JudikaturOLG Wien

132Bs85/18x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Bridgadier Steinacher als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des R***** P***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des La n desgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffen t licher Sitzung den

gefasst:

B e s c h l u s s

Spruch

In Stattgebung der Beschwerde wird in der Sache (Punkt b und c der Beschwerde ON 1 S 3) selbst erkannt:

R***** P***** wurde durch Anhaltung in einem Haftraum ohne baulich abgetrennte Toilette im Zeitraum von 9. F ebruar ***** bis 22. Mai ***** in einem subjektiv-öffentlichen Recht nach § 42 Abs 4 zweiter Satz StVG v e r letzt.

Text

B e g r ü n d u n g

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht eine Beschwerde des R***** P***** mit der er das Ve r halten des Anstaltsleiters der Justizanstalt *****, *****, nämlich die Verweigerung der Anbri n gung eines Sichtschutzes beim Klo, sohin eine Verletzung des Ehrgefühls und der Menschenwürde moniert hatte, zurück.

Begründend wurde ausgeführt, dass R***** P***** mit seiner Beschwerde vom ***** zum wiederholten Male moniere, dass er seit 9. Februar ***** auf Anordnung des Anstaltsleiter in einer besonders gesicherten Zelle untergebracht sei und in dieser Zelle kein Sichtschutz vor dem WC installiert sei, wodurch er sich beim Verric h ten seiner täglichen Bedürfnisse zusehen lassen müsse. Der Beschwerdeführer sei nach seiner Überstellung in die Justizanstalt ***** am ***** nach kurzer Anha l tung in der Zugangsabteilung am 9. Februar ***** in den Normalvollzug verlegt worden, wobei er diesen trotz Abmahnung verweigert habe. Aufgrund dieser Ordnungswi d rigkeit iVm der fortgesetzten Belagsverweigerung in einem Gemeinschaftshaftraum, sei er in den Haftraum Nr. ***** (Absonderung gemäß § 116 Abs 2 StVG) als einzig zur Ve r fügung stehende Belagsmöglichkeit verlegt worden. Bei diesem Haftraum handle es sich um einen rückgebauten Sicherheitshaftraum, der ua mit einer Stehtoilette ausg e stattet sei. Diese Toilette war zunächst baulich nicht abgetrennt, am 22. Mai ***** wurde ein provisorischer Sichtschutz aus Holz installiert.

Die diesbezüglichen Feststellungen wurden auf den Akteninhalt, die Vollzugsinformationen und den Persona l akt gestützt.

Rechtlich erwog das Erstgericht, dass gemäß § 42 Abs 4 StVG in Einzelhafträumen zumindest getrennte (Vorhang etc) Toiletten errichtet werden müssen.

Dem Anstaltsleiter stehe bei jeder Beschwerde das Recht zu, aus deren Anlass Abhilfe zu schaffen, was bedeute, der Beschwerde ganz oder teilweise Folge zu geben. Im Falle einer solchen Abhilfe entfalle die En t scheidungspflicht des Vollzugsgerichtes nach § 16 Abs 3 StVG. Die Beschwerde des Strafgefangenen sei zurückzuwe i sen, da zum Zeitpunkt der Vorlage der Beschwerde an das Vollzugsgericht am 6. Juni ***** bereits Abhilfe geschaffen worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die fris t gerecht eingebrachte Beschwerde des R***** P***** (ON 10), der moniert, dass er den Missstand des fehlenden Sichtschutzes beim Anstaltsleiter mehrfach moniert habe. Nach mehreren Beschwerden an das Bundesministerium für Justiz (Aufsichtsbeschwerden) habe er am 20. Mai ***** gemäß § 16 Abs 3 Z 2 StVG Beschwerde gegen das Verhalten des Anstaltsleisters wegen Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechtes auf einen Sichtschutz beim Klo und wegen Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Achtung des Ehrgefühls und einer menschenwürdigen Behan d lung beim zuständigen Vollzugsgericht eingebracht. Das Vollzugsgericht habe über seine Beschwerde, sofern dem Anstaltsleiter der Justizanstalt ***** aufzutragen sei, einen Sichtschutz herzustellen, zutreffend nicht en t schieden, da der Anstaltsleiter dem Beschwerdegegenstand Abhilfe geleistet habe, nachdem die Generaldirektion die Weisung erteilt habe, beim Klo einen Sichtschutz herz u stellen.

