19Bs89/25i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Wilder als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Körber und Mag. Wolfrum, LL.M als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* B* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 4. März 2025, GZ **-19, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die bedingte Entlassung des A* B* mit 5. Juni 2025 angeordnet.
Die Probezeit wird gemäß § 48 Abs 1 StGB mit drei Jahren bestimmt.
Gemäß § 50 Abs 1 StGB wird für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und dem Strafgefangenen gemäß § 51 Abs 1 StGB die Weisung erteilt, ein Antiaggressionstraining zu absolvieren und dessen Antritt binnen sechs Wochen nachzuweisen.
Text
Begründung:
Der am ** geborene A* B* verbüßt derzeit in der Justizanstalt * vier unmittelbar aufeinanderfolgende Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von zwei Jahren und acht Monaten (Verurteilung durch das Bezirksgericht Krems an der Donau, AZ **, wegen §§ 15, 83 Abs 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe; Verurteilungen durch das Landesgericht Krems an der Donau, AZ **, wegen §§ 15, 83 Abs 1, 107 Abs 1 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe, zu AZ ** wegen §§ 107 Abs 1, 83 Abs 1; 15, 105 Abs 1 StGB zu elf Monaten Freiheitsstrafe und zu AZ ** wegen § 107b Abs 1 StGB zu zehn Monaten [Zusatz]Freiheitsstrafe zur letztgenannten Verurteilung [vgl Protokolls- und Urteilsvermerke ON 14 bis ON 17).
Das Strafende fällt auf den 28. September 2025. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedinge Entlassung nach zwei Dritteln der Strafzeit nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG waren am 27. Mai 2024 erfüllt, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG lagen am 27. November 2024 vor (vgl zum letztgenannten Stichtag den die bedingte Entlassung des Genannten ablehnenden Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 3. September 2024, AZ ** [Einsicht VJ]).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen auf bedingte Entlassung vom 4. Februar 2025 (ON 2 [vgl dessen Erklärung ON 7]) aus spezialpräventiven Gründen ab, wobei sich die Staatsanwaltschaft gegen eine bedingte Entlassung aussprach (ON 1.3) und der Anstaltsleiter einer bedingten Entlassung nicht entgegentrat (ON 8, 2).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die im unmittelbaren Anschluss an die Beschlussausfolgung angemeldete, unausgeführt gebliebene Beschwerde des A* B* (ON 20), der Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.
Das Erstgericht stellte im bekämpften Beschluss die für die bedingte Entlassung maßgebliche Norm (§ 46 StGB), die dem Strafvollzug zugrunde liegenden Verurteilungen, das zweifach einschlägig getrübte Vorleben des A* B* samt ihm gewährter Resozialisierungmaßnahmen (bedingte Strafnachsicht, Probezeitverlängerung und bedingte Entlassung), das durch zwei Ordnungswidrigkeiten getrübte Vollzugsverhalten (zuletzt: Alkoholkonsum [0,64 Promille] während eines Ausgangs am 6. April 2024), den Umstand, dass drei nach § 99a StVG gewährte Ausgänge problemlos verliefen, zutreffend dar und verwies unter Zugrundelegung der Stellungnahme des psychologischen Dienstes darauf, dass sich in der Vergangenheit Hinweise zum Beschwerdeführer auf impulsives, zeitweise cholerisch anmutendes Verhalten ergeben haben, er sich aktuell zumeist ruhig, in seltenen Fällen agitiert und theatralisch, jedoch stets höflich zeige, eine Deliktaufarbeitung und tiefergehende Auseinandersetzung mit Deliktdynamiken aufgrund seiner kognitiven und affektiv eingeschränkten Konstitution nach wie vor nicht möglich gewesen sei. Darauf wird identifizierend verwiesen (zur Zulässigkeit vgl 12 Os 137/07z; RIS-Justiz RS0098568).
Mit Neufassung der Voraussetzungen der bedingten Entlassung durch das StRÄG 2008 verfolgte der Gesetzgeber die Zielsetzung, erhöhte Sicherheit bei gleichzeitiger Zurückdrängung der Haftverbüßung zu erreichen. Der Schwerpunkt der Änderungen lag vor allem in der verstärkten Betreuung und Kontrolle nach der Haftentlassung, wobei Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB in den Vordergrund gerückt werden, um in der für Rückfälle kritischen Phase nach der Haftentlassung und Reintegration in die Gesellschaft ein Gegengewicht zu der breiteren Formulierung der Kriterien für die bedingte Entlassung zu schaffen und um durch zu erstellende Prognosen darüber zu befinden, inwieweit durch solche Maßnahmen eine zukünftige Deliktsfreiheit erreicht bzw die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen substituiert werden kann (EBRV 302 BlgNR XXIII.GP, S 7). Der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe soll hingegen auf (Ausnahme-)Fälle des evidenten Rückfallsrisikos beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 46 Rz 17).
Das Erstgericht misst dem Umstand, dass sich A* B* seit über zwei Jahren in Strafhaft befindet (Festnahmezeitpunkt 28. Jänner 2023 [IVV ON 9]) zu wenig Bedeutung zu. Denn davor hat er lediglich einmal, im Jahr 2016 für kurze Zeit (vier Monate) ein Haftübel verspürt (Einsicht VJ zur bedingten Entlassung AZ ** des Landesgerichts Krems an der Donau [Punkt 2 der Strafregisterauskunft]). Darüber hinaus ist nicht zu übersehen, dass sämtliche den Anlassverurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten vor dem 28. Jänner 2023 liegen (vgl die Protokolls- und Urteilsvermerke ON 14 bis ON 17), die Urteile ON 16 und 17 im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen und die A* B* bisher gewährten Resozialisierungsmaßnahmen lange Zeit zurückliegen (vgl Punkt 1 und 2 der Strafregisterauskunft). Auch tritt der Anstaltsleiter, der die Person des Strafgefangenen wohl am besten beurteilen kann, einer bedingten Entlassung nicht entgegen (ON 8).
Der Strafgefangene verfügt über einen sozialen Empfangsraum (vgl ON 18: Ausgänge in Begleitung durch ein Familienmitglied). Als spezialpräventiv ungünstig verbleiben die vom psychologischen Dienst genannten Risikofaktoren (Alkohol, Aggression, histrionische Persönlichkeitsakzentuierung), denen die aktuelle Strafzeit von etwas mehr als zwei Jahren, der wohl deliktsabhaltende Wirkung zugebilligt werden muss, entgegensteht, zumal sich A* B* einverstanden erklärte, an seinen Defiziten zu arbeiten (vgl ON 7).
Damit ist unter Berücksichtigung der deliktsabhaltenden Wirkung der bisher verbüßten Strafzeit eine bedingte Entlassung unter Setzung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB weit besser geeignet, eine neuerliche Straffälligkeit des A* C* hintanzuhalten als der unverkürzte Vollzug der Reststrafe.
Jedoch war zur Vorbereitung des A* B* auf das Leben in Freiheit (§ 152 Abs 1 letzter Satz StVG) der Zeitpunkt der bedingten Entlassung mit 30. Mai 2025 festzusetzen und unmittelbar Bewährungshilfe sowie die Absolvierung eines Antiaggressionstrainings anzuordnen ( Pieber in WK 2 StVG § 152 Rz 17), wobei Letzteres bestenfalls noch in der verbleibenden Strafzeit begonnen werden kann. Es wird weiters am Beschwerdeführer liegen, durch fortan aktive Mitwirkung an der Erreichung der Vollzugsziele günstige Bedingungen für die Zeit nach seiner bedingten Entlassung zu schaffen.