29Ns11/25x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien Mag. Lehmayer fasst über die im Verfahren A* (B*) des Landesgerichts ** erhobene Anzeige der Ausgeschlossenheit durch den Präsidenten dieses Gerichtshofs C* den
Beschluss:
Spruch
Der Präsident, der Vizepräsident und alle übrigen Richter:innen des Landesgerichtes ** sind vom Verfahren A* ausgeschlossen.
Die Strafsache wird dem Landesgericht ** übertragen.
Text
Begründung:
Gegen D* liegt ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft ** vom 31. März 2025, AZ **, GZ A*5 des Landesgerichts **, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB uaD vor. Zusammengefasst und fallrelevant wird dem Angeklagten ua zur Last gelegt, er habe am 2. März 2025 in ** E* F* gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit dem Anzünden der Wohnung, mit Körperverletzungen etc drohte.
Mit Schreiben vom 1. April 2025 zeigte die zuständige Einzelrichterin G* dem Präsidenten ihres Gerichtshofs ihre Befangenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO an, weil es sich beim Opfer und der relevanten Belastungszeugin E* F* um die Tochter der Vorsteherin des Bezirksgerichts **, H* F* , handle, mit welcher sie kollegial sehr verbunden sei, weshalb bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein einer Befangenheit gegeben sei und sie sich darüber hinaus auch persönlich als subjektiv befangen erachte.
Sodann zeigte der Präsident des Landesgerichts ** C* mit Schreiben vom 1. April 2025 zu dg B* seine Ausgeschlossenheit und jene sämtlicher Richter:innen seines Gerichtshofs an und führte aus, er kenne das Opfer zwar nicht persönlich, es bestehe aber mit dessen Mutter, der Vorsteherin des Bezirksgerichts ** F* eine intensive Zusammenarbeit, diese sei auch Mitglied des Personalsenats. Er fühle sich daher auch subjektiv befangen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 45 Abs 1 StPO hat über die Ausschließung derjenige Richter zu entscheiden, dem sie nach § 44 Abs 2 StPO anzuzeigen ist, über die Ausgeschlossenheitsanzeige des Präsidenten des Landesgerichts ** und damit verbunden des Vizepräsidenten und sämtlicher an diesem Gerichtshof tätigen Richter:innen hat daher die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden.
Eine Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO liegt vor.
Ausgeschlossen ist ein Richter unter anderem dann, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Dazu genügt bereits der Anschein seiner Befangenheit. Es müssen Anhaltspunkte gegeben sein, die bei einem unbeteiligten objektiven und emotionslos urteilenden Beobachter den Eindruck der (möglichen) Befangenheit, also einer auf unsachlichen Motiven beruhenden Beeinflussbarkeit hervorrufen können (RISJustiz RS0046052).
Nach ständiger Rechtsprechung liegt Befangenheit somit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern es genügt der äußere Anschein einer Hemmung vor unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente (** mwN). Befangenheit ist somit entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeterweise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen kann (RS0114514 [T1]).
Aufgrund des aufgezeigten Umstands, dass es sich bei dem Opfer (und Hauptbelastungszeugin) um die Tochter der Vorsteherin des Bezirksgerichts ** handelt, zu der seitens der Richter:innen des Landesgerichts ** intensive dienstliche Kontakte bestehen, ist von einer strukturellen Befangenheit der Richter:innen des Landesgerichts ** (einschließlich dessen Präsident und Vizepräsident) auszugehen, weil bei Außenstehenden der Anschein der Befangenheit aufkommen könnte, andererseits auch die Richter:innen zum Teil subjektiv befangen sein können bzw sind, weshalb auf Ausschließung zu erkennen war.
Gemäß § 45 Abs 2 StPO ist bei wie vorliegend erfolgter Ausschließung sämtlicher Richter:innen eines Gerichts das Gericht zu benennen, dem die Sache übertragen wird. Insbesondere aufgrund der räumlichen Nähe und der Verteilungsgerechtigkeit war die Übertragung an das Landesgericht ** geboten.
Gegen diesen Beschluss steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu (§ 45 Abs 3 StPO).