JudikaturOLG Linz

9Bs98/25p – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende und Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Maßnahmenvollzugssache betreffend A* wegen bedingter Entlassung aus einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB über die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 22. April 2025, BE1*-14, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der ** geborene A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 8. Jänner 2019, Hv*, wegen zweier Verbrechen nach § 3g VG zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und gleichzeitig gemäß § 21 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2022/223 in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nun: forensisch-therapeutisches Zentrum) eingewiesen. Er hatte am 14. Juli 2018, ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem Einfluss seiner schwergradigen kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer (chronischen) Alkoholabhängigkeitserkrankung in und vor einem Grazer Lokal mehrfach: „Heil Hitler“, „Scheiß Ausländer“, „Scheiß Jugos“ und „Ihr gehört alle vergast!“, geschrieen und dabei seine Äußerungen jeweils mit dem Zeigen des Hitlergrußes unterstrichen, sowie nach seiner Festnahme anlässlich seiner Verbringung ins Polizeianhaltezentrum C* beim Durchschreiten der inneren Schleusentür neuerlich den rechten Arm erhoben und den Hitlergruß dargeboten.

Die im Weg der Vikariierung bereits verbüßte Strafe endete mit 14. Jänner 2022. Die (nach vorläufiger Anhaltung und Inhaftierung ab 15. Juli 2018) mit Urteilsrechtskraft am 3. Juni 2019 eingeleitete Maßnahme wird derzeit – wieder (nachdem der Betroffene zwischenzeitig in die JA ** verlegt werde musste, weil er im Jänner 2022 in D* seine vormalige Casemanagerin und deren Familie bedroht hatte [ON 10, 6 f]) – im FTZ D* vollzogen (ON 3; ON 7, 6).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 22. April 2025 (ON 14) stellte das Erstgericht nach Einsichtnahme insbesondere auch in die bezughabenden Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. E* vom 21. August 2018 (LGSt Graz Hv*; vgl ON 10, 8 f) und des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. F* vom 13. Juni 2023 (LGSt Graz BE2*; vgl ON 10, 10 f), Einholung einer forensischen Stellungnahme des Anstaltsleiters vom 11. Februar 2025 (ON 10) sowie eines klinisch-psychologischen Prognosegutachtens des Sachverständigen Mag. G* vom 6. März 2025 (ON 11) und Durchführung einer Anhörung (ON 13) die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des A* nach § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum fest und wies seinen Antrag auf bedingte Entlassung ab.

Dagegen wendet sich die Beschwerde des Betroffenen (ON 16 und ON 18), jedoch ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Vorbeugende Maßnahmen sind auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB). Die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme ist zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs 2 StGB). Die spezifische Gefährlichkeit besteht im hier vorliegenden Fall von Anlasstaten, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind (vgl § 21 Abs 3 StGB), in der Befürchtung, dass der Untergebrachte sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen (§ 21 Abs 1 StGB) begehen werde (14 Os 37/24h [6 f] mwN = EvBl 2025/25, Ś widerski ).

Im Sinn dieser Kriterien ist mit dem Erstgericht, auf dessen umfassende Ausführungen und Feststellungen hier zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, anzunehmen, dass sich das psychopathologische Zustandsbild des Rechtsmittelwerbers vor dem Hintergrund der aktuellen Diagnose (vgl ON 11, 65 ff) einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und emotional-instabilen Persönlichkeitszügen (F60.2) sowie einer psychischen und Verhaltensstörung durch Alkohol (Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung; F10.21), angesichts des Berichts der Betreuungsverantwortlichen des FTZ D* zum bisherigen Therapieverlauf (ON 10), dem aktuellen klinisch-psychologischen Prognosegutachten des Sachverständigen Mag. G* vom 6. März 2025 (ON 11) und dem in der Anhörung am 22. April 2025 vermittelten Eindruck von der Person des Betroffenen (ON 13 und ON 16) im relevanten Beobachtungs- und Behandlungszeitraum noch nicht ausreichend positiv entwickelt hat, um ihm bereits eine Alternative zur stationären Anstaltsunterbringung eröffnen zu können.

