JudikaturOLG Wien

21Bs68/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
27. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Sanda als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen § 39 Abs 1 SMG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. Februar 2025, GZ **-83, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Text

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13.12.2024 wurde der am ** geborene A*, der eine einschlägige Vorstrafe aufweist und sich im Zeitpunkt der Hauptverhandlung in Untersuchungshaft befand, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB; des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG; des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung verurteilt (ON 39.1).

Unmittelbar nach Abgabe der Rechtsmittelerklärungen stellte A* einen Antrag auf Strafaufschub gemäß § 39 SMG, wozu die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab (AS 10 in ON 39.1).

Nach Vorlage einer (stationären) Therapieplatzzusage durch die Therapieeinrichtung B* (ON 58) bestellte das Erstgericht Dr. C* zur Sachverständigen und beauftragte diese, binnen sechs Wochen Befund und Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen des § 39 SMG zu erstatten (ON 59).

In Ihrem Gutachten bejaht die Sachverständige eine Suchtmittelabhängigkeit des A* in Bezug auf Kokain, Benzodiazepine und Cannabinoide und überdies eine Alkoholabhängigkeit (polytoxikomanes Konsummuster) und führte zusammengefasst aus, dass die Notwendigkeit einer stationären Behandlung gegeben sei, wobei A* aus klinisch-psychologischer Sicht eine fachärztlich psychiatrische Behandlung benötige, da er aktuell psychiatrische Medikation erhalte, die unter kontrollierten Bedingungen weitergegeben werden müssen. Er benötige überdies eine psychotherapeutische Behandlung zur Aufarbeitung der Sucht- und Persönlichkeitsproblematik. Sinnvoll wäre eine begleitende Kontrolle durch den Arzt im Sinne von Harnkontrollen. Grundsätzlich benötige A* auch eine klinisch-psychologische Behandlung zum Erwerb von Skills und Fertigkeiten, um den inadäquaten Bewältigungsversuch seiner Probleme durch den Suchtmittelkonsum in Zukunft durch andere, sinnvolle Strategien zu ersetzen. Eine sozialarbeiterische Behandlung wäre in seinem Fall auch erforderlich, da er beruflich und sozial desintegriert sei, dies sei in Österreich aber nicht sinnvoll, da er hier nicht integriert werden könne.

A* gebe eine stabile Partnerschaft mit einer jungen drogenfreien Frau an, mit der er nach islamischem Recht verheiratet sei. Darüber hinaus sei er weder beruflich integriert, noch habe er eine Möglichkeit zur Meldung. Er habe eigenen Angaben zufolge keinen Aufenthaltsstatus und einen negativen Asylbescheid und könne daher nicht arbeiten.

Bei vorliegender Therapiebedürftigkeit sei die Therapiefähigkeit des A* als eher gering einzustufen. Die Therapiemotivation sei glaubhaft, er habe auch erklärt, mit einer stationären Therapie einverstanden zu sein und vermeint, dass er es ohne Therapie nicht schaffen würde, drogenfrei werden zu können. Somit sei von einer ausreichend Behandlungsbereitschaft aufgrund eines ausgeprägten Leidensdrucks auszugehen.

In Ansehung der Erfolgsaussichten sei betreffend der Schutzfaktoren eine ausreichende intellektuelle Struktur festzustellen. Er könne sich grundsätzlich auch auf Deutsch grundlegend ausdrücken. An Risikofaktoren konstatierte die Sachverständige aufgrund Art, Dauer und Schwere der Abhängigkeit eine schwere Abhängigkeitserkrankung mit polytoxikomanem Konsummuster. A* habe keine Aufenthaltsgenehmigung und einen negativen Asylbescheid, sodass er in Österreich keiner Arbeitstätigkeit nachgehen und sich auch nicht polizeilich melden könne. Er habe außer seiner mit ihm nach islamischen Recht verheirateten Frau auch kein stützendes soziales Umfeld. Da A* über keine ausreichenden Rahmenbedingungen für eine Therapie in Österreich vorfinde, seien die Erfolgsaussichten als offenbar aussichtslos einzustufen, da die mögliche stationäre Therapie ohne nachfolgende ambulante Behandlung aufgrund der Unmöglichkeit eine Berufstätigkeit zu ergreifen, somit eine regelmäßige Tagesstruktur und eine adäquate Wohnsituation, die unabdingbare Voraussetzungen für eine Integration und Rehabilitation seien, zu haben, nicht erfolgsträchtig sei. Die Sachverständige empfahl daher keine Therapie (ON 75).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des A* auf Gewährung eines Strafaufschubs gemäß § 39 Abs 1 SMG in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft (ON 79) ab und stützte dies im Wesentlichen auf die mangels gültigen Aufenthaltstitels offenbare Aussichtslosigkeit des Erfolges einer Behandlung, da eine adäquate Wohnsituation und regelmäßige Tätigkeit unabdingbare Voraussetzung für eine Integration und Rehabilitation seien.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen fristgerecht schriftlich erhobene Beschwerde (ON 99), die damit argumentiert, dass das Erstgericht unzulässig in die aufenthaltsrechtliche Klärung der zuständigen Behörden eingreife, da nicht feststehe, dass er in Österreich nicht Aufenthalt nehmen könne, zumal ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger eines EU-Bürgers und auch ein Duldungsaufenthalt aus humanitären Gründen denkbar sei, ist nicht berechtigt.

Wie schon vom Erstgericht dargestellt, ist unabdingbare Voraussetzung um von einer nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme ausgehen zu können, im Fall der hier notwendigen, an die stationäre Therapie anschließende Weiterführung der Therapie in ambulanter Form, eine soziale und berufliche Integration. Wie schon durch das Erstgericht festgehalten und dem gesamten Akteninhalt zu entnehmen ist, ist der einzige soziale Anknüpfungspunkt des A* in Österreich seine von ihm gegenüber der Sachverständigen angesprochenen, mit ihm nach islamischen Recht vermählten Frau, deren Existenz im Übrigen bislang im gesamten Verfahren nicht erwähnt wurde. Er hatte vor seiner Festnahme keine aufrechte Wohnsitzmeldung in Österreich. Wie A* selbst auch gegenüber der Sachverständigen angab, wurde sein Asylantrag negativ beschieden. Er kann somit auch keiner geregelten Arbeit nachgehen. Gesundheitsbezogene Maßnahmen im Sinn des § 39 Abs 1 SMG sind daher vor allem aus spezialpräventiven Erwägungen offenbar aussichtslos, sodass die Voraussetzungen für einen entsprechenden Strafaufschub nicht vorliegen. Daran ändert auch ein möglicherweise irgendwann genehmigter Duldungsaufenthalt aus humanitären Gründen nichts.

Es bleibt A* jedoch unbenommen, die in der Strafhaft nach § 68a Abs 1 lit a StVG gebotenen Möglichkeiten zur Therapierung seiner Suchterkrankung zu nutzen und die therapeutische Behandlung nach seiner Haftentlassung auf freiwilliger Basis weiterzuführen.

Der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechen Beschluss war daher ein Erfolg zu versagen.