32Bs55/25k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 11. Februar 2025, GZ 60 Bl 143/24a-7, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Begründung
Text
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht eine Beschwerde des A* gegen das Beschwerdeerkenntnis des Leiters der Justizanstalt B* vom 19. September 2024, AZ ** (ON 1.8), mit welcher dieser zusammengefasst monierte, der Anstaltsleiter habe mit dem angeführten Beschwerdeerkenntnis zwar über andere Beschwerdepunkte, jedoch nicht über die Rechtsverletzung durch fehlende Abtrennung der WC-Anlage abgesprochen, zurück.
Begründend führte das Erstgericht – soweit relevant - wörtlich aus wie folgt:
Der Beschwerdeführer wurde ab Mai 2023 in der Justizanstalt B* angehalten. Von 22.05.2024 bis 27.05.2024 befand er sich zum Zweck der Teilnahme an der Hauptverhandlung im Verfahren ** des Landesgerichtes St. Pölten als „Passant“ in der Justizanstalt C* (IVV-Auszug ON 2, Strafregisterauskunft ON 3).
Bereits vor seiner vorübergehenden Überstellung in die Justizanstalt C* hatte der Beschwerdeführer dem dortigen Anstaltsleiter brieflich mitgeteilt, dass er sich außer Stande sehe, mit anderen Personen in einer Gemeinschaftszelle Aufenthalt zu nehmen und daher, um Eskalationen zu vermeiden, ersuche, für die Zeit seines Aufenthalts als „Passant“ in der JA C* einzeln untergebracht zu werden (Schreiben des Beschwerdeführers vom 13.05.2024, ON 1.7).
Als der Beschwerdeführer am 22.05.2024 um ca 16:00 Uhr in der JA C* ankam, wurde er aufgrund des Ersuchens, in einem Einzelhaftraum untergebracht zu werden, der daraus ableitbaren angekündigten Belagsverweigerung und nicht zuletzt, um eine etwaige Eskalation bei Zuweisung eines Mehrpersonenhaftraumes hintan zu halten, alleine im Haftraum ** der Abteilung ** untergebracht. Dabei handelt es sich um einen von vier Einzelhafträumen, die über keine abgetrennte WC-Anlage verfügen und die primär als Absonderungs- bzw Hausarresthaftraum fungieren. Aufgrund der angespannten Belagssituation (Auslastung von 105% am 22.05.2024) müssen diese Hafträume auch für einen Normalbelag genutzt werden. Die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem anderen Einzelhaftraum war nicht möglich, da sämtliche Einzelhafträume belegt waren (Stellungnahme der JA C* vom 19.08.2024, AS 2 in ON 1.6).
A* richtete am 23.05.2024 die eingangs wiedergegebene schriftliche Beschwerde an den Leiter der JA C*, in der er sich (unter anderem) dagegen beschwerte, dass sein Haftraum über keine abgetrennte WC-Anlage verfüge (Beschwerde vom 23.05.2024, AS 3 in ON 1.3).
Umgehend nach Einlangen der Beschwerde wurde seitens der Leiterin des Rechtsbüros der JA C* die Beischaffung einer Abtrennwand veranlasst, sodass durch diesen Sichtschutz auch bei Öffnung des Haftraums keine Sicht auf den WC-Bereich möglich war. Diese Abtrennwand wurde dem Beschwerdeführer am 23.05.2024 um 12:30 Uhr ausgefolgt (Stellungnahme der JA C* vom 07.06.2024, ON 1.10).
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die in Klammern angeführten Beweismittel, insbesondere auf die unbedenklichen Stellungnahmen des Anstaltsleiters der JA C*, denen keine gegenteiligen Beweisergebnisse entgegenstanden. So wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten, dass sein Haftraum umgehend nach Beschwerdeeingang bei der Anstaltsleitung mit einer Abtrennwand für die WC-Anlage ausgestattet wurde, sodass durch diesen Sichtschutz auch bei Öffnung des Haftraums keine Sicht auf den WC-Bereich möglich war.
