JudikaturOLG Linz

7Bs19/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
14. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Gföllner als Vorsitzende, die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Übergabesache des A* zur Strafvollstreckung an Rumänien über die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 7. Februar 2025, HR*-37, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Übergabesache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Gerichtshofs Arad vom 6. Dezember 2024, AZ ** (ON 3; Übersetzung ON 12), leitete die Staatsanwaltschaft Linz gemäß § 16 Abs 1 EU-JZG ein Übergabeverfahren gegen den am ** geborenen türkischen Staatsangehörigen A* zur Strafvollstreckung der mit Strafurteil Nr. ** des Gerichtshofs Arad vom 14. Oktober 2024, rechtskräftig seit 29. Oktober 2024, wegen des Delikts der Schleusung von Migranten gemäß Art 263 Abs 1, Abs 2 lit a des rumänischen Strafgesetzbuches verhängten (und noch zu verbüßenden) Freiheitsstrafe von drei Jahren ein.

Inhaltlich des Europäischen Haftbefehls lenkte A* am 14./15. April 2023 ein Fahrzeuggespann, bestehend aus einer in Österreich zugelassenen Sattelzugmaschine der Marke MAN (Kennzeichen **) und einem ebenfalls in Österreich zugelassenen Anhänger der Marke Schmitz (Kennzeichen **). Im Inneren des Gespanns beförderte er eine Gruppe von zwölf Personen, alle Staatsangehörige von Bangladesch, gegen ein Entgelt von EUR 3.000,00 pro Person, mit der Absicht, diesen Personen die unerlaubte Überschreitung der rumänischen Staatsgrenze nach Ungarn zu ermöglichen.

Laut Punkt d) Nr. 2. des Europäischen Haftbefehls ist A* zu der Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat, nicht persönlich erschienen. Laut Punkt d) Nr. 3.1a. wurde A* am 12. Dezember 2023, 20. Februar 2024, 23. April 2024, 25. Juni 2024 und 10. September 2024 persönlich vorgeladen und dabei von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung in Kenntnis gesetzt, die zu der Entscheidung geführt hat, sowie davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Entscheidung auch dann ergehen kann, wenn er zu der Verhandlung nicht erscheint. Laut Punkt d) Nr. 3.2. hat A* in Kenntnis der anberaumten Verhandlung ein Mandat an einen Rechtsbeistand, der entweder von der betroffenen Person oder vom Staat bestellt wurde, erteilt, ihn bei der Verhandlung zu verteidigen, und ist bei der Verhandlung von diesem Rechtsstreit tatsächlich verteidigt worden. Laut Punkt d) Nr. 4. wurde das Strafurteil an die Adresse in Österreich, Stadt B*, **, PLZ **, zugestellt (ON 12, 3 f).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 37) bewilligte das Erstgericht die Übergabe des Betroffenen A* an Rumänien zur Strafvollstreckung (1./), und erklärte, dass der Betroffene nicht auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet habe, weshalb mit dieser Übergabe Spezialitätswirkungen verbunden seien (2./). Zudem wurde die über den Betroffenen verhängte Übergabehaft aufrecht erhalten und festgehalten, dass infolge der Bewilligung der Übergabe die Wirksamkeit des zuletzt ergangenen Beschlusses auf Fortsetzung der Übergabehaft durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt ist (3./).

