JudikaturOLG Linz

9Bs54/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
20. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 2 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 24. Februar 2025, Hv1*-46, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben;

der angefochtene Beschluss wird (ersatzlos) aufgehoben.

Text

BEGRÜNDUNG:

In diesem Verfahren wurde über A* mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Jänner 2024 (ON 32) wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 2 StGB eine sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt, deren Vollzug mit dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde (§ 43 Abs 1 StGB). Zugleich wurde mit Beschluss (ON 32, 3) gemäß §§ 50, 52 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Im Erstbericht vom 2. August 2024 teilte die Bewährungshelferin mit (ON 41), dass sich der Verurteilte anfänglich sehr zuverlässig gezeigt, in weiterer Folge aber diverse Abmachungen nicht eingehalten habe und für einige Zeit nicht greifbar gewesen sei. Zwar gestalte sich die Zusammenarbeit mit ihm als herausfordernd, er sei aber nun wieder erreichbar und nehme vereinbarte Termine wahr. Nach der Regelung seiner Wohn- und Arbeitssituation werde nächstes Ziel die Deliktsbearbeitung sein.

Am 17. Oktober 2024 stellte die Bewährungshelferin einen Antrag auf Vorladung gemäß § 19 Abs 1 BewHG (ON 42.2); seit dem letzten persönlichen Kontakt, der knapp drei Monate zurückliege, sei der Verurteilte telefonisch unerreichbar und ignoriere sämtliche schriftlichen Hinweise auf Konsequenzen.

Daraufhin ersuchte das Erstgericht am 21. Oktober 2024 B* um Stellungnahme (ON 1.27), ob mit Blick auf die Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten eine Fortsetzung des Betreuungsverhältnisses aus sozialarbeiterischer Sicht überhaupt (noch) sinnvoll erscheine.

Die Bewährungshelferin informierte dazu mit Schreiben vom 6. November 2024 (ON 43.2) sowie – ergänzend – vom 18. Dezember 2024 (ON 44.2; vgl auch LG Salzburg Hv2*), dass sich der Verurteilte wegen neuer Vorwürfe letztlich seit 5. Dezember 2024 in Untersuchungshaft befinde; die anstehende Hauptverhandlung werde die Bewährungshelferin abermals nutzen, um eine Betreuungsbeziehung zu ihrem Klienten zu etablieren.

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 10. Jänner 2025, Hv2*-29, wurde A* rechtskräftig wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (Tatzeit: 5. Dezember 2024) und des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (Tatzeit: 28. April 2024) zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wovon ein achtmonatiger Strafteil mit dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde (der unbedingte einmonatige Strafteil war zufolge Vorhaftanrechnung im Urteilszeitpunkt bereits verbüßt). Außerdem wurde in Bezug auf das hier gegenständliche Verfahren gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht, bei Probezeitverlängerung auf fünf Jahre, abgesehen. Eine Präsenz der Bewährungshelferin geht aus dem nämlichen Hauptverhandlungsprotokoll im Übrigen nicht hervor (LG Salzburg BHv2*-28,1).

Mit Zwischenbericht vom 12. Februar 2025 (ON 45.2) regte die Bewährungshelferin die Aufhebung der Bewährungshilfe an. Aus sozialarbeiterischer Sicht sei es nicht möglich, eine funktionierende Betreuung des Verurteilten zu etablieren. Dieser habe seit seiner Enthaftung am 10. Jänner 2025 lediglich einen Termin eingehalten, den darauffolgenden Termin habe er versäumt und sei auch telefonisch nicht mehr erreichbar.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 24. Februar 2025 (ON 46) hob das Erstgericht die angeordnete Bewährungshilfe gemäß § 52 Abs 3 StGB auf. Zwar sei eine professionelle Unterstützung des Verurteilten (mehr als) notwendig; angesichts seiner sehr speziellen Persönlichkeitsstruktur in Kombination mit seinem erheblichen Alkoholkonsum, welche ihn für rationale und sinnstiftende Kommunikation kaum zugänglich mache, sei seine Betreuung aber nicht zweckmäßig, denn dem Ziel der Bewährungshilfe, den Rechtsbrecher bei der Stabilisierung seines Lebens zu unterstützen, könne nicht entsprochen werden.