Explizit berücksichtigt ist dabei der Beschwerdekritik zuwider, dass der Betroffene, gemessen an seinem Status zu Beginn der gegenwärtigen strafrechtlichen Unterbringung, trotz persönlichkeits- und störungsbedingt eingeschränkter therapeutischer Ansprechbarkeit (Responsivity) in einigen Bereichen erste vorsichtige Behandlungserfolge verzeichnen kann (ON 11, 71 ff; auch ON 10, 20 f). So hat er – zusammengefasst (näher ON 11, 45 ff) – in beinahe allen der bei ihm erkannten dynamischen Risikofaktoren (ON 11, 48), mit welchen ein gezielter, erhöhter Behandlungsbedarf einhergeht, um das insoweit als deutlich überdurchschnittlich eingeschätzte Rückfallrisiko und damit die spezifische Gefährlichkeit zu verringern (gewalttätiger Lebensstil, kriminelle Einstellungen, Gebrauch von Waffen, Einsicht bezüglich Gewalttätigkeit, Gewaltzyklus, Impulsivität, Einhaltung von Auflagen und Weisungen) mittlerweile eine Einsicht erreicht (Absichtsbildungsphase); in mehreren Risikofaktoren (Arbeitsmoral, kriminelle Peergruppen, zwischenmenschliche Aggression, emotionale Kontrolle, Gewalttätigkeit während der Anhaltung, Substanzmissbrauch, sozialer Empfangsraum, Entlassung in Hochrisikosituationen) zeigt er bereits eine Verhaltensänderung, wobei diese, weil Schwankungen unterworfen, noch nicht über die Zeit stabil ist (Vorbereitungsphase). Demgegenüber lassen sich aber bei mehreren hochrelevanten Risikofaktoren (kriminelle Persönlichkeit, stabile Beziehungen, kognitive Verzerrungen, sexuell abweichender Lebensstil, Intimitätsdefizite) noch keine Einsicht (Absichtslosigkeitsphase) und damit kein beobachtbarer Behandlungsfortschritt konstatieren. Just diese Risikofaktoren stehen ihm derzeit auch im Weg und können bereits erreichte Verhaltensänderungen wieder ins Gegenteil umkehren, wie dies in der Vergangenheit, nicht zuletzt mit Blick auf den Vollzugsverlauf der ersten Maßnahmenunterbringung des Rechtsmittelwerbers (Pos 06 in ON 5; ON 11, 63 f), schon mehrmals der Fall war. Ihnen wird nach dem plausiblen Dafürhalten des Sachverständigen Mag. G* (ON 11, 73) in der ohnehin seit geraumer Zeit mit dem Betroffenen absolvierten Einzelpsychotherapie sowie in den klinisch-psychologischen Gesprächen verstärkt Beachtung zu schenken sein, weil es aus fachlicher Sicht an den Fortschritten allem voran in den Bereichen „kriminelle Persönlichkeit“ und „kognitive Verzerrungen“ liegen wird, ob die positive Entwicklung und Motivation, die der Beschwerdeführer aktuell in Ansätzen zeigt, fortgesetzt und ausreichend gefestigt werden kann.

Zu kurz greift demnach die Argumentation des Betroffenen, wenn er sinngemäß vorbringt, jedenfalls die schweren Vorstraftaten und insbesondere die Anlasstat habe er unter massivem Alkoholeinfluss – und stets ausschließlich deshalb – begangen; es gehe nirgends hervor, dass die diagnostizierte schwergradige Persönlichkeitsstörung für sich allein, also ohne die Alkoholabhängigkeitserkrankung, eine Gefahr für die Begehung schwerer Straftaten darstellte; vielmehr ergebe sich aus der Gesamtschau, dass bei Alkoholabstinenz Prognosetaten iSd § 21 Abs 3 StGB nicht zu befürchten wären, weshalb oberstes Gebot sei, dass er sein Alkoholproblem in den Griff bekomme; der nun fast sechs Jahre währende Maßnahmenvollzug sei zur Erreichung jenes Ziels weder geeignet noch erforderlich; mit der trotz nachweislicher Behandlungserfolge völlig inadäquaten stationären Unterbringung werde ihm dauerhaft unterstellt, er würde nach Wegfall der beschützenden Umgebung neuerlich alkoholabhängig und damit straffällig, ohne dass ihm bis dato überhaupt jemals die Chance gegeben worden sei, sich im Rahmen von Vollzugslockerungen (UdU) zu bewähren.

