8Bs100/25z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 14. Mai 2025, Hv*-82, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 2 StPO fallen dem Verurteilten die durch sein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Strafverfahrens verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
BEGRÜNDUNG:
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 26. Juni 2024, GZ Hv*-46, wurden C* D* und A* B* jeweils des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, B* diesbezüglich als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB), schuldig erkannt. Laut dem Schuldspruch haben
I./ C* D*
[…]
2./ am 31. Oktober 2023 in F** die schwer alkoholisierte E* F* dadurch, dass er sie mit seinem Oberkörper auf die Couch drückte, ihre Beine auseinanderdrückte und trotz ihrer Gegenwehr in Form von Tritten den Vaginalverkehr an ihr vollzog, wodurch diese ein Hämatom am Hinterteil erlitt, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt;
II./ A* B* zu der unter Punkt I./2./ angeführten strafbaren Handlung des C* D* dadurch beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), dass er E* F*, während sie sich zur Wehr setzte, am Körper erfasste, niederdrückte und D* in seinem Tatplan bestärkte, indem er F* selbst einen Kuss aufzwang, sich mit ihm unterhielt und während des Vollzugs des Vaginalverkehrs im selben Raum anwesend war.
Das Urteil erwuchs – nach Zurückweisung der von B* erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 22. Jänner 2025, 15 Os 130/24t-7 (ON 71.3) – durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz vom 3. April 2025, 8 Bs 30/25f (ON 73.3), mit welcher der bedingte Teil der vom Erstgericht über B* verhängten 24-monatigen Freiheitsstrafe auf 16 Monate reduziert wurde, in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom 8. Mai 2025 (ON 80.2) beantragte der Verurteilte B* die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gemäß § 353 Z 2 StPO unter Vorlage einer Videoaufnahme als Augenscheinsbeweis (ON 80.3) mit dem Ziel, das Landesgericht Salzburg möge den rechtskräftigen Schuldspruch aufheben und den Verurteilten – allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – freisprechen. Unter resümierender Darstellung einzelner Verfahrensergebnisse brachte der Wiederaufnahmewerber zusammengefasst vor, dass das vorgelegte Videomaterial zeige, dass sich das Opfer F* augenscheinlich aktiv am Geschlechtsverkehr mit D* beteiligt habe, indem sich F* mit der Hand mehrfach auf das Gesäß geklatscht, sich selbst die Unterhose ausgezogen und D* beim Einführen seines Geschlechtsteils unterstützt habe, was ohne Ausdruck eines Widerwillens erfolgt sei und die Einvernehmlichkeit und Freiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs indiziere. Die in der Hauptverhandlung abgelegte Verantwortung von D* und B* würde sich ebenfalls mit den Geschehnisse laut Videobeweis decken. Insbesondere bezeuge die Videoaufnahme, dass B* nicht neben dem Opfer gelegen sei, was die Aussagen des Opfers zum Tatbeitrag des B* äußerst fragwürdig erscheinen lasse. Das vorgelegte Video (mit einer Dauer von 1:45 Minuten) beweise, dass der Tatbestand der Vergewaltigung mangels Gewaltausübung nicht erfüllt sei. Somit wäre der Wiederaufnahmewerber in Zusammenschau mit den bisherigen Aussagen der Verurteilten auf Basis dieser neuen Beweislage freizusprechen, wobei neben der Inaugenscheinnahme des Videos auch die Einvernahme des A* B*, des C* D* sowie die Einvernahme des Opfers E* F* beantragt wurde.
Die Staatsanwaltschaft Salzburg gab zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eine abweisende Stellungnahme ab (ON 1.74).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Mai 2025 (ON 82) wies das Landesgericht Salzburg die Anträge des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens und Hemmung des Strafvollzuges ab bzw zurück und sprach die Kostenersatzpflicht des Wiederaufnahmewerbers gemäß § 390a Abs 2 StPO aus.