Dagegen wendet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 47), im Ergebnis mit Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht hat während der Probezeit die Bewährungshilfe aufzuheben, soweit dies nach § 50 StGB geboten erscheint (§ 52 Abs 3 StGB). Gemäß § 50 Abs 1 erster Satz StGB ist Bewährungshilfe anzuordnen, wenn sie sozialprognostisch notwendig oder zweckmäßig ist.

Mit anderen Worten setzt die Bestellung eines Bewährungshelfers also voraus, dass diese Maßnahme (nach den konkreten Umständen des Einzelfalls) den Rechtsbrecher – nach seiner Person, seinem Vorleben, seiner unmittelbaren Umwelt, in der er lebt und deren Einflüssen er ausgesetzt ist, auch unter Berücksichtigung der Art der begangenen Straftat und des allfälligen Zusammenhangs zwischen dieser und den angeführten persönlichkeitsprägenden Faktoren – spezialpräventiv positiv beeinflussen kann (RIS-Justiz RS0088442). In dem Sinn soll durch die Bewährungshilfe neuerlicher Delinquenz des Rechtsbrechers vorgebeugt und während der Probezeit gezielt jenen Risikofaktoren begegnet werden, die einem straffreien Leben entgegenstehen. Die Bewährungshilfe ist notwendig, wenn ohne sie der anzustrebende ordentliche Lebenswandel nicht möglich wäre. Und sie ist zweckmäßig, wenn durch sie die Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz verringert, das heißt die Resozialisierung des Rechtsbrechers unterstützt, erleichtert oder gefördert wird (RIS-Justiz RS0092226; Tipold in Leukauf/ Steininger StGB 4 § 50 Rz 2 mwH).

Entfällt demnach vor Ablauf der Probezeit die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, so ist die Bewährungshilfe aufzuheben ( Tipold in Leukauf/Steininger StGB 4 § 52 Rz 7). Entzieht sich allerdings der Schützling während der Probezeit beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers, so stellt das nach erfolgloser Abmahnung einen Widerrufsgrund dar ( Tipold in Leukauf/Steininger StGB 4 § 52 Rz 9; Schroll/Oshidari in WK 2 StGB § 50 Rz 11). Zuvor kann jedoch, noch ehe die Beharrlichkeit manifest geworden ist, eine Modifikation der Maßnahme (§ 52 Abs 3 StGB), etwa durch Bestellung eines anderen Bewährungshelfers in Frage kommen, um die Verwirklichung des Widerrufsgrundes zu vermeiden ( Tipold in Leukauf/Steininger StGB 4 § 53 Rz 13).

Wendet man die dargelegten Grundsätze auf die hier zu entscheidende, mit Blick auf die beschriebene Persönlichkeit des Verurteilten in einer gewissen Grauzone angesiedelten Fallkonstellation an, so ist der öffentlichen Anklägerin darin beizupflichten, dass der indizierte Bruch der Bewährungsaufsicht durch den Verurteilten, der im Verfahren LG Salzburg Hv2*-28, 2 seine fehlende Compliance mit Terminkollisionen erklärt hätte, (zumindest aktuell) keinen Anlass für die Aufhebung der Bewährungshilfe darstellt. Die zwischenzeitig neuerliche einschlägige Verurteilung des Beschwerdegegners belegt vielmehr klar die – vom Erstgericht ohnedies ausdrücklich bejahte – Notwendigkeit, aber auch die Zweckmäßigkeit der Aufarbeitung seines delinquenten Verhaltens mit professioneller sozialarbeiterischer Unterstützung, zumal auch die Konsequenzen aus ihrer Ablehnung bislang, soweit überschaubar, gegenüber dem Verurteilten noch gar nicht unter Ausschöpfung sämtlicher vom Gesetz skizzierten Möglichkeiten vermittelt wurden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Rückverweise