JudikaturOLG Linz

9Bs314/13k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
04. Dezember 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden, Mag.a Reinberg und Mag.a Hemetsberger in der Strafsache gegen P***** F***** E***** wegen der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Beschwerde des P***** F***** E***** gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Wels (im Ermittlungsverfahren) vom 24. Juli 2013, 9 HR 257/13t-53, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss bezogen auf den Antrag des Beschuldigten vom 28. Juli 2012 auf Einstellung des Verfahrens (ON 27) ersatzlos aufgehoben und bezogen auf den Antrag des Beschuldigten vom 18. April 2013 auf Einstellung des Verfahrens (ON 47) dahin abgeändert, dass der Antrag des Beschuldigten vom 18. April 2013 auf Einstellung des Verfahrens (ON 47) als unzulässig zurückgewiesen wird.

Mit seiner Beschwerde wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

BEGRÜNDUNG:

Am 5. Februar 2013 langte beim Landesgericht St. Pölten (S 7 in ON 1) der von der Staatsanwaltschaft Wien gegen P***** F***** E***** wegen der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB erhobene Strafantrag vom 22. Jänner 2013 (ON 29) ein.

Das Landesgericht St. Pölten fasste am 8. März 2013 den Beschluss, dass es örtlich unzuständig sei, und trat das Verfahren dem Landesgericht Wels ab, weil der Beschuldigte seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Wels habe (S 13f in ON 1; ON 35a).

Mit Beschluss vom 24. April 2013 wies das Landesgericht Wels zu 7 Hv 46/13v den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 22. Jänner 2013 gemäß § 485 Abs 1 Z 2 (§ 212 Z 3) StPO zurück; eine ausreichende Grundlage an Ermittlungsergebnissen zur Durch führung einer Hauptverhandlung liege (noch) nicht vor, jedoch könne von zweckentsprechenden Ermittlungen eine solche erwartet werden. Darüber hinaus sei die örtliche Zuständigkeit durch Vernehmung des Angeklagten zum Tatort abschließend zu klären (ON 38). Noch am selben Tag übermittelte das Landesgericht Wels den Akt der Staatsanwaltschaft Wien (S 16 in ON 1), welche am 13. Mai 2013 dagegen Beschwerde erhob (ON 40, ON 41).

Das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht wies die Beschwerde der Staatsanwalt schaft Wien mit Beschluss vom 21. Juni 2013 als unzulässig zurück; gemäß § 25 Abs 5 StPO sei nunmehr die Staatsanwaltschaft Wels die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft (ON 46).

Das Landesgericht Wels übermittelte demnach den Akt der Staatsanwaltschaft Wels zur weiteren Veranlassung mit dem Hinweis auf offene Anträge des Beschuldigten, darunter auch Anträge auf Einstellung des Verfahrens (S 18 in ON 1).

Der Beschuldigte hatte nämlich bereits am 28. Juli 2012 einen an die Staatsanwaltschaft Wien gerichteten Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt (ON 27) sowie am 18. April 2013 in einem Schriftsatz "vorläufige Äußerung zum Strafantrag" ua vorsorglich beantragt, das Verfahren einzustellen (ON 47).

Die Staatsanwaltschaft Wels übermittelte daraufhin den Akt am 5. Juli 2013 der Haft- und Rechtsschutz richterin des Landesgerichts Wels zur Entscheidung über die Einstellungs anträge des Beschuldigten ON 27 und ON 47 mit der Erklärung, dass seitens der Anklage behörde auf eine Stellungnahme verzichtet werde (S 20 in ON 1). Aufgrund eines diesbe züglichen Ersuchens der Haft- und Rechtsschutzrichterin vom 8. Juli 2013 teilte die Staatsan waltschaft Wels am 12. Juli 2013 mit, dass für den Fall, dass dem Einstellungsantrag nicht Folge gegeben werde, eine ergänzende Einvernahme des Beschuldigten P***** F***** E***** geplant sei; zudem verwies sie auf vier beigeschaffte Akten (S 21 in ON 1).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Anträge des Beschuldigten P***** F***** E***** vom 28. Juli 2012 (ON 27) und vom 18. April 2013 (ON 47) auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens ab, weil aufgrund der in der Entscheidung dargestellten Umstände in ihrer Gesamtheit eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 108 StPO nicht gerechtfertigt sei (ON 53).

Innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist stellte der Beschuldigte mit am 14. August 2013 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Landes gerichts Wels vom 24. Juli 2013 (ON 55a), woraufhin ihm vom Erstgericht mit Beschluss vom 15. August 2013 gemäß § 61 Abs 2 StPO ein Verfahrenshilfeverteidiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens beigegeben wurde (ON 56).

Mit Blick auf die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Verfahrenshilfeverteidiger am 30. August 2013 ist die dagegen erhobene Beschwerde rechtzeitig (ON 61).

Aus deren Anlass ist jedoch folgendes festzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 108 Abs 1 StPO hat das Gericht das Ermittlungsverfahren auf Antrag des Beschul digten einzustellen, wenn aufgrund der Anzeige oder der vorliegenden Ermittlungsergebnisse fest steht, dass die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht oder die weitere Verfolgung des Beschuldigten sonst aus rechtlichen Gründen unzulässig ist (Z 1), oder der bestehende Tatverdacht nach Dringlichkeit und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (Z 2). Gemäß § 108 Abs 2 StPO ist der Antrag bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Der Antrag auf Einstellung gemäß Abs 1 Z 2 leg cit darf frühestens drei Monate, wird dem Beschuldigten jedoch ein Verbrechen zur Last gelegt, sechs Monate ab Beginn des Strafverfahrens eingebracht werden. Die Staatsan waltschaft hat das Verfahren einzustellen (§§ 190, 191) oder den Antrag mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten. § 106 Abs 5 letzter Satz gilt sinngemäß.

Mit Einbringung der Anklage (aber auch mit jeder anderen Form der endgültigen Beendigung des Ermittlungsverfahrens) durch die Staatsanwaltschaft ist ein Antrag auf Einstellung nicht mehr zulässig; ein bis dahin unerledigt gebliebener Antrag wird gegenstandslos (§ 210 Abs 3 letzter Satz; Fabrizy, StPO11 § 108 Rz 8).

Dass keine neuen Einstellungsanträge mehr zulässig sind, ist für das kollegialgerichtliche Verfahren insofern konsequent, als mit Einbringung der Anklageschrift ohnehin über den Weg des Anklageeinspruchs die Möglichkeit offen steht, die Anklage mit dem Argument zu bekämpfen, dass die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder ein rechtliches Verfahrenshindernis vorliegt (§ 212 Z 1), was inhaltlich der Einspruchsmöglichkeit des § 108 Abs 1 Z 1 StPO entspricht. Die Einspruchsmöglichkeit des § 212 Z 2, dass Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist, deckt sich mit der Antragsmöglichkeit des § 108 Abs 1 Z 2, sodass im Wesentlichen keine Rechtsschutzlücke vorliegt (Birklbauer/ Mayrhofer, WK-StPO § 210 Rz 19). Die Überprüfungsmöglichkeit unter diesen Gesichts punkten besteht auch im einzelrichterlichen Verfahren vor dem Landesgericht (vgl § 485 Abs 1 Z 3 StPO). Es gibt jedoch keine Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag auf Überprüfung des Strafantrages einzubringen (Birklbauer/Mayrhofer, WK-StPO § 210 Rz 20), sondern ist zur Wahrung der Interessen des Angeklagten in Fortführung der im Ermittlungsverfahren in § 108 geregelten Möglichkeit des Antrags auf Einstellung des Verfahrens mit Beginn des Haupt verfahrens die amtswegige Überprüfung des Strafantrages vorgesehen (Philipp, WK-StPO § 485 Rz 1).

Die dargestellte Chronologie des Verfahrens berücksichtigend und im Sinne der obigen Kriterien wurde der bis dahin unerledigte Antrag des Beschuldigten vom 28. Juli 2012 auf Einstellung des Verfahrens (ON 27) demnach mit Einbringen des Strafantrages gegenstandslos und damit nicht mehr entscheidungsfähig; der im Schriftsatz vom 18. April 2013 enthaltene Antrag des Beschuldigten auf Einstellung des Verfahrens (ON 47) hingegen war als unzulässig zurückzuweisen. Der oben angesprochenen Überprüfungspflicht zur Wahrung der Interessen des Angeklagten ist das Landesgericht Wels - wie im Beschluss vom 24. April 2013 ersichtlich – nachgekommen. Ein Wiederaufleben gegenstandsloser bzw unzulässiger Einstellungsanträge nach Zurückweisen des Strafantrages ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Mit Blick auf die bisherige Verfahrensdauer und das Beschleunigungsgebot wird auf eine zügige Führung des Verfahrens (§ 9 Abs 1 StPO) zu achten sein.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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