Begründend führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass dem vorgelegten Video die Eignung fehlen würde, allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen die Freisprechung oder Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung beim Verurteilten B* zu begründen. Da B* (bislang) in keiner Weise die Umstände der Anfertigung und Herkunft des Videos offengelegt habe, sei aufgrund der Perspektive und Stellung der Geschlechtspartner davon auszugehen, dass B* selbst das Video hergestellt habe. Im Übrigen würden die Aufnahmen nur den Geschlechtsakt, nicht jedoch die Gesichter der involvierten Personen zeigen. Selbst unter der Prämisse, dass das Video das Geschehen zwischen D* und F* zur Darstellung bringe, sei die Eignung des neuen Beweismittels iSd § 353 Z 2 StPO vor dem Hintergrund der bisherigen belastenden Beweisergebnisse zu verneinen. Da das Video nur einen geringen Teilausschnitt, nicht jedoch den Beginn des Geschlechtsverkehrs dokumentiere, sei es ohne Relevanz, dass darauf weder eine Gewaltausübung und insbesondere auch keine Beitragshandlungen durch B* zu sehen seien, weil F* selbst angegeben habe, dass sie in weiterer Folge – nachdem sie keine Kraft (für weitere Gegenwehr) mehr gehabt habe – alles ausgeblendet und über sich ergehen lassen habe. Somit sei die Dokumentation des weiteren Tatverhaltens von D* und F* nicht geeignet, die Feststellungsgrundlagen zum anfänglich mit Gewalt erzwungenen Beischlaf durch D* sowie zum kausalen Tatbeitrag durch B* zu erschüttern.
Dagegen richtet sich die Beschwerde (ON 83.2) des Verurteilten, der – über die bisherige Argumentation im Wiederaufnahmeantrag hinausgehend – moniert, dass am Video eindeutig und zweifelsfrei das Gesicht des Opfers F* erkennbar sei, wobei der Beschwerde auch eine eidesstättige Erklärung des C* D* vom 26. Mai 2025 angeschlossen ist (ON 83.3), wonach das Video von D* persönlich in der Nacht vom 31. Oktober 2023 mittels Handy aufgenommen worden sei. Der Beweiswert des Videos mache eine andere Lösung der Beweisfrage nicht nur denkbar, sondern vielmehr wahrscheinlich.
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht geäußert hat, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 353 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verlangen, wenn
1. dargetan ist, dass seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist;
2. er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die alleine oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen.
Die – hier relevanten – Fälle der Z 2 leg cit betreffen neue Tatsachen oder Beweismittel. Neu sind solche Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sind (RIS-Justiz RS0101229; Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 30 und 45), was auf das erstmalig mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegte Video zutrifft.
Bei der Prüfung der Frage, ob einem neuen Beweismittel die Eignung zukommt, zu einer für den Wiederaufnahmewerber günstigeren Sachverhaltsbeurteilung zu gelangen, ist in der Regel entsprechend der Relevanzprüfung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung vorzugehen (RIS-Justiz RS0101243). Ungeachtet des Verbots der vorgreifenden Beweiswürdigung hat das Gericht dabei die Relevanzprüfung dahingehend durchzuführen, ob und inwieweit das vom Antragsteller angestrebte Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet ist, die im Antragszeitpunkt gegebene Beweislage maßgeblich zu verändern (14 Os 49/09a; RIS-Justiz RS0099523). Für das Wiederaufnahmeverfahren bedeutet dies, dass eine Beurteilung des Beweiswerts des (angebotenen) neuen Beweismittels unzulässig ist, da eine solche Würdigung dem erkennenden Gericht vorbehalten bleibt (RIS-Justiz RS0101243). Das über den Wiederaufnahmeantrag entscheidende Gericht darf Anträge des Wiederaufnahmewerbers nicht ablehnen, wenn die Ablehnung durch das erkennende Gericht den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO zu begründen geeignet wäre (RIS-Justiz RS0099446).
