs- oder Geldstrafe umzuwandeln. Er habe seit seiner Verurteilung wieder vermehrt Angstzustände und Depressionen. Er würde auch seine Kinder verlieren, wenn er die Haftstrafe antreten müsse. Derzeit versuche er sein Leben wieder ins Positive zu lenken und es sei damals eine große Dummheit in alkoholisiertem Zustand gewesen, die er heute bitter bereue (ON 6).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 leg. cit. wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, wenn das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Die Bewilligung eines Vollzugs im eüH hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 16a Abs 3 StVG, wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen dieser Vollzugsform abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Dabei zu treffende Ermessensentscheidungen bewirken gemäß § 16a Abs 2 leg. cit. keine Rechtswidrigkeit, insbesondere, weil die Einschätzung, ob die Gefahr besteht, der Verurteilte werde die Vollzugsform des eüH missbrauchen, eine Prognoseentscheidung darstellt, bei welcher den Strafvollzugsbehörden innerhalb der gesetzlichen Parameter ein Beurteilungsspielraum zukommt.
Wesentliches Element des eüH ist gemäß § 156b Abs 1 Z 2 lit b StVG das Ausüben einer geeigneten Beschäftigung, wobei diese Tätigkeit der Resozialisierung zu dienen hat ( Drexler / Weger, StVG 5 § 156c Rz 10 f mwN). Zum Begriff geeigneter Beschäftigung zählt ua, dass der Strafgefangene mit einer festen Arbeitsstruktur konfrontiert ist. Weiters soll ihm durch verpflichtende Einhaltung bestimmter arbeitsmäßiger Zeitvorgaben ermöglicht werden, eine (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsprozess zu fördern ( Drexler / Weger , aaO Rz 10/3).
Die Vollzugsform des eüH setzt ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Kooperationsbereitschaft voraus. Im Rahmen der nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG aufzustellenden Risikoprognose hinsichtlich eines Missbrauchs des eüH stellen bereits begangene strafbare Handlungen Risikofaktoren dar, die gemäß § 156c Abs 1 Z 4 StVG neben den Wohnverhältnissen und dem sozialen Umfeld des Verurteilten in die Beurteilung der Missbrauchsgefahr einzufließen haben. Darüber hinaus sind etwa die Gefährlichkeit des Betroffenen, Art und Beweggrund der Anlasstat oder früherer Verurteilungen, der nunmehrige Lebenswandel und die Chancen auf ein redliches Fortkommen nach der Haft als weitere Aspekte zu berücksichtigen. Dabei besteht für die Strafvollzugsbehörden ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen die Entscheidung anhand der gesetzlichen Kriterien zu begründen ist ( Drexler/Weger , aaO § 156c Rz 14 mwN).
Die Gewährung eines eüH ist mit einem entsprechenden Vertrauensvorschuss verbunden, zumal keine dem geschlossenen Vollzug vergleichbare physische Überwachungsmöglichkeit besteht. Missbrauchsgefahr liegt demnach dann vor, wenn jeweils aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Verurteilter den eüH zur Begehung einer strafbaren Handlung ausnützt, flüchten wird oder diese Vollzugsform im konkreten Fall sonst nicht mit den Vollzugszwecken (§ 20) in Einklang gebracht werden kann ( Drexler/Weger, aaO Rz 15 mwN). Gefahrenträchtig ist etwa eine negative Verlässlichkeitsprognose, wenn also der Antragsteller eine nur mangelnde Kooperationsbereitschaft bzw. Paktfähigkeit zeigt ( Drexler/Weger, aaO Rz 15/1 mwN).
Fallkonkret ging das Erstgericht davon aus, dass auch nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung eine geeignete Beschäftigung nicht bestehe (vgl BS 10). Eine geeignete Beschäftigung muss (längstens) zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts für den Zeitpunkt des Haftantritts vorliegen ( Walser , Recht und Wirklichkeit des eüH, S. 140; OLG Wien AZ 32 Bs 265/24s, AZ 32 Bs 276/24h) u.v.a.), was dem Umstand geschuldet ist, dass das Erstgericht Neuerungen zu berücksichtigen hat. Nachdem der Verurteilte in seiner Beschwerde weder behauptet, am 13. Jänner 2025 (Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstgerichts) einer geeigneten Beschäftigung nachgegangen zu sein noch dass das Erstgericht zu seiner Beschäftigungssituation von unrichtigen Annahmen ausgegangen sei, begegnet die Entscheidung des Erstgerichts – das seine Feststellungen aus aktenkundigen Umständen ableitete - keinen Bedenken.
Darüber hinaus hat das Erstgericht die vorzunehmende Ermessensentscheidung nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG mit Blick auf die mehrfach zugesicherte Vorlagen von Einstellungszusagen und Dienstverträgen, die nicht eingehalten worden sind, sowie das Nichterscheinen zum Parteiengehör nicht außerhalb des gesetzlichen Rahmens bzw in unvertretbarer Weise getroffen, stellt doch - wie bereits ausgeführt - die Annahme mangelnder Kooperationsbereitschaft bzw Paktfähigkeit eine tragfähige Grundlage für die Annahme einer negativen Verlässlichkeitsprognose dar.
Da die in §§ 156b und 156c StVG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines eüH nach den Intentionen des Gesetzgebers kumulativ vorliegen müssen, wobei das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen zur Ablehnung des Antrags führt ( Drexler/Weger , StVG 5 § 156d Rz 5 mwN), war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.