Rechtlich erwog das Erstgericht, dass gemäß § 42 Abs 4 StVG die sanitären Anlagen hygienisch eingerichtet und so beschaffen sein müssten, dass die Strafgefangenen jederzeit in sauberer und schicklicher Weise ihren Bedürfnissen nachkommen können. Die Hafträume hätten über abgetrennte WC-Anlagen zu verfügen. Hafträume, in denen mehr als ein Strafgefangener untergebracht werden soll, müssten über eine baulich abgetrennte WC-Anlage verfügen.
Gemäß § 22 Abs 1 StVG bestehe ein Recht der Strafgefangenen unter Achtung des Ehrgefühls und der Menschenwürde behandelt zu werden.
Bei einem Einzelhaftraum verletze die fehlende Abtrennung der Toilette nicht den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde. Anders als in den Fällen, in denen zwei oder mehr Gefangene gemeinsam in einem Haftraum untergebracht seien und weder ein hinreichender, Sicht-, Geruchs- und Geräuschschutz gegeben sei, bestehe bei einer Zuweisung zur Einzelnutzung grundsätzlich die Möglichkeit, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre nachzugehen.
Dessen ungeachtet sei dem in der Beschwerde vom 23. Mai 2024 monierten Umstand umgehend nach Einlangen der Beschwerde bei der Anstaltsleitung abgeholfen worden, indem der Einzelhaftraum mit einer Abtrennwand ausgestattet worden sei, sodass durch diesen Sichtschutz nun auch bei Öffnung des Haftraums keine Sicht auf den WC-Bereich möglich gewesen sei. Da somit dem in der Beschwerde implizit enthaltenen Antrag des A* seitens der Justizanstalt C* formlos entsprochen worden sei, sei keine Beschwer mehr gegeben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des A* (ON 8), der moniert, dass ein Ausspruch über die eingetretene Rechtsverletzung – trotz seines explizit darauf gerichteten Antrages an das Landesgericht Linz – nicht erfolgt sei. Ein solcher habe jedoch auch dann zu erfolgen, wenn das entsprechende Verhalten bereits beendet sei.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichtes nach § 16 Abs 3 leg cit wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Gemäß § 16 a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben, noch um das Ermessen anders auszuüben, abändern ( Pieber in WK 2 StVG § 16a Abs 5, Drexler StVG 3 § 16a Rz 2).
Das Vollzugsgericht entscheidet gemäß § 16 Abs 3 StVG über Beschwerden gegen eine Entscheidung oder Anordnung des Anstaltsleiters (Z 1), wegen Verletzung eines subjektiven Rechts durch ein Verhalten des Anstaltsleiters (Z 2) oder wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Anstaltsleiter (Z 3).
Die für das gerichtliche Verfahren über eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht geltende Sonderbestimmung ist in § 121c StVG normiert. Beschwerdelegitimiert ist nach Abs 1 leg cit, wer im vollzugsbehördlichen Verfahren ein subjektives Recht auf eine Entscheidung des Anstaltsleiters zu haben behauptet (vgl Drexler/Weger , StVG 5 § 121c Rz 1). Das ist in der Regel jene Person, die den verfahrenseinleitenden An trag eingebracht hat. Die Beschwerde kann nach Abs 2 erster Satz leg cit erst eingebracht werden, wenn die Vollzugsbehörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten , wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat.
Dem Beschwerdeführer ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass gemäß § 42 Abs 4 StVG die sanitären Anlagen hygienisch eingerichtet und so beschaffen sein müssen, dass die Strafgefangenen jederzeit in sauberer und schicklicher Weise ihren Bedürfnissen nachkommen können. Die Hafträume haben über abgetrennte WC-Anlagen zu verfügen. Hafträume in denen mehr als ein Strafgefangener untergebracht werden soll, müssen über eine baulich abgetrennte WC-Anlage verfügen.