Dabei verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Ablehnungstatbestände nach §§ 5 bis 10 EU-JZG und auch den Vollstreckungsverweigerungsgrund nach § 11 EU-JZG. Zwar könne - unter Berücksichtigung der Angaben des Betroffenen (wonach er weder eine Ladung zur Verhandlung noch ein Urteil zugestellt erhalten habe und auch keinem Verteidiger ein Mandat erteilt habe; siehe ON 10 und ON 38, 3 f) und des Umstandes, dass es die Adresse ** in ** B* nicht gibt (siehe ON 22.2 und ON 31.2), - weder festgestellt werden, dass der Betroffene tatsächlich Kenntnis von der Ladung zu jener Verhandlung erhielt, in welcher er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde, und er faktisch darüber belehrt wurde, dass das Urteil in seiner Abwesenheit ergehen kann, noch, dass er selbst einen Verteidiger wählte oder Kenntnis von der Bestellung eines Amtsverteidigers für ihn erlangte und eine Kontaktaufnahme zwischen Verteidiger und Betroffenen stattfand; letztlich habe der Betroffene das Strafurteil Nr. ** auch nicht persönlich bzw über den für ihn bestellten Verteidiger zugestellt erhalten. Allerdings lasse sich den ergänzenden Informationen der rumänischen Behörden entnehmen (siehe dazu ON 36), dass dem Betroffenen gemäß Art. 466 Abs 1 und 3 der rumänischen Strafprozessordnung nach seiner Übergabe das (Abwesenheits-)Urteil zugestellt werden und er dann das Recht haben wird, binnen eines Monats eine Wiederöffnung des Strafverfahrens zu beantragen. Diese Zusicherung des Rechts auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens genüge den Anforderungen des § 11 Abs 1 Z 4 EU-JZG.

Gegen die Bewilligung der Übergabe zur Strafvollstreckung an Rumänien richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 38, 8) und fristgerecht ausgeführte Beschwerde des Betroffenen (ON 42.2), mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt, weil die rumänische Justizbehörde die Voraussetzungen des § 11 Abs 1 Z 4 EU-JZG nicht mit der ausreichenden Sicherheit nachweisen hätte können.

Dem Rechtsmittel kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Von der vom Gerichtshof Arad über den Betroffenen wegen des mit Freiheitsstrafe von drei bis zehn Jahren bedrohten Delikts der Schleusung von Migranten gemäß Art 263 Abs 1 und Abs 2 lit a des rumänischen Strafgesetzbuches verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren sind noch mehr als vier Monate zu vollstrecken und ist die inkriminierte Tat nach österreichischem Recht dem Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2 FPG (Strafdrohung: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) zu subsumieren, sodass die für eine Übergabe zur Strafvollstreckung erforderlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs 2 EU-JZG erfüllt sind.

Im Falle der Erlassung eines Europäischen Haftbefehls zur Übergabe zur Vollstreckung einer in Abwesenheit verhängten Freiheitsstrafe ist gemäß § 11 Abs 1 EU-JZG die Übergabe nur zulässig, wenn aus der Bescheinigung hervorgeht, dass der Betroffene im Einklang mit den Verfahrensvorschriften des Ausstellungsstaats

1. fristgerecht durch persönliche Ladung oder auf andere Weise von Zeit und Ort der Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat, tatsächlich Kenntnis erlangt hat und darüber belehrt worden ist, dass das Urteil in seiner Abwesenheit ergehen kann,

2. in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen selbst gewählten oder vom Gericht beigegebenen Verteidiger mit seiner Vertretung in der Verhandlung betraut hat und von diesem in der Verhandlung tatsächlich vertreten wurde,

3. nach Zustellung des in Abwesenheit ergangenen Urteils und nach Belehrung über das Recht, die Neudurchführung der Verhandlung zu beantragen oder ein Rechtsmittel zu ergreifen und auf diesem Weg eine neuerliche Prüfung des Sachverhalts, auch unter Berücksichtigung neuer Beweise, in seiner Anwesenheit und eine Aufhebung der Entscheidung zu erreichen,

a) ausdrücklich erklärt hat, keine Neudurchführung der Verhandlung zu beantragen oder kein Rechtsmittel zu ergreifen; oder

b) innerhalb der bestehenden Fristen keine Neudurchführung der Verhandlung beantragt oder kein Rechtsmittel ergriffen hat; oder

4. das Urteil nicht persönlich zugestellt erhalten hat, dieses jedoch unverzüglich nach seiner Übergabe persönlich zugestellt erhalten und dabei ausdrücklich von seinem Recht, die Neudurchführung der Verhandlung zu beantragen oder ein Rechtsmittel zu ergreifen und auf diesem Weg eine neuerliche Prüfung des Sachverhalts, auch unter Berücksichtigung neuer Beweise, in seiner Anwesenheit und eine Aufhebung der Entscheidung zu erreichen, und den dafür bestehenden Fristen in Kenntnis gesetzt werden wird.

