JudikaturOLG Wien

29Ns13/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
08. April 2025

Kopf

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Lehmayer fasst über die im Verfahren A* (B*) des C* erhobene Anzeige der Ausgeschlossenheit durch den Präsidenten dieses Gerichtshofs Dr. D* den

Beschluss:

Spruch

Der Präsident, der Vizepräsident und alle übrigen Richter:innen des C* sind vom Verfahren A* ausgeschlossen.

Die Strafsache wird dem E* übertragen.

Text

Begründung:

Gegen F* liegt ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft G* vom 15. November 2024, AZ H*, GZ A*15 des C*, wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach §§ 15, 107 Abs 1 StGB und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 StGB vor. Damit wird ihm zur Last gelegt, er habe in ** durch nachgenannte Postings auf seinem öffentlich sichtbaren Account im sozialen Netzwerk Facebook

I. Nachgenannte gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper zu bedrohen versucht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die Drohung den intendierten Adressaten nicht zur Kenntnis gelangte, und zwar

1. am 9. August 2024 den Bürgermeister der Stadt ** Mag. I*, indem er schrieb „Nur weil das ** Gesindel in ** nicht wirtschaften kann, muss ich Strafe zahlen!!! / Hauptsache der neue nicht gewählte Bürgermeister bekommt ein neues E-Auto. / Du wirst daran nicht lange erfreuen. / Der Teufel schläft nie!!!“;

2. am 11. September 2024 MitarbeiterInnen der Justizbehörden in **, indem er schrieb „Ihr könnt die schwarze Fahne beim Gericht in ** oben lassen werden noch mehrere folgen!!! / Die selbe Farbe wie Odins Raben.“ , nachdem er unmittelbar zuvor am 10. September 2024 ein Posting mit dem Inhalt „So wie es aussieht wollen viele Personen von Politik und Justiz es wissen. / Jeder Mensch hat ein Ablaufdatum, nun ist es soweit!!! Fürchtet euch nicht, jeder muss sterben!!! Lucifer holt euch jetzt einem nach dem anderen!!! Euch braucht keiner mehr!!! / Koruppt, verlogen, usw …“ verfasst hatte;

II. am 30. Oktober 2024 eine Behörde, und zwar den Magistrat der Stadt **, durch Drohung mit Gewalt zu einer Amtshandlung, und zwar zur Ausfolgung von Waffen, die ihm zuvor aufgrund eines Waffenverbots abgenommen und sichergestellt worden waren, zu nötigen versucht, indem er schrieb „Ich WILL meine Sachen zurück ( flott)!!! / Wurfmesser, Säbel, etc. / Niemand hat ungefragt in meinem Kofferraum etwas zum suchen.(Politiker, Justiz und Trachtenverein!!! / Jetzt könnt ihr einen Narren erleben dem alles Wurscht ist. / Der Teufel soll euch holen, denn ich kenne keine Gnade mehr. Lasse mir Zeit damit verbal als auch körperlich ihr Arschlöcher!!! / Ihr seid mir sowas von scheiss egal. Egal wen ihr kennt, welches Amt, Position, Titel und so weiter ihr inne habt. Es gibt auch lustige Narren!!!“ , wobei die Drohung dem Magistrat am 04.11.2024 zur Kenntnis gelangte und es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die Forderung nicht erfüllt wurde.

Mit Schreiben vom 2. April 2025 zeigte die zuständige Einzelrichterin Mag. J* dem Präsidenten ihres Gerichtshofs ihre Befangenheit nach § 43 Abs 1 Z 1 StPO an, weil sich die angeklagte Drohung (Punkt I.2.) explizit gegen Mitarbeiter:innen der Justizbehörden in **, sohin auch gegen sämtliche Richter:innen des C* richte. Obwohl sie sich subjektiv nicht befangen sehe, könne auch objektiv der Eindruck einer Befangenheit entstehen, wenn eine Richterin/ein Richter das Hauptverfahren gegen einen Angeklagten leiten soll, obwohl sie/er selbst Opfer der Drohung geworden sei.

Sodann zeigte der Präsident des C* Dr. D* mit Schreiben vom 3. April 2025 zu dg B* seine Ausgeschlossenheit und jene sämtlicher Richter:innen seines Gerichtshofs an.

Rechtliche Beurteilung

Ein Richter ist vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn 1. er selbst oder einer seiner Angehörigen (§ 72 StGB) im Verfahren Staatsanwalt, Privatankläger, Privatbeteiligter, Beschuldigter, Verteidiger oder Vertreter ist oder war oder durch die Straftat geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn die Ehe nicht mehr besteht, 2. er außerhalb seiner Dienstverrichtungen Zeuge der in Frage stehenden Handlung gewesen oder in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist oder vernommen werden soll oder 3. andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

Durch die Norm der Z 1 werden bestimmte verfahrensrechtliche Stellungen per se – also unabhängig von weiteren Erwägungen – zu Umständen erklärt, die geeignet sind, Zweifel an der Objektivität des Betroffenen zu wecken. Dabei ist es gleichbedeutend, ob eine solche Stellung dem Richter selbst oder einem seiner Angehörigen zukommt. Die Frage nach einer ausschließenden Prozessrolle ist aber stets verfahrensbezogen zu beantworten. Der potentiell Geschädigte ist unabhängig davon ausgeschlossen, ob er sich dem Verfahren als Privatbeteiligter (§ 65 Z 2 StPO) angeschlossen hat. Wesentlich ist, dass die Ausschließung eine mögliche Schädigung durch die betreffende Straftat voraussetzt (vgl Lässig in WK-StPO § 43 Rz 1 und 5 mwN).

Ausgeschlossen ist ein Richter weiters unter anderem dann, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Dazu genügt bereits der Anschein seiner Befangenheit. Es müssen Anhaltspunkte gegeben sein, die bei einem unbeteiligten objektiven und emotionslos urteilenden Beobachter den Eindruck der (möglichen) Befangenheit, also einer auf unsachlichen Motiven beruhenden Beeinflussbarkeit hervorrufen können (RISJustiz RS0046052).

Nach ständiger Rechtsprechung liegt Befangenheit somit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern es genügt der äußere Anschein einer Hemmung vor unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente (K* mwN). Befangenheit ist somit entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen kann (RS0114514 [T1]).

Aufgrund des aufgezeigten Umstands ist somit von einer Befangenheit sämtlicher Richter:innen des C* (einschließlich dessen Präsident und Vizepräsident) sowohl nach Z 1 als auch nach Z 3 des § 43 Abs 1 StPO auszugehen, weshalb auf Ausschließung zu erkennen war.

Gemäß § 45 Abs 2 StPO ist bei wie vorliegend erfolgter Ausschließung sämtlicher Richter:innen eines Gerichts das Gericht zu benennen, dem die Sache übertragen wird. Aufgrund der Verteilungsgerechtigkeit war die Übertragung an das E* geboten.

Gegen diesen Beschluss steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu (§ 45 Abs 3 StPO).