Auch wenn sich aus dieser Bestimmung bei einem Einzelhaftraum das Erfordernis einer nach allen Seiten hin abgetrennten WC-Anlag nicht ableiten lässt, bleibt dennoch bestehen, dass die WC-Anlage so beschaffen sein muss, dass der Strafgefangene jederzeit in sauberer und schicklicher Weise seinen Bedürfnissen nachkommen kann (vgl Oberlandesgericht Wien, AZ 32 Bs 366/21i).
Auch lässt die Formulierung des § 42 Abs 4 StVG (die sanitären Anlagen müssen … die Hafträume haben …) nur den Schluss zu, dass fallkonkret die Befugnis zur Rechtsverfolgung besteht (vgl Oberlandesgericht Wien, AZ 32 Bs 366/21i, 132 Bs 85/18x).
Dem StVG lässt sich schließlich auch nicht entnehmen, dass das letztliche Abstellen eines monierten - subjektiv-öffentliche Rechte verletzenden - Zustandes in Form der Abhilfe durch den Anstaltsleiter für den Zeitraum bis Abhilfe geschaffen wurde, die Verletzung eines subjektiv-öffentliches Rechts und den damit verbundenen Anspruch auf deren Feststellung (vgl Oberlandesgericht Wien, AZ 132 Bs 348/17x, 132 Bs 204/17w) ausschließen würde (vgl Oberlandesgericht Wien, AZ 32 Bs 366/21i; Pieber in WK 2 StVG § 121b Rz 7).
Eine abschließende Beurteilung, ob der Beschwerdeführer fallkonkret bis zum Aufstellen einer Abtrennwand am 23. Mai 2024 im dargestellten subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wurde, ist auf Basis des erhobenen und festgestellten Sachverhaltes nicht möglich, zumal daraus nicht abgeleitet werden kann, ob – bereits vor Aufstellen der Abtrennwand – ausreichender Sichtschutz auf den WC-Bereich auch bei Öffnung des Haftraumes gegeben war.
Dies kann jedoch (vorerst) dahingestellt bleiben. Der Beschwerdeführer hat die fehlende Abtrennung - wie vom Erstgericht zutreffend festgestellt - zunächst gegenüber dem Anstaltsleiter mit Beschwerde vom 23. Mai 2024 (ON 1.3) moniert und schließlich mit an das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht gerichteter Beschwerde vom 4. Oktober 2024 (ON 1.2) geltend gemacht, dass der Anstaltsleiter in seinem – aufgrund mehrerer anderer Beschwerdepunkte erfolgten – Beschwerdeerkenntnis vom 19. September 2024 auf „die Rechtsverletzung der fehlenden Abtrennung der WC-Anlage“ nicht Bezug nimmt, womit er bei richtiger Betrachtung - unabhängig vom vordergründig gegen das Beschwerdeerkenntnis gerichteten Wortlaut der vom unvertretenen A* formulierten Beschwerde – im Ergebnis eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Anstaltsleiters geltend macht.
Sowohl aus den Ausführungen des Beschwerdeführers als auch aus dem Akteninhalt ergibt sich jedoch, dass die (in diesem Beschwerdepunkt) verfahrenseinleitende und die Entscheidungspflicht des Anstaltsleiters auslösende Beschwerde vom 23. Mai 2024 stammt (ON 1.3), sodass zum Zeitpunkt der Erhebung der an das Vollzugsgericht gerichteten Beschwerde am 4. Oktober 2024 (eingelangt in der Justizanstalt B* am 9. Oktober 2024; ON 1.2) die zeitlichen Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde nicht eingetreten waren.
Die Zurückweisung der (Säumnis-)Beschwerde des A* durch das Vollzugsgericht erfolgte daher im Ergebnis zu Recht, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.