Allerdings habe das Vollzugsgericht nicht festg e stellt, dass er durch diese Vorgangsweise in seinem su b jektiv-öffentlichen Recht auf Sichtschutz beim Klo sowie auf Achtung des Ehrgefühls und einer menschenwürdigen Behandlung verletzt worden sei und diese Verletzung fes t zustellen wäre. Bei Verletzung eines subjektiv-öffentl i chen Rechts sei auch nach Beendigung bzw Behebung des Beschwerdegegenstandes bescheidförmig zu entscheiden. Sohin sei der Beschluss aufzuheben und dem Landesgericht ***** aufzutragen über die Beschwerde vom 20. Mai ***** – soweit nicht die Herstellung eines Sichtschutzes begehrt wird - inhaltlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichtes nach § 16 Abs 3 leg cit wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, so weit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.

Gemäß § 16 a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben, noch um das Ermessen anders auszuüben, abändern ( Pieber in W K 2 StVG § 16a Abs 5, Drexler StVG3 § 16a Rz 2).

Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer bereits bei seinem Parteiengehör mit Schreiben vom ***** (ON 7) deponierte, dass er mit Schreiben vom 12. Februar ***** den monierten Missstand dem Anstaltsle i ter gemeldet und dem Anstaltsleiter beim Rapport am 14. Februar ***** nochmals detailliert den Missstand des fe h lenden Sichtschutzes beim Klo geschildert habe. Der Anstaltsleiter habe erwidert, den Missstand nicht zu sanieren und keinen Sichtschutz beim Klo herzustellen. Daraufhin habe er wöchentlich bei der Generaldirektion für den Strafvollzug Aufsichtsbeschwerde gegen das Ve r halten des Anstaltsleiters der Justizanstalt ***** erh o ben und nachdem dies ohne Reaktion blieb, die Volksa n waltschaft auf den Missstand aufmerksam gemacht. Am 20. April ***** sei er folglich von einer Kommission der Volksanwaltschaft in der Zelle Nr. ***** aufgesucht worden. Diese habe den fehlenden Sichtschutz sowie die Sichtve r hältnisse dokumentiert. Schließlich habe die Volksanwal t schaft die Gesetzesverletzung des fehlenden Sichtschutzes und die Verletzung der Achtung des Ehrgefühls und der Würde des Menschen beim Bundesminister für Justiz moniert. Daraufhin habe die Generaldirektion veranlasst dem Anstaltsleiter der Justizanstalt ***** die Anordnung zu erteilen, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass ein Sichtschutz beim Klo hergestellt werde, was am 22. Mai ***** erfolgte. Sohin sei er 103 Tage ohne Sichtschutz beim Klo angehalten worden.

Nach der vom Vollzugssenat eingeholten Stellungnahme der Justizanstalt ***** vom ***** kann nicht mehr festgestellt werden, ob der Strafgefangene bereits am 9. Februar ***** eine Beschwerde wegen des Sichtschutzes ei n gebracht hat oder nicht. Die Justizanstalt geht weiters davon aus, dass sich R***** P***** am 12. Februar ***** über diesem Umstand schriftlich beschwert hat und dass bei der persönlichen Vorsprache beim Anstaltsleiter-Rapport am 14. Februar ***** vermutlich auch ein Sichtschutz am Klo beantragt, aber nicht nicht bewilligt wurde.

Der von R***** P***** geschilderte Sachverhalt wird von der Justizanstalt sohin nicht bestritten.

Gemäß § 121 a Abs 1 StVG entscheidet das Vollzugsg e richt (§ 16 Abs 3 StVG) über Beschwerden gegen eine En t scheidung, Anordnung oder ein Verhalten des Anstaltsle i ters sofern dieser der Beschwerde nicht selbst abhilft. Die Beschwerde ist beim Anstaltsleiter einzubringen, der dadurch in die Lage versetzt wird, Abhilfe zu schaffen oder zur behaupteten Rechtsverletzung Stellung zu nehmen (§ 121 Abs 1 zweiter Satz StVG; Pieber in WK² § 121a Rz 4). Das StVG lässt offen, in welcher Zeitspanne der Anstaltsleiter befugt ist, Abhilfe zu schaffen ( Zagler, Strafvollzugsrecht2 S 67).

Zutreffend moniert der Beschwerdeführer, dass das Vollzugsgericht über seinen Antrag auf Feststellung der Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten nach § 42 Abs 4 und § 22 Abs 1 StVG (ON 1 S 3 Punkt b und c) nicht entschieden hat. Weil auch die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit einer nicht mehr aktuellen Anordnung oder eines beendeten Verhaltens als Entscheidungsinhalt in Betracht kommt, hätte das Vollzugsgericht auch über die weitere Beschwerde des R***** P***** zu erkennen gehabt ( Pieber in WK² StVG § 121b Rz 4). Da über diese Punkte b) und c) der Beschwerde nicht abgesprochen wurde, und der Beschluss im Hinblick auf Punkt a) nicht bekämpft wurde, war keine Aufhebung des (insoweit nicht zu bea n standenden) Beschlusses vorzunehmen, sondern vom Vollzugssenat angesichts des geklärten Sachverhalts über die Anträge b) und c) gemäß § 121b Abs 3 StVG selbst zu erkennen.

Strafgefangenen kommt gemäß §§ 120 f StVG ein su b jektiv-öffentliches Recht auf Beschwerde bei Behauptung einer Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte zu (vgl Pieber in WK² StVG § 16 Rz 11/2). Ob das StVG dem Einzelnen ein subjektiv-öffentliches Recht einräumt, ist nicht immer eindeutig dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen. Der VwGH entwickelte daher eine Zweifelsregelung, nach der immer dann, wenn eine Person ein Interesse an der Erfüllung einer Pflicht hat, welche für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war, die Vermutung für ihre Befugnis zur Rechtsverfolgung besteht ( Drexler, StVG3 § 22 Rz 6 mwN).

Gemäß § 42 Abs 4 StVG müssen die sanitären Anlagen hygienisch eingerichtet und so beschaffen sein, dass die Strafgefangenen jederzeit in sauberer und schicklicher Weise ihren Bedürfnissen nachkommen können. Die Hafträume haben über abgetrennte WC-Anlagen zu verfügen. Hafträume in denen mehr als ein Strafgefangener untergebracht we r den soll, müssen über eine baulich abgetrennte WC-Anlage verfügen.

Die Formulierung des § 42 Abs 4 StVG (die sanitären Anlagen müssen … die Hafträume haben …) lässt nur den Schluss zu, dass fallkonkret die Befugnis zur Rechtsve r folgung besteht. Gemäß § 22 Abs 1 StVG besteht – wie vom Beschwerdeführer zutreffend erkannt - ein Recht unter Achtung des Ehrgefühls und der Menschenwürde behandelt zu werden.

Dem StVG lässt sich nicht entnehmen, dass das letz t liche Abstellen eines monierten - subjektiv-öffentliche Rechte verletzenden - Zustandes, in Form der Abhilfe durch den Anstaltsleiter, (sei es, ob einer Weisung oder aus eigenem Antrieb) für den Zeitraum bis Abhilfe geschaffen wird, die Verletzung eines subjektiv-öffentl i ches Recht ausschließen würde.

Nachdem durch die Nichtanbringung des Sichtschutzes im Zeitraum von 9. Februar ***** bis 22. Mai ***** § 42 StVG Abs 4 zweiter Satz StVG verletzt wurde, war sohin spruchgemäß zu entscheiden. Da § 42 Abs 4 zweiter Satz StVG eine Konkretisierung des Recht nach § 22 Abs 1 StVG auf Achtung der Menschenwürde und des Ehrgefühls für den Bereich der Hygiene darstellt, wurde durch die beschri e bene Vorgangsweise (nur) die speziellere Bestimmung ve r letzt.

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