Denn unmissverständlich resultieren die vollzugskausalen Aggressionstaten und die spezifische Gefährlichkeit des Betroffenen primär aus seiner schwerwiegenden und nachhaltigen dissozialen Persönlichkeitsstörung, die mit ihren narzisstischen und emotional-instabilen Anteilen bereits seit vielen Jahren vorliegt und mit aggressiven Durchbrüchen und Stimmungsschwankungen sowie einer deutlich eingeschränkten Reflexionsfähigkeit einhergeht; und dies – untrennbar, zumal Gegenteiliges durch nichts indiziert ist – in der Kombination mit seiner (chronischen) Alkoholsuchterkrankung, welche trotz regelmäßiger ambulanter Therapien bis dahin nicht eingedämmt werden konnte (ON 10, 11). Konkret wird der Gewaltzyklus regelmäßig dadurch in Gang gesetzt, dass der Betroffene aufgrund seiner dissozialen Persönlichkeitszüge leicht in Konflikte gerät, er diese teilweise auch herausfordert, dann Kritik oder Zurückweisung erfährt, wobei seine ohnehin niedrige Frustrationstoleranz/Impulskontrolle durch exzessiven Alkoholkonsum weiter herabgesetzt wird, sodass er letztlich gewalttätig reagiert oder aber auch ausländerfeindliche Aussagen im Sinn des Verbotsgesetzes von sich gibt (ON 11, 56). Fakt ist, dass der Alkoholkonsum, gleichsam als spezieller Trigger neben den üblicherweise schnell eintretenden Frustrationserlebnissen (ON 11, 51 ff), schon in der Vergangenheit sämtliche Delikte begünstigte und die vorhandenen Symptome der gravierenden psychischen Störung, die sich beim Betroffenen unter anderem in seiner (auch in nüchternem Zustand ausgelebten) egozentrischen Bedürfnisorientierung und fehlenden Zugänglichkeit für das Leiden seiner Opfer äußert, verstärkte (ON 11, 56 und 68). Im Rahmen vordergründiger Rationalisierungen für das eigene Verhalten neigt der Betroffene nun dazu, den Alkoholeinfluss neben den anderen deliktauslösenden Faktoren überzubewerten (ON 11, 54). Denn seine Gewalthandlungen, die praktisch ausnahmslos mit erlittenen Enttäuschungen, Disziplinierungen und Kritik zusammenhingen (ON 11, 40), stehen immer wieder in Verbindung mit erheblichen Defiziten in der Emotionsregulation im Sinn einer Unterkontrolliertheit, aber auch mit gewaltlegitimierenden Haltungen. Insofern ist sich der Betroffene seiner problematischen Persönlichkeitsanteile nicht ausreichend bewusst (ON 11, 48). Zwar verfügt er über eine oberflächliche Einsicht in die Ursachen für sein gewalttätiges Verhalten, wobei er selbst, wie erwähnt, den Hauptrisikofaktor im Alkohol ortet; unverändert tendiert er dabei jedoch zu den angesprochenen kognitiven Verzerrungen, indem er die Schuld bei anderen sucht, seine Taten bagatellisiert und mit widrigen Umständen rechtfertigt, und welche es ihm deutlich erschweren, zur tiefgreifenden Einsicht zu gelangen (ON 11, 53 f und 57). Ins selbe Bild fügt sich nicht zuletzt die Delinquenz nach § 3g VG (ON 10, 11; ON 11, 66), ohne dass es im Übrigen darauf ankäme, dass vom Betroffenen – glaubhaft – keine akute Gefahr der rechtsextremen Radikalisierung ausgeht, zumal seine ausländerfeindlichen und antisemitischen Äußerungen und Handlungen (vgl auch ON 11, 9) gleichermaßen – analog etwa zu den Körperverletzungen (vgl ON 5), angesichts der Anzahl der Delikte und der Regelmäßigkeit des Auftretens mit deutlicher Indikation auch eines bestehenden Problems beim Lernen aus Erfahrung bzw Bestrafung – auf seine eingeschränkte Impulskontrolle und auf den teils gravierenden Alkoholeinfluss zurückzuführen sind (ON 11, 74).