Neue Tatsachen und Beweismittel müssen einen für die Wiederaufnahme erheblichen Umstand betreffen; in diesem Fall ist in einem weiteren Schritt – hypothetisch – der mögliche Einfluss dieses Umstands auf das Urteil zu beurteilen ( Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 61). Die Eignung zur Erschütterung der Beweisgrundlage hängt davon ab, welcher Stellenwert diesem Umstand bei hypothetisch nachträglicher Betrachtung für die Erstentscheidung zukommt, wofür im Regelfall auch maßgeblich ist, durch wie viele andere Beweismittel das seinerzeitige Ergebnis abgesichert war. Somit sind auch die wesentlichen früher erhobenen Beweisergebnisse in die Beurteilung miteinzubeziehen, wobei ein gewisses Mindestmaß an Beweiswürdigung bzw Wertungen unvermeidbar ist (28 Os 5/15t mwH). Greift somit die Wiederaufnahme einen Umstand aus einer umfassenden Beweislage an, so ist zu prüfen, ob das neue Beweismittel im Lichte der jedenfalls verbleibenden Beweisgrundlagen eine Erschütterung des Ersturteils zu bewirken vermag (12 Os 43/01; Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 65).
Nach dem deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers soll die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens – wegen der damit bewirkten Durchbrechung der materiellen Rechtskraft – nicht schon aufgrund einer bloß denkmöglichen Eignung eines neuen Beweismittels, allenfalls eine abweichende Sachverhaltsfeststellung zu bewirken, erfolgen, sondern es muss objektiv Anlass zu (ernsten) Zweifeln an der Richtigkeit der verurteilenden Entscheidung geben und somit eine konkrete Wahrscheinlichkeit der Auswirkung auf den Verfahrensausgang bestehen (28 Os 5/15t, 1 Ob 101/04s mwH).
Was die bestehenden Beweisgrundlagen betrifft, so hat das Landesgericht Salzburg als Schöffengericht die leugnende Verantwortung der Angeklagten D* und B* (ON 38, 2 ff und 27 ff; ON 45, 5), welche die Einvernehmlichkeit des Geschlechtsverkehrs behaupteten, aufgrund der glaubhaften, schlüssigen und zum eigentlichen Tatgeschehen sowohl konsistenten als auch widerspruchsfreien Angaben des Opfers F* (ON 2.9 bis ON 2.11 sowie ON 16) in Zusammenschau mit dem objektivierten Chatverkehr (zwischen F* einerseits sowie den Zeugen G* und H* andererseits [ON 2.14, 2 f; ON 13.10]) als widerlegt erachtet. Insbesondere ist auf das an die Zeugin H* unmittelbar zeitnah nach dem Vorfall übermitteltes Lichtbild (ON 2.14, 1) zu verweisen, welches F* augenscheinlich in einem verzweifelten Zustand zeigt, wobei auch den Textnachrichten eine „panische und hilflose Gemütslage“ (ON 46, US 8) bei der Zeugin F* entnommen wurde. Zudem bestätigte die Zeugin I* (ON 21.2, 4; ON 38, 66 ff), dass ihr F* unmittelbar noch in der Tatnacht mitgeteilt habe, vergewaltigt worden zu sein. Die Hypothese, dass F* aufgrund eines ihr eigenen manipulativen Charakters das Tatgeschehen bloß erfunden hätte und insbesondere dem Zeugen G* (vgl ON 13.9, 4; ON 38, 62 ff, insb 65) eine bedrückte und traurige Stimmungslage lediglich zum Schein vorgespielt hätte, hat das Erstgericht als lebensfremd und durch keine Anhaltspunkte indiziert verworfen (ON 46, US 8 f). Im Übrigen ist auf das Gutachten der Gerichtsmedizin (ON 22.2; vgl auch ZV Dr. J*, ON 38, 42 ff) zu den an mehreren verschiedenen Positionen vorgefundenen DNA-Spuren hinzuweisen, wobei diese Spurenlage die Schilderungen der Zeugin F* untermauerte (ON 46, US 10).