Gemäß § 11 Abs 1 EU-JZG ist die Vollstreckung eines – wie hier – in Abwesenheit des Betroffenen ergangenen Urteils eines anderen EU-Mitgliedstaats nur unter den in Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen zulässig. Zentraler Zweck dieser Bestimmung ist die Wahrung grundrechtlicher Standards (insbesondere Art 6 EMRK) zum Schutz des in Abwesenheit verurteilten Beschuldigten. Demzufolge bewilligt Österreich als Vollstreckungsstaat die Übergabe einer im Ausstellungsstaat in Abwesenheit verurteilten Person nur dann, wenn im Abwesenheitsverfahren bestimmte rechtsstaatliche Garantien eingehalten wurden oder der Ausstellungsstaat die Zusicherung einer Wiederaufnahme des Abwesenheitsverfahrens abgibt ( Hinterhofer in WK 2§ 11 EU-JZG Rz 1).

§ 11 EU-JZG erhielt in Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI die geltende Fassung durch das EU-JZG-ÄndG 2011 (BGBl I 2011(134). Dieser Rahmenbeschluss verfolgt das Ziel, die Verteidigungsrechte des Betroffenen in Abwesenheitsverfahren zu stärken und die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die in einem solchen Verfahren ergangen sind, zu fördern ( Hinterhofer in WK 2EU-JZG § 11 Rz 2).

Ob die einzelnen Übergabevoraussetzungen bei einem Europäischen Haftbefehl, der auf einem Abwesenheitsurteil beruht, vorliegen, ist nach dem klaren Wortlaut des § 11 Abs 1 EU-JZG anhand der Verfahrensvorschriften des Ausstellungsstaats festzustellen. Eine Überprüfung, ob diese Voraussetzungen eingehalten wurden, hat die vollstreckende österreichische Justizbehörde grundsätzlich alleine anhand des Inhalts des Europäischen Haftbefehls vorzunehmen ( Hinterhofer in WK 2§ 11 EU-JZG Rz 6). Reichen die im Europäischen Haftbefehl enthaltenen Informationen nicht für eine Beurteilung der Zulässigkeit der Übergabe aus, so hat das zuständige Gericht gemäß § 19 Abs 2 EU-JZG die erforderlichen zusätzlichen Informationen vom Ausstellungsstaat zu verlangen ( Schallmoser in WK 2EU-JZG § 19 Rz 1).

Mit zutreffender Begründung geht das Erstgericht - auch unter Berücksichtigung der vom Ausstellungsstaat übermittelten zusätzlichen Unterlagen (ON 23.2, 29.1, 34 und 36) - davon aus, dass der Betroffenekeine tatsächliche Kenntnis im Sinn der Z 1 des § 11 Abs 1 EU-JZG von den Verhandlungsterminen erlangte, weil in den Akten eine unrichtige Adresse protokolliert wurde. Die Ladungen (samt Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens) zur Verhandlung konnten, weil die bei seiner polizeilichen Vernehmung am 15. April 2023 protokollierte Adresse gar nicht existiert, nicht zugestellt werden. Ferner ist dem Erstgericht beizupflichten, dass mangels eines persönlichen Kontakts zwischen dem Betroffenen und seinem Pflichtverteidiger der Betroffene im Verfahren auchnicht wirksam (im Sinn des Art 6 EMRK) durch einen Verteidiger vertreten wurde . Schließlich erfolgte auchkeine der Z 3 des § 11 Abs 1 EU-JZG entsprechende (persönliche) Zustellung des Strafurteils an den Betroffenen. Beide Zustellversuche unter der in den Akten protokollierten Adresse (** B*, **, Österreich) scheiterten; die Schriftstücke kamen mit dem Vermerk „Adresse ist unvollständig“ bzw „die Postleitzahl ist falsch“ zurück.