Einzuräumen ist dem Rechtsmittelwerber, dass er auch unter Haftbedingungen eine relativ durchgängige Arbeitsbiographie aufweist (ON 11, 49 f) und dass seit seiner neuerlichen Überstellung in das FTZ D* im Oktober 2023 zwar weitere fünf Meldungen wegen Ordnungswidrigkeiten aufgrund von ungebührlichem Benehmen, Pflichtverletzungen, Beschädigung von Anstaltsgut sowie einer Androhung mit Selbstverletzungen und Beschädigung des Haftraums, um eine Verlegung zu erwirken, dokumentiert sind (ON 10, 6 f), es jedoch insoweit zu keinem gewalttätigen Verhalten mehr gekommen ist (ON 11, 52). Dass die angesprochenen Ordnungswidrigkeiten im Wesentlichen den angespannten Verhältnissen in der Anstalt geschuldet seien, mag stimmen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass Stressoren, etwa hinsichtlich der beruflichen Zukunft oder im zwischenmenschlichen Bereich beim Betroffenen künftig auch in Freiheit immer wieder auftreten werden, und es ihm zurückliegend meistenfalls nicht gelang, solche Hochrisikosituationen im Allgemeinen und Alkoholkonsum als Copingmechanismus im Besonderen zu vermeiden. So gab er selbst an, dass er sich schon nach seiner bedingten Entlassung aus dem ersten Maßnahmenvollzug 2015 relativ rasch nicht mehr von Alkoholkonsum distanzieren habe können (ON 11, 63); es folgten exzessive Alkoholrückfälle und alsbald neuerliche Aggressionsdelinquenz. Wenngleich sich der Betroffene hier also zum dynamischen Risikofaktor „Entlassung in Hochrisikosituationen“ im Stadium der Vorbereitungsphase befindet, ist mit der beginnenden Verhaltensänderung die prognostisch erforderliche zeitliche Stabilität noch nicht erreicht (ON 11, 55 ff).

Mit der Einschätzung des Erstgerichts bleibt es deshalb dabei, dass beim Betroffenen in der Zusammenschau seiner von unmotivierter, impulsiv-unbeherrschter, anhaltender, zutiefst herabwürdigender Aggression geprägten Anlasstaten, seiner langjährigen strafrechtlichen Biographie (ON 5), welche neben mehreren Verurteilungen wegen auch schwerer Körperverletzung solche wegen Vergewaltigung (Pos 04 der Strafregisterauskunft) und wegen Brandstiftung (Pos 6 der Strafregisterauskunft) einschließlich einer Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB aufweist und damit auf eine manifeste, trotz umfassender Vollzugs- und Betreuungsmaßnahmen bislang nicht korrigierbare Neigung des Betroffenen zu vielseitiger Gewaltdelinquenz schließen lässt, außerdem der ebenfalls langjährigen psychiatrischen Diagnosen und dem unverändert hohen Niveau seiner Behandlungsbedürftigkeit (ON 11, 71) bei keineswegs friktionsfreiem Vollzugsverhalten (ON 10, 7) und mitunter schwankender bis selektiver Therapiemotivation ungeachtet eingetretener, indes noch instabiler Fortschritte (ON 10, 20 f) auf Basis der jüngsten Ergebnisse der verschiedenen Risikoprognoseinstrumente (PCL-R, VRAG-R, VRS), die den Betroffenen derzeit noch einer Gruppe von Straftätern mit insgesamt deutlich überdurchschnittlich hohem Rückfallrisiko in eine neuerliche Gewalttat einschließlich eines Sexualdelikts zuordnen (ON 11, 70 ff), weiterhin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb eines absehbaren, maximal fünfjährigen Beobachtungszeitraums zu erwarten ist, er werde störungsbedingt Taten mit schweren Folgen analog zu den bisher begangenen Delikten (ON 10, 11 ff und 21; ON 11, 31) verüben; zu befürchten sind im Licht der Vordelinquenz (vgl ON 10, 16; ON 11, 4 ff und 52) neben nicht bloß leichten Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gemeingefährlichen Handlungen und Verstößen nach dem Verbotsgesetz insbesondere auch unvermutete oder heftige tätliche Attacken, auch gegen sensible Körperregionen (Gesicht, Hals) und unter Einsatz zufällig verfügbarer Gegenstände wie Glasflaschen oder Messer als Waffen, die bei den Opfern zu Knochenbrüchen sowie massiven Hieb-, Stich- oder Schnittverletzungen führen können.

