32Bs22/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Dezember 2024, GZ *, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen .
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Der Antrag, das „erkennende § 21 StGB Maßnahme Gericht“ zu verständigen, wird zurückgewiesen .
Text
Begründung
Mit dem bekämpften Beschluss wies das Vollzugsgericht unter Verweis auf die herrschende Judikatur einen Antrag des A* vom 25. November 2024 auf Verfahrenshilfe, eingelangt beim Erstgericht am 28. November 2024, zurück.
Dagegen richtet sich der als Beschwerde anzusehende Schriftsatz des A* vom 10. Jänner (richtig:) 2025 (arg : „Bezug *-Beschluss vom 20.12.2024“ [ON 13]), der auch einen neuen Antrag auf umfassende Verfahrenshilfe für alle Rechtsschritte/Mittel einschließlich aller obergerichtlichen Instanzen OGH, EUGH, EGMR, etc sowie Beigabe eines fachlichen Verfahrenshelfers gemäß § 61 Abs 2, 4 StPO iVm Art 47 GRC Art 3, 5.1, 6c, 13 EMRK enthält. Das Erstgericht missachte § 61 Abs 2, 4 StPO sowie „die Beschlüsse des OGH und VwGH“ .
Ein Anspruch auf Verfahrenshilfe ergebe sich auch aus Pieber in WK 2 StVG § 17 Rz 1 und aus der Maßnahmenstudie BMJ-V730301/0061-III 1/2014, S 48. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH habe jeder in einer Maßnahme Angehaltene das Recht auf Verfahrenshilfe (OGH, 9 Nds 144/83; RIS-Justiz RS0049099 [T2], 1 N 506/99; RIS-Justiz RS0014643, 8 Ob 177/64). Der VwGH vertrete die Auffassung, dass die Bestimmungen der StPO über die Bewilligung der Verfahrenshilfe analog anwendbar seien (VwGH 2008/06/0141). Insgesamt gelte die StPO laut OGH in allen Fällen, in denen das StVG keine lex specialis Regelung vorsehe.
Weiters sei das Erstgericht nicht in der Lage, die causa explizit zu benennen, da mit genanntem Datum 28. November 2024 im Postbuch der Justizanstalt kein Postversand an das Landesgericht für Strafsachen Wien verzeichnet sei.
Eine Verweigerung der Verfahrenshilfe zeige, dass das Gericht Angehaltenen gemäß § 21 StGB zubillige, sich selbst verteidigen zu können. Dies schließe eine geistige, seelische Abnormität höheren Grades jedoch alleine schon von ihrem Wortsinn her aus. Gehe das Gericht weiterhin von Verweigerung der Verfahrenshilfe aus, gelte als beantragt, umgehend das Landesgericht für Strafsachen Graz als erkennendes § 21 StGB Maßnahmengericht von Amts wegen in Kenntnis zu setzen, dass niemals eine geistige Abnormität höheren Grades vorgelegen habe bzw. vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist nicht im Recht.
Verfahrenshilfe ist im gegenständlichen Verfahren nicht vorgesehen, weil die Strafprozessordnung in den Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfaltet, sodass allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen (RIS-Justiz RW0000767; Pieber in WK² StVG § 17 Rz 19; Drexler/Weger , StVG 5 § 17 Rz 7). Mangels subsidiärer Wirkung der StPO kommt die Bestimmung des § 61 StPO somit nicht zur Anwendung .
Auch aus dem vom Beschwerdeführer zitierten Erlass BMJ-V70301/0061-III 1/2014 (Titel: Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug, Bericht an den Bundesminister für Justiz über die erzielten Ergebnisse) lässt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen, zumal dort lediglich die Empfehlung ausgesprochen wird, dass bei Untergebrachten gemäß § 21 Abs 2 StGB im Entlassungsverfahren das Erfordernis der notwendigen Verteidigung (iSd § 61 StPO) ab dem Zeitpunkt des urteilsmäßigen Strafendes, bei Untergebrachten gemäß § 21 Abs 1 StGB ab einer Unterbringung von drei Jahren, bestehen soll (vgl S 76 des angesprochenen Berichts). Soweit der Beschwerdeführer auf S 48 dieser Studie verweist, ist daraus nichts für seinen Standpunkt zu gewinnen, weil dort die Qualität der Gutachten zur Zurechnungsfähigkeit und Gefährlichkeitsprognose in den Verfahren zur Unterbringung und zur bedingten Entlassung abgehandelt wird. Soweit S 49 dieser Studie gemeint sein soll, wonach der EGMR die Pflicht der Mitgliedsstaaten annehme, für psychisch kranke Menschen im Maßnahmenvollzug eine anwaltliche Vertretung bereitzustellen, übergeht A*, dass sich die dazu zitierte Rechtsprechung des EGMR Megyeri vs. Germany , 12/05/1992 (13770/88) und Magalhaes Pereira vs. Portugal , 26/02/2002 (44872/98) und Literatur ( Nowak/Krisper , Der österreichische Maßnahmenvollzug und das Recht auf persönliche Freiheit, EuGRZ 2013, 650 ff insb 661) auf Verfahren zur Fortsetzung, Aussetzung oder Beendigung der Haft bzw Entlassungsverfahren beziehen. Ein solches Verfahren liegt fallkonkret aber nicht vor.
Aus den weiters in der Beschwerde zitierten Rechtssätzen RS0014643 und RS0049099 sowie den Entscheidungen, 1 N 506/99 und 8 Ob 177/64, die jeweils zu Bestimmungen des ABGB und der ZPO ergangen sind, lässt sich – entgegen der Rechtsansicht des A* – keineswegs ableiten, dass der Oberste Gerichtshof jedem in der Maßnahme Angehaltenen das Recht auf Verfahrenshilfe einräumt. Gleiches gilt für die Entscheidung 9 Nds 144/83 (gemeint: 9 Nds 144/82). Die vom Beschwerdeführer für seine Rechtsansicht weiters ins Treffen geführte Stelle im WK² StVG § 17 Rz 1 sowie die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof vom 9. September 2008, Zl 2008/06/0141, beziehen sich auf das Verfahren des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 2 StVG; im (fallkonkret vorliegenden) Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3 und 16a StVG gilt die StPO hingegen nicht (vgl Pieber in WK² StVG § 17 Rz 1 und 19).
Aus diesen Gründen war auch der neuerliche Antrag auf Verfahrenshilfe zurückzuweisen.
Der von A* gestellte Antrag, das Landesgericht für Strafsachen Graz als erkennendes „§ 21 StGB Maßnahme Gericht“ von Amts wegen in Kenntnis zu setzen, dass niemals eine „geistige, seelische Abnormität“ höheren Grades vorgelegen habe bzw vorliege, ist dem Gesetz fremd (vgl Oberlandesgericht Wien, AZ 32 Bs 138/24i).
Nachdem der Antrag des A* auf Verfahrenshilfe mit 25. November 2024 datiert ist und am 28. November 2024 beim Landesgericht für Strafsachen Wien einlangte (ON 9 S 1) - wie auch das Erstgericht in seiner Begründung vermerkte (BS 1) - wurde tatsächlich über den Antrag vom 25. November 2024 abgesprochen und nicht über einen Antrag – wie im Spruch fälschlich vermerkt - vom 28. November 2024 entschieden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.