Wie in der Beschwerde zutreffend reklamiert, ist auf dem Videomaterial (Minute 1:22 bis 1:23) das Gesicht der weiblichen Person erkennbar, wobei der Vergleich mit dem Lichtbild des Opfers F* (ON 2.14, 1) und die am Video ersichtliche Kleidung (weiße Bluse, karierter Rock) der weiblichen Person in Zusammenschau mit der nun vorliegenden eidesstättigen Erklärung des C* D* (ON 83.3) es durchaus nahelegen, dass es sich bei dem Video um einen Ausschnitt des Geschlechtsverkehrs zwischen F* und D* in der Nacht zum 1. November 2023 handelt. Auch der Aufnahmewinkel des Videos lässt sich damit vereinbaren, dass D* das Video mit seiner rechten Hand mittels Mobiltelefon angefertigt hat, zumal auf den Aufnahmen ausschließlich sein linker Arm zu sehen ist.
Nichtsdestotrotz fehlt diesem neuen Beweismittel – wie vom Erstgericht im Ergebnis zutreffend dargelegt – die notwendige und hinreichende Eignung, die Tatsachengrundlagen des Ersturteils vor dem Hintergrund der referierten Beweisgrundlagen zu erschüttern und zu einer anderen Lösung der Beweisfrage zu gelangen, ohne dass es einer weiteren ergänzenden Befragung des Opfers F* sowie der Verurteilten B* und D* bedarf.
Bei einer Dauer des Geschlechtsverkehrs von mindestens ungefähr zehn Minuten laut Aussage des D* (ON 38, 16; weiters ON 38, 24) sowie des B* (ON 38, 29) kann das vorliegende Video denklogisch nur einen kleinen Teilausschnitt der zwischen D* und F* vorgefallenen geschlechtlichen Handlungen zur Darstellung bringen. Hiebei handelt es sich just um jenes Teilgeschehen, welches sich mit den Aussagen der Verurteilten in der Hauptverhandlung deckt, nämlich jene Sequenz, dass F* laut Aussage von D* von ihm seitlich von hinten penetriert worden sei (vgl ON 38, 8, 13 und 18) und sie in weiterer Folge am Rücken liegend die Füße hochgehoben hätte (ON 38, 15 f und 20). Weiters besteht Übereinstimmung mit der Aussage des D*, dass sich F* nicht so fest „irgendwie am Po geschlagen“ habe (ON 38, 13). Auf der anderen Seite widersprechen die Videoaufnahmen der Aussage des D*, wonach sich F* zur Vornahme des Geschlechtsverkehrs komplett bzw zur Gänze ausgezogen habe (ON 38, 7; vgl allerdings ON 38, 22). Da die Filmaufnahmen während laufender Penetration der in Seitenlage befindlichen weiblichen Person (mutmaßlich E* F*) einsetzen, lassen sich daraus keine Rückschlüsse ziehen, aufgrund welcher vorhergehenden Handlungen und Ereignisse es hiezu gekommen sei. F* schilderte nämlich, dass sie sich zum Beginn der erzwungenen Penetration durch D* in Rückenlage – „am Rücken“ ... „mit den Füßen so in der Höhe“ – befunden habe (ON 16, 11; vgl auch ON 2.10, 5; ON 2.11, 6). Ab diesem Zeitpunkt habe sie auch gewusst, dass Gegenwehr nichts bringen würde, worauf sich ihr Kopf komplett abgeschaltet habe (ON 16, 10, 12 f, 22 und 28). Das vermeintliche Niederdrücken durch B* sei laut F* auch geschehen, bevor D* in sie eingedrungen sei (ON 16, 20). Da das Verbrechen der Vergewaltigung bereits dann vollendet ist, sobald die Nötigung erfolgreich ist und das Tatopfer (hier) den Beischlaf zu dulden beginnt und es sohin zumindest zu einer Berührung der äußeren Geschlechtsteile kommt (RIS-Justiz RS0095037 und RS0115581), ist es nicht von Relevanz, wenn das Tatopfer in weiterer Folge den Widerstand aufgibt (vgl auch Philipp in WK² StGB § 201 Rz 17), zumal im Übrigen eine Gegenwehr des Opfers zur Tatbildverwirklichung nicht erforderlich ist (12 Os 9/15p; 11 Os 13/17x ua). Insofern ist das neue Beweismittel auch nicht zur Klärung der entscheidenden Tatsache geeignet, ob der (einzig relevante) Beginn der geschlechtlichen Handlungen durch die Verurteilten mit Gewalt erzwungen wurde oder nicht. Insbesondere widerlegen die Videoaufnahmen, auf denen in der Tat keine Anwendung eines Nötigungsmittels iSd § 201 StGB wahrnehmbar ist, die belastenden Angaben von F* gerade nicht, da sich belastenden Schilderungen des Opfers ausschließlich auf den – am Video nicht gezeigten – Beginn des Geschlechtsverkehrs beziehen.
