JudikaturOLG Wien

32Bs16/25z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH) über die Beschwerde des Genannten sowie über die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 27. November 2024, GZ *, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen .

Begründung:

Text

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Vollzugsgericht eine am 1. Oktober 2024 per E-Mail eingebrachte Beschwerde (ON 1.2) des A* gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt ** vom 6. September 2024, GZ **, mit dem dessen Antrag auf Vollzug der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. August 2023 (rechtskräftig seit 5. September 2023), AZ **, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten in Form des eüH abgewiesen worden war (ON 4.8), als unzulässig zurück (ON 6).

Begründend führte das Erstgericht unter Verweis auf § 84 Abs 2 StPO zusammengefasst aus, dass eine Einbringung der Beschwerde per E-Mail nicht zulässig sei.

Dagegen richten sich die rechtzeitigen Beschwerden des A* (ON 10) sowie der Bundesministerin für Justiz (ON 8.1), die jeweils darauf verweisen, dass die Vollzugsbehörde erster Instanz ebenso wie das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG primär die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des StVG, subsidiär jene des AVG (und teilweise des VStG) anzuwenden hätten, die StPO jedoch keine subsidiäre Wirkung entfalte, weshalb auch § 84 Abs 2 StPO nicht anwendbar sei.

Gemäß § 120 Abs 2 letzter Satz StVG seien Beschwerden schriftlich oder zu der vom Anstaltsleiter festzusetzenden Tageszeit mündlich bei dem hiefür zuständigen Strafvollzugsbediensteten einzubringen.

§ 13 Abs 2 AVG lege für schriftliche Anbringen fest, dass diese der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden könnten, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen seien. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs seien im Internet bekanntzumachen.

Die Bundesministerin für Justiz führt in ihrer Amtsbeschwerde (ON 8.1) weiters aus, dass das Erstgericht zu einer derartigen Beschränkung des elektronischen Verkehrs keine Feststellungen getroffen habe, weshalb nicht abschließend beurteilt werden könne, ob eine Einbringung der schriftlichen Beschwerde per E-Mail zulässig gewesen sei. Der angefochtene Beschluss sei daher mit Rechtswidrigkeit behaftet und aufzuheben.

A* führt in seiner Beschwerde (ON 10) überdies aus, dass auch der verfahrenseinleitende Antrag per E-Mail eingebracht und in der Folge inhaltlich behandelt worden sei. Auch der ablehnende Bescheid führe in der Kopfzeile die E-Mail-Adresse der zuständigen Abteilung der Justizanstalt an und im Internet liege keine Bekanntmachung vor, wonach für den elektronischen Verkehr besondere Ermittlungsformen (gemeint wohl: Übermittlungsformen) vorgesehen wären.

Aufgrund der Zurückweisung sei keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der Beschwerde erfolgt, sondern lediglich auf die Vorstrafenbelastung und vermeintliche Verstöße gegen eine einstweilige Verfügung abgestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.

Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern ( Pieber in WK 2 StVG § 16a Rz 5; Drexler/Weger , StVG 5 § 16a Rz 2).

Wie von den Beschwerdeführern jeweils zutreffend ausgeführt entfaltet die Strafprozessordnung in den Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung, sodass neben dem StVG selbst allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung kommen (RIS-Justiz RW0000767; Pieber in WK² StVG § 17 Rz 19; Drexler/Weger , StVG 5 § 17 Rz 7). Mangels subsidiärer Wirkung der StPO kommt demnach auch die Bestimmung des § 84 Abs 2 StPO nicht zur Anwendung .

Der gemäß § 17 Abs 2 StVG anwendbare § 13 AVG sieht vor, dass - soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden können. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen (Abs 1 leg cit). Dabei können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen (Abs 2 leg cit).

Die Einbringung eines Anbringens per E-Mail kann also ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss setzt aber nach dem Wortlaut des Gesetzes voraus, dass den Beteiligten eine andere („besondere“) elektronische Übermittlungsform (zB eine Einbringung mittels Webformular) angeboten wird und die Voraussetzungen und Beschränkungen der elektronischen Übermittlung im Internet bekanntgemacht werden. Fehlt eine solche Bekanntmachung oder verwendet ein Einbringer eine solcherart kundgemachte E-Mailadresse, ist seine Eingabe wirksam eingebracht (VwGH Ra 2024/02/0049; vgl auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 10f).

Der Homepage der Justizanstalt ** lässt sich eine Bekanntmachung besonderer Übermittlungsformen iSd § 13 Abs 2 AVG nicht entnehmen, sodass nach dem Vorgesagten Eingaben per E-Mail (bei Verwendung einer Standardsoftware ; vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 10/1) grundsätzlich zulässig sind. A* hat seine Beschwerde überdies durch Übermittlung an eine von der Behörde selbst – durch Anführung auf dem bekämpften Bescheid (ON 4.8 S 1) – als Kontaktadresse bekannt gegebene E-Mailadresse eingebracht, sodass die Beschwerde – wie von der Anstaltsleitung zutreffend angenommen (ON 1.1 S 1) – entgegen den erstgerichtlichen Ausführungen form- und fristgerecht erfolgt ist.

Die schließlich auch inhaltlich auf die Entscheidung der Leitung der Justizanstalt ** eingehenden Ausführungen des Erstgerichts lassen nicht nur jegliche Auseinanderetzung mit dem Beschwerdevorbringen vermissen, sondern sind insbesondere ohne jegliche Prüfung der Verfahrensergebnisse – so findet sich beispielsweise weder das Protokoll über das Parteiengehör, auf dessen Inhalt sich das Erstgericht (in inhaltlicher Übereinstimmung mit dem Anstaltsleiter) stützt, im Akt, noch die gegen den Beschwerdeführer in einem anderen Verfahren erlassene einstweilige Verfügung, gegen die dieser verstoßen haben soll, sowie die Dokumentationen dieser Verstöße, wobei auch eine digitale Einsichtnahme in diesen Akt (und für den Fall der Einsichtnahme deren Ergebnis) nicht aktenkundig ist - erfolgt, und beschränken sich im Wesentlichen auf eine bestätigende Wiedergabe der Bescheidbegründung. Diese Ausführungen sind daher nicht geeignet, eine abweisliche Entscheidung – wie vom Erstgericht offenbar intendiert - zu tragen, sodass eine Aufhebung des Beschlusses sowie die Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung, insbesondere durch Beischaffung sämtlicher Ermittlungsergebnisse, unumgänglich ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

Rückverweise