20Bs329/24i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen § 153c Abs 1 StGB über dessen Berufung wegen Nichtigkeit und Strafe gegen das (Abwesenheits-)Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 7. Oktober 2024, GZ B*-880.4, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 61 StPO wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 7. Oktober 2024, GZ B*-880.4, wurde A* des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträ- gen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB schul-dig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen à neun Euro (Ersatzfreiheits- strafe: 90 Tage) verurteilt. In der Berufungsverhandlung am 11. März 2025 gab er an, sich aufgrund seiner finanziellen Situation keinen Verteidiger leisten zu können; erst letzte Woche habe er sein Geschäft zusperren müssen, weshalb er für das gegenständliche, aber auch das zu AZ 20 Bs 286/24s geführte Verfahren, die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers beantrage. In der Berufungsverhandlung wurde der Angeklagte mehrfach und eindringlich auf das Erfordernis hingewiesen, binnen einer Woche dem Berufungsgericht ein vollständig ausgefülltes, mittels beigeschlossener Belege überprüfbares und wahrheitsgemäßes Vermögensverzeichnis, das sämtliche seiner Einkünfte, sein gesamtes, auch im Ausland befindliches Vermögen sowie sämtliche finanziellen Verpflichtungen enthalte, zu übermitteln. Nachdem das in der Folge am 21. März 2025 gerichtlich eingelangte Vermögensverzeichnis (ON 28 im Verfahren zu AZ 20 Bs 286/24s) lediglich Angaben zur Person, jedoch – von einem Girokonto abgesehen – keinerlei sonstige Angaben enthielt, sich insbesondere über im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach genannte Vermögenswerte ausschwieg, wurde A* mit Note vom 24. März 2025 aufgefordert, seine Angaben zu ergänzen und entsprechende Belege beizuschließen (ON 29 im Verfahren zu AZ 20 Bs 286/24s). Die ihm dabei gesetzte Frist ließ er kommentarlos verstreichen (ON 29f).
Rechtliche Beurteilung
Nach § 61 Abs 2 erster Satz StPO ist einem Beschuldigten/Angeklagten, der außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn oder seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, auf Antrag in den Fällen der Z 2 auch nach Ermessen des Gerichts von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs 1a StPO) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist.
Ausgehend davon, dass der über eine britische Staatsangehörigkeit verfügende Angeklagte anlässlich mehrerer Vernehmungen im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. ON 155.2, 2, 4; ON 156.2; ON 189; ON 373) angab, in der Türkei zwei als Investment dienende Eigentumswohnungen sowie in der Türkei und in Großbritannien Privatkonten zu besitzen, jedoch keine privaten Schulden und Kredite zu haben, im Zuge des nunmehr vorgelegten Vermögensverzeichnisses jedoch seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht preisgab, sondern lediglich ein Konto mit einem Einlagenstand von 550 Euro anführte, und trotz gerichtlicher Aufforderung nicht bereit war, seine Angaben zu vervollständigen, ist nicht einmal dessen Bedürftigkeit im Sinne des § 61 Abs 2 StPO belegt. Mit Blick auf die Strafdrohung des A* zu AZ 20 Bs 329/24i zur Last gelegten Vergehens (§ 153c Abs 1 StGB) und mangels Vorliegens eines Urteils eines Schöffen- oder Geschworenengerichts liegt auch kein Fall einer notwendigen Verteidigung (§ 261 Abs 1 StPO) vor. Ebenso wenig ist eine Schutzbedürftigkeit nach § 61 Abs 2 Z 2 StPO gegeben und liegt auch keine schwierige Sach und Rechtslage nach § 61 Abs 2 Z 4 StPO vor.
Somit war dem Antrag ein Erfolg zu versagen.