Soweit die Beschwerde aus den Videoaufnahmen – „zweifelsfrei“ – abzuleiten versucht, dass F* „ohne Ausdruck eines Widerwillens“ sich selbst mehrfach auf ihr Gesäß schlage, D* auch dabei unterstütze, dessen Geschlechtsteil in ihr Geschlechtsteil einzuführen und sich selbst auch die Unterhose ausziehe, was konträr zu ihren Aussagen sei und diese Tatschilderungen widerlegen würde, ist dies nicht geeignet, nach Art einer Kontrollbeweisführung die Glaubwürdigkeit von F* (als einzige Belastungszeugin hinsichtlich der Tathandlungen) zu erschüttern und ihre Aussageehrlichkeit in Zweifel zu ziehen (zur grundsätzlichen Beweiserheblichkeit der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage vgl RIS-Justiz RS0028345, RS0098429 und RS0099520). Insofern gelingt es mit Blick auf § 353 Z 1 StPO auch nicht, eine Falschaussage (§ 288 StGB) durch F* wahrscheinlich (vgl Soyer in LiK-StPO § 353 Rz 5) zu machen.
Bei ihrer ersten polizeilichen Einvernahme gab F* explizit an (ON 2.9, 5): „ Ich habe es dann gelassen, damit ich schneller und heiler aus der Sache herauskomme. Ich habe dann einfach mitgemacht .“. Bei ihrer zweiten polizeilichen Vernehmung schilderte F*, dass sie sich nur mehr gedacht habe: „ Ich lasse es über mich ergehen “, nachdem D* in sie eingedrungen sei. Sie habe absolut abgeschalten und es über sich ergehen lassen; alles weitere sei wie in Trance verlaufen (ON 2.10, 5). Schließlich wiederholte F* am 15. November 2023 ihre Aussage sinngemäß, wonach sie gemerkt habe, dass Gegenwehr aussichtslos sei und sie sohin aufgegeben habe. Sie habe es über sich ergehen lassen und sich nicht weiter gewehrt, sondern versucht, ihren Kopf auszuschalten und sich von dem Ganzen zu distanzieren (ON 2.11, 6). Ohne weitere Details zu schildern, hat sich F* auch bei der kontradiktorischen Vernehmung darauf zurückgezogen, dass sie nach Aufgabe des anfänglichen Widerstands „abgeschaltet“ habe (ON 16, 10, 12 f, 22 und 28). Sobald D* in sie eingedrungen sei, habe sie voll abgeschaltet, sodass „alles weg“ sei (ON 16, 12). Angesichts der Aussage, dass sie eben „mitgemacht“ habe, „um heiler aus der Sache herauszukommen“, vermögen die auf dem Videomaterial ersichtlichen Handlungen von (mutmaßlich) F* keinen relevanten Widerspruch zu ihren Aussagen aufzuzeigen. Von einer Notorietät bzw Beweisregel in dem Sinne, dass sich kein Vergewaltigungsopfer derart „aktiv“ am Geschlechtsverkehr beteiligen würde, sondern sich entweder durchgehend wehren oder den Geschlechtsverkehr (ausschließlich passiv) einfach dulden würde, kann der Beschwerdeargumentation (ON 83.2, 11) zuwider gerade nicht ausgegangen werden. Dass F* als mutmaßliche Protagonistin im Video „Gefallen am Geschlechtsverkehr“ (ON 83.2, 11) gefunden hätte, ist – vor allem auch mit Blick auf den am Video kurz ersichtlichen Gesichtsausdruck der weiblichen Person und deren Lage – zudem eine reine Spekulation. Ausgehend von der kurzen Videosequenz kann ohnehin nicht die Gemütsverfassung bzw der psychische Zustand der dargestellten weiblichen Person beurteilt werden. Im Übrigen ist der Wiederaufnahmewerber aus rechtlicher Sicht abermals darauf zu verweisen, dass auch ein in weiterer Folge einvernehmlich durchgeführter Geschlechtsverkehr die vorhergehende Vollendung des Verbrechens der Vergewaltigung gerade nicht hindert bzw aufhebt (vgl insb OLG Wien 17 Bs 173/18t).