Wie oben angemerkt, benötigt der Rechtsmittelwerber vorerst weitere therapeutische Interventionen und Beobachtung, um die zeitliche Stabilität seiner beginnenden Verhaltensänderung im forensisch erforderlichen Maß zu festigen. Hierbei ist es vor allem notwendig, dass er die Therapie- und Änderungsmotivation, die er aktuell an den Tag legt, weiter aufrecht erhält (ON 11, 72). Die bisherigen Erfahrungen im Rahmen der bedingten Entlassungen zeigen, dass dem Aufbau und insbesondere der Compliance des Betroffenen zur Einhaltung eines professionellen, strukturierenden, unterstützenden und vor allem auch konsequent kontrollierenden sozialen Empfangsraums besonderes Gewicht zukommt (ON 10, 9).

Ein solches geeignetes Entlassungssetting konnte bislang noch nicht erarbeitet werden.

Zwar erkennt der Betroffene mittlerweile zum Teil die Wichtigkeit eines künftigen sozialen Empfangsraums, macht sich darüber auch konkrete Gedanken und zeigt Veränderungsbereitschaft. Im vergangenen Jahr absolvierte er die Ausbildung zum Gebäudereiniger und erwarb den Staplerführerschein. Die Wichtigkeit einer Beschäftigung für die Rückfallprävention scheint ihm ebenfalls bewusst zu sein, wobei aber unklar ist, inwieweit seine langfristigen Zukunftsperspektiven realistisch sind, denn auch in seiner bisherigen, insgesamt eher durchwachsenen beruflichen Biographie eckte der Betroffene immer wieder durch seine ruppige und verbal entgleisende Art an, sein längstes Anstellungsverhältnis dauerte neun Monate; im aktuellen Vollzug kam es bisher mehrmals, sei es wegen Überforderung, sei es wegen Fehltritten, zu Arbeitsablösen (ON 10, 14; ON 11, 49 f). Mit einem künftigen Aufenthalt in einer Wohngemeinschaft erklärt sich der Betroffene einverstanden, parallel dazu möchte er Psychotherapie absolvieren und eine Alkoholiker-Selbsthilfegruppe besuchen. Inwieweit diese Ziele aber realistisch umsetzbar sind und seine Einsicht in die Notwendigkeiten aufrecht bleibt, ist abzuwarten und zu beobachten (ON 11, 55). Nicht übersehen werden kann nämlich für die Einschätzung – unerlässlicher – Paktfähigkeit des Betroffenen, dass es ihm in der Vergangenheit kaum gelungen ist, Probezeiten ohne neuerliche Delinquenz zu überstehen. Dabei kam es unter anderem auch zu Weisungsbrüchen, allem voran zum Konsum von Alkohol. Kurzzeitig war der Betroffene zwar immer wieder bemüht, Auflagen, Weisungen und Termine zu befolgen, mit zunehmender Dauer der Probezeiten fiel er jedoch in alte Verhaltensweisen zurück. Aktuell zeigt er dazu erweitertes Problembewusstsein und hat klare Vorstellungen, wie Weisungen aussehen könnten und welche Unterstützungen er braucht. Allein die Zusammenarbeit mit den Fachdiensten ist bislang starken Schwankungen unterworfen; hier ist noch wenig Einsicht des Betroffenen im Sinn einer forensisch relevanten Veränderung bemerkbar (ON 10, 19; ON 11, 57). Zusammengefasst ist aufgrund seines gezeigten Verhaltens im Maßnahmenvollzug, der erst beginnenden Behandlungsfortschritte, deren zeitliche Stabilität vor dem Hintergrund der langjährig verfestigten schweren Persönlichkeitsstörung und Alkoholabhängigkeit erst ausreichend überprüft werden muss, und des noch gänzlich fehlenden sozialen Empfangsraums eine außerstationäre Alternative derzeit noch nicht ausreichend konturierbar (ON 11, 74).

Alles in allem ist deshalb anzunehmen, dass bei A* weiterhin eine Gefährlichkeit in jener qualifizierten Ausprägung besteht, wie sie das Gesetz für die Aufrechterhaltung der Maßnahme im stationären Bereich verlangt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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