JudikaturOLG Wien

29Ns12/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
08. April 2025

Kopf

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Lehmayer fasst über die im Verfahren A* (B*) des Landesgerichts G* erhobene Anzeige der Ausgeschlossenheit durch [den Präsidenten/die Präsidentin] dieses Gerichtshofs Dr. C* den

Beschluss:

Spruch

[Der Präsident/die Präsidentin], [der Vizepräsident/ die Vizepräsidentin] und alle übrigen Richter:innen des Landesgerichts G* sind vom Verfahren A* ausgeschlossen.

Die Strafsache wird dem Landesgericht H* übertragen.

Text

Begründung:

Gegen D* liegt ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft G* vom 31. März 2025, AZ **, GZ A*3 des Landesgerichts G*, wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB vor. Mit diesem wird ihm zur Last gelegt, er habe am 22. Februar 2025 seine Ex-Freundin E* durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu nötigen versucht, ** zu verlassen.

Mit Schreiben vom 1. April 2025 zeigte die zuständige Einzelrichterin Mag. F* [dem Präsidenten/der Präsidentin] ihres Gerichtshofes ihre Befangenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO an, weil es sich beim Opfer und der relevanten Belastungszeugin E* um eine Mitarbeiterin des Landesgerichts G* (in der **abteilung) handle, sodass im Hinblick auf deren Tätigkeit am Landesgericht G* einerseits der objektive Anschein der Befangenheit bestehe, der zweifellos bei sämtlichen Richter:innen dieses Gerichtshofs gegeben sei, und andererseits sie sich auch subjektiv als befangen ansehe.

Sodann zeigte [der Präsident/die Präsidentin] des Landesgerichts G* Dr. C* mit Schreiben vom 3. April 2025 zu dg B* [seine/ihre] Ausgeschlossenheit und jene sämtlicher Richter:innen [seines/ihres] Gerichtshofs an und führte aus, [er/sie] führe regelmäßig Gespräche auch mit den Mitarbeiteinnen der **abteilung, [er/sie] fühle sich auch subjektiv befangen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 45 Abs 1 StPO hat über die Ausschließung derjenige Richter zu entscheiden, dem sie nach § 44 Abs 2 StPO anzuzeigen ist, über die Ausgeschlossenheitsanzeige [des Präsidenten/der Präsidentin] des Landesgerichts G* und damit verbunden [des Vizepräsidenten/der Vizepräsidentin] und sämtlicher an diesem Gerichtshof tätigen Richter:innen hat daher die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden.

Eine Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO liegt vor.

Ausgeschlossen ist ein Richter unter anderem dann, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Dazu genügt bereits der Anschein seiner Befangenheit. Es müssen Anhaltspunkte gegeben sein, die bei einem unbeteiligten objektiven und emotionslos urteilenden Beobachter den Eindruck der (möglichen) Befangenheit, also einer auf unsachlichen Motiven beruhenden Beeinflussbarkeit hervorrufen können (RISJustiz RS0046052).

Nach ständiger Rechtsprechung liegt Befangenheit somit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern es genügt der äußere Anschein einer Hemmung vor unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente (** mwN). Befangenheit ist somit entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen kann (RS0114514 [T1]).

Aufgrund des aufgezeigten Umstands, dass es sich bei dem Opfer (und Hauptbelastungszeugin) um eine Mitarbeiterin des Landesgerichts G* handelt, zu der seitens der Richter:innen des Landesgerichts G* intensive dienstliche Kontakte bestehen, ist von einer strukturellen Befangenheit der Richter:innen des Landesgerichts G* (einschließlich dessen Präsident/Präsidentin und Vizepräsident/Vizepräsidentin) auszugehen, weil bei Außenstehenden der Anschein der Befangenheit aufkommen könnte, andererseits auch die Richter:innen zum Teil subjektiv befangen sein können bzw sind, weshalb auf Ausschließung zu erkennen war.

Gemäß § 45 Abs 2 StPO ist bei wie vorliegend erfolgter Ausschließung sämtlicher Richter:innen eines Gerichts das Gericht zu benennen, dem die Sache übertragen wird. Insbesondere aufgrund der räumlichen Nähe und der Verteilungsgerechtigkeit war die Übertragung an das Landesgericht H* geboten.

Gegen diesen Beschluss steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu (§ 45 Abs 3 StPO).