Fallspezifisch mit Bezug auf Tathandlungen des Verurteilten B* ist das Videomaterial ebenfalls nicht geeignet, die belastenden Angaben des Opfers F* in Zweifel zu ziehen und die sonstigen Beweisgrundlagen des Schuldspruchs zu erschüttern. Soweit F* schilderte, dass B* („ der Freund von ihm “ [ON 2.10, 5]) immer bzw direkt neben ihr gewesen sei (ON 2.9, 5 unten; ON 2.10, 5; ON 2.11, 6 unten), und dies im Zuge der kontradiktorischen Vernehmung mit „sehr nah rechts von ihr“ (ON 16, 8) konkretisierte, ist zu berücksichtigen, dass sich F* laut ihren Schilderungen zu diesem Zeitpunkt in Rückenlage auf der Couch befunden habe (ON 16, 11), was bezogen auf das Video bedeutet, dass sich B* demnach perspektivisch (aus Sicht des Filmenden) links von der am Video in Seitenlage befindlichen weiblichen Person (mutmaßlich F*) befunden haben soll, wobei das Video ab Minute 1:24 lediglich den rechten Bereich deutlich darstellt. Im Übrigen ist wiederum darauf zu verweisen, dass es sich bei dem Video eben um einen bloßen Teilausschnitt und um keine vollständige Dokumentation sämtlicher Handlungen der Tatnacht handelt.
Da das Video keinen Originalton enthält, sondern – offenbar nachträglich – mit diverser Musik unterlegt wurde, lassen sich aus dieser bearbeiteten Version der Videoaufnahmen auch keine Rückschlüsse hinsichtlich der Aussage G*s ziehen, dass sich D* und B* während der Gewaltanwendung unterhalten hätten (ON 2.9, 5).
Schließlich ist auch auszuschließen, dass das Hämatom am Gesäß durch die (leichten) Schläge („Klatschen“) von F* selbst verursacht worden sein könnte, da sich dieses Hämatom laut Anamnesebefund (ON 2.24, 2) am linken Glutealmuskel befunden habe, während das Video leichte Schläge auf die rechte Gesäßhälfte zeigt.
Da somit der vom Wiederaufnahmewerber angebotene neue Augenscheinsbeweis in Form einer das relevante Tatgeschehen nicht vollständig abdeckenden Videodokumentation (vgl auch OLG Graz 9 Bs 258/12b) vor dem Hintergrund der bereits zuvor im Hauptverfahren hervorgekommenen Beweislage nicht geeignet ist, die Beweisgrundlage des rechtskräftigen Urteils in Form der erforderlichen ernsten Zweife l an der Richtigkeit der strafrechtlichen Verurteilung zugunsten des B* zu erschüttern, war spruchgemäß zu entscheiden, und bleibt der Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten samt Antrag auf Hemmung des Vollzugs ohne Erfolg.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).