Daran ändert auch nichts, dass bei der Vernehmung des Betroffenen am 15. April 2023 durch eine Beamtin der Kriminalpolizei, Abteilung territorialer Grenzpolizeidienst Arad, in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die türkische Sprache, sein Wohnsitz/tatsächlicher Aufenthaltsort und seine Zustellanschrift in Österreich mit „**, ** B*“ festgehalten und der Betroffene über die Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen des Delikts der Schleusung von Migranten gemäß Art 263 Abs 1, Abs 2 lit a des rumänischen Strafgesetzbuches sowie über seine Verfahrensrechte nach der rumänischen Strafprozessordnung und insbesondere auch über seine Pflichten nach Art 108 Abs 2 der rumänischen Strafprozessordnung (unter anderem die Pflicht, jede Änderung der Anschrift innerhalb von drei Tagen schriftlich mitzuteilen, andernfalls die Vorladung und alle anderen an die erste Anschrift übermittelten Dokumente ihre Gültigkeit behalten und davon ausgegangen wird, dass er sie zur Kenntnis genommen hat) belehrt wurde. Die Zustellung der Vorladung des Betroffenen zur Verhandlung und die Zustellung des Urteils an den Betroffenen durch Aushang in den Räumlichkeiten des Gerichts sind - auch wenn der Betroffene seiner Pflicht, jede Änderung der Anschrift unverzüglich mitzuteilen, nicht nachgekommen ist, - für eine persönliche Zustellung bzw eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht ausreichend.

Da mithin ein den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK entsprechendes Verfahren, das zur Verurteilung des Betroffenen in Rumänien führte, nicht festgestellt werden kann, kommt eine Übergabe zur Strafvollstreckung nur bei Vorliegen einer ausreichenden Zusicherungder Verfahrenswiederholung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs und unter Einhaltung der Verfahrensrechte (§ 11 Abs 1 Z 4 EU-JZG) in Betracht. Als ausreichend kann eine solche Zusicherung angesehen werden, wenn ihr zu entnehmen ist, dass im ersuchten Staat eine effektive Möglichkeit der Verfahrenswiederholung auf der Grundlage geltender Gesetze für den Betroffenen tatsächlich besteht, eine Rechtsmittelbelehrung – auch zu den allenfalls bestehenden Frist – ergeht und dem Betroffenen ein einfacher Rechtsbehelf zur Verfügung steht, der keine besondere Darlegungs- und Beweislast verlangt und zur Verfahrenswiederholung führt. Zudem müssen dem Betroffenen im erneuerten Verfahren die Verteidigungsrechte umfassend zustehen, sodass für den Betroffenen eine neuerliche Prüfung des Sachverhalts auch unter Berücksichtigung neuer Beweise in seiner Anwesenheit und eine Aufhebung der Entscheidung zu erreichen ist (vgl RIS-Justiz RS0129033; siehe dazu auch Murschetz , Auslieferungsbegehren nach einem Abwesenheitsurteil, JBl 2014, 475).

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts lässt sich aus den ergänzenden Unterlagen der rumänischen Behörden (ON 36) nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Betroffene - nach persönlicher Zustellung des Strafurteils nach seiner Übergabe - ein Recht auf Neudurchführung der Verhandlung oder auf ein (volles) Rechtsmittelverfahren in seiner Anwesenheit hat.

Ergibt sich doch aus dem Schreiben der Abteilung für Strafvollstreckung beim Gericht Arad vom 28. Jänner 2025 und den darin angeführten Gesetzesbestimmungen (ON 36) bloß, dass der Betroffene die Möglichkeit hat, beim Gericht einen Antrag auf Berufung sowie einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß der rumänischen Strafprozessordnung zu stellen, und dass diese Anträge dann vom zuständigen Gericht in allen tatsächlichen und rechtlichen Aspekten geprüft werden.

Gemäß Art 411 Abs 1 der rumänischen Strafprozessordnung gilt eine Berufung, die nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eingelegt wird, als fristgerecht, wenn die Verzögerung durch einen begründeten Hinderungsgrund verursacht wurde und der Antrag auf Berufung innerhalb von 10 Tagen nach Ablauf der Frist gestellt wird. Gemäß Art 466 Abs 2 Satz 1 erste Alternative der rumänischen Strafprozessordnung gilt eine verurteilte Person als in Abwesenheit verurteilt, wenn sie nicht zur Verhandlung geladen war und auch sonst keine offizielle Kenntnis von der Verhandlung hatte, beziehungsweise wenn sie zwar Kenntnis von der Verhandlung hatte, aber berechtigterweise von der Verhandlung abwesend war und das Gericht nicht informieren konnte. Im Fall einer in Abwesenheit rechtskräftig verurteilten Person, gegen die ein ausländischer Staat auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls die Auslieferung oder Übergabe angeordneten hat, beginnt gemäß Art 466 Abs 3 der rumänischen Strafprozessordnung die Frist von einem Monat für den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens (Abs 1) mit dem Tag zu laufen, an dem die Person nach ihrer Rückführung in das Land von der Verurteilung in Kenntnis gesetzt wurde. Art 93 des Gesetzes 302/2004 – Europäischer Haftbefehl auf der Grundlage eines Abwesenheitsurteils sieht eine persönliche Zustellung des Urteils an die verurteilte Person und die Erteilung einer Rechtsbelehrung über Rechtsmittel und Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß der rumänischen Strafprozessordnung wiederum nur dann vor, wenn sich aus den Akten ergibt, dass der verurteilten Person das Urteil nicht persönlich zugestellt wurde.

Allerdings gehen die rumänischen Behörden ersichtlich sowohl von einer ordnungsgemäßen Ladung des Betroffenen als auch einer ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils an den Betroffenen zum einen gemäß Art 259 Abs 2 und 3 der rumänischen Strafprozessordnung an der anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung protokollierten Adresse und zum anderen gemäß Art 259 Abs 5 der rumänischen Strafprozessordnung durch Aushang in den Räumlichkeiten des Gerichtes aus. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nicht als eine in Abwesenheit verurteilte Person im Sinn des Art 466 Abs 2 Satz 1 erste Alternativ der rumänischen Strafprozessordnung angesehen wird, sodass er eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht mehr erreichen kann. Ferner ist unklar, ob dem Betroffenen das Urteil nach seiner Übergabe entsprechend Art 93 des Gesetzes 302/2004 – Europäischer Haftbefehl auf der Grundlage eines Abwesenheitsurteils (persönlich) zugestellt wird, sodass er Rechtsmittel erheben kann, bzw ob ein begründeter Hinderungsgrund im Sinn des Art 411 Abs 1 der rumänischen Strafprozessordnung, der zu einer Wiederaufnahme der Berufungsfrist führt, vorliegt.

Das Erstgericht wird daher im Wege der ausstellenden Justizbehörde (unter Setzung einer angemessenen Frist) zu klären haben, ob dem Betroffenen unter den gegebenen Umständen - sofern er fristgerecht einen Antrag stellt - jedenfalls eine Neudurchführung des Verfahrens in seiner Anwesenheit gewährt wird.

Der Beschwerde war daher im spruchgemäßen Umfang Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und wird das Erstgericht nach Verfahrensergänzung neuerlich über die Übergabe zu entscheiden haben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 21 Abs 1 EU-JZG iVm § 31 Abs 6 ARHG iVm § 89 Abs 6 StPO).