10Bs181/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 24. Juli 2025, Hv1*-182, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. September 2023, Hv1* (rechtskräftig 25. Juni 2024), wurde A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Strafe im Ausmaß von zwölf Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet (ON 88, ON 138.4). Der unbedingte Teil der Strafe wurde vom 6. August 2024 bis zum 31. Oktober 2024 vollzogen (ON 158, ON 171.2).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. Juli 2025 wurde nunmehr die Bewährungshilfe aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 24. Juli 2025 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht (ON 1.65) abgewiesen (ON 182).
Die dagegen von der Anklagebehörde erhobene Beschwerde (ON 183) ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegenständlichen Verurteilung zufolge hat der Genannte am 3. April 2023 in ** B* am Körper verletzt und dadurch eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung herbeizuführen versucht, indem er diesem mehrere Faustschläge ins Gesicht und Fußtritte in den Bauch versetzte, wodurch B* blutende Wunden im Gesicht erlitt.
Die bedingte Strafnachsicht ist gemäß § 53 Abs 2 StGB (unter anderem dann) zu widerrufen und die Strafe in Vollzug zu setzen, wenn sich der Rechtsbrecher beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht und der Widerruf nach den Umständen geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Das bloße Vorliegen eines Widerrufsgrundes reicht somit nicht aus.
Weisungen und Bewährungshilfe sind sanktionsergänzende Maßnahmen, die der individuellen Verbrechensvorbeugung dienen und nach ihrer Zielsetzung zur Schaffung jener Voraussetzungen beitragen, die ein rückfallfreies Verhalten fördern und erleichtern. Notwendig in diesem Sinne ist eine Weisung oder die Bewährungshilfe, wenn ohne sie der anzustrebende ordentliche Lebenswandel nicht möglich wäre. Zweckmäßig ist die Weisung oder Bewährungshilfe, wenn durch sie die Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz verringert wird. Diese Maßnahmen können während der Probezeit auch neuen spezialpräventiven Erfordernissen angepasst und geändert werden. Dem Gericht steht es somit offen, erteilte Weisungen aufzuheben oder abzuändern, wenn der intendierte Zweck dieser Anordnung, insbesondere die spezialpräventive Beeinflussung nicht mehr realisiert werden kann oder sich eine Weisung bzw Bewährungshilfe als überflüssig erweist (vgl Schroll/Oshidari , WK 2 StGB § 50 Rz 1, 3 und 11). So hat das Gericht gemäß § 52 Abs 3 erster Satz StGB während der Probezeit die Bewährungshilfe nachträglich anzuordnen oder sie aufzuheben, soweit dies nach § 50 StGB geboten erscheint, mithin notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten.
Zu Recht hat das Erstgericht die Bewährungshilfe – ungeachtet der Frage, ob sich der Verurteilte dieser beharrlich entzogen hat – schon mit der Begründung aufgehoben und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht abgewiesen, dass diese Maßnahme derzeit weder notwendig noch zweckmäßig erscheint, um A* zu einem ordentlichen Lebenswandel anzuhalten und es auch eines (weiteren) Strafvollzugs hiefür nicht bedarf:
A* weist neben der hier gegenständlichen Abstrafung zwei weitere Verurteilungen auf, wobei jene durch das Landesgericht Salzburg vom 16. August 2021, Hv2* (rechtskräftig 7. März 2022), ebenfalls wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB; jene vom 2. September 2022, Hv3* (rechtskräftig 9. Februar 2023), hingegen wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB erfolgt ist (ON 75). Seit 3. April 2023 ist er nicht mehr straffällig geworden (ON 181).
Somit ist weder nach Art der Tat, der Person des Rechtsbrechers noch nach seinem Vorleben aktuell anzunehmen, dass es des Vollzugs einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Verurteilten von weiterer Delinquenz abzuhalten.
Sofern sich das Beschwerdevorbringen auf einen Bericht der (vorläufigen) Bewährungshilfe vom 2. Jänner 2024 (ON 98) bezieht, wonach A* Unterstützung bei der Wohnungssuche benötige und einkommenslos sei, ist zu erwidern, dass dadurch weder auf gegenwärtige Umstände Bezug genommen noch eine Zweckmäßigkeit der Bewährungshilfe mit Blick auf die zurückliegende Gewalttätigkeit des Genannten, die in keinem Zusammenhang mit einer allfälligen Wohnungs- oder Geldnot zu sehen ist (vgl insb S 7 in ON 3.11, S 17 in ON 78), dargelegt wird. Anhaltspunkte für eine nach wie vor bestehende Aggressionsproblematik des Verurteilten bestehen nicht und werden auch von der Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt.
Der Verweis auf die im Rechtsmittel angeführten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Linz vom 20. März 2025, 9 Bs 54/25t, sowie des Oberlandesgerichts Graz vom 23. März 2023, 10 Bs 61/23f, führt schon deshalb nicht zum Ziel, weil es in beiden Fällen – anders als hier - zu einer neuerlichen Straffälligkeit kam und vor diesem Hintergrund eine weiter bestehende Notwendigkeit bzw Zweckmäßigkeit der Bewährungshilfe angenommen wurde.
Fallkonkret ist jedoch nicht davon auszugehen, dass es – zusätzlich zum bereits verbüßten unbedingten Teil der Strafe, bei dem es sich zudem um den Erstvollzug gehandelt hat – eines weiteren Strafvollzugs oder der Aufrechterhaltung der Bewährungshilfe bedarf, um